Inhalt
Am 25. März 1996 wird Jan Philipp Reemtsma entführt. Sein Sohn Johann (Claude Heinrich) und seine Frau Ann Kathrin (Adina Vetter) erleben mit, wie sich ihr Zuhause über Nacht in eine Einsatzzentrale verwandelt. Zwei Betreuer der Polizei (Yorck Dippe, Enno Trebs), der Anwalt der Familie (Justus von Dohnányi) und ein enger Freund (Hans Löw) bilden eine Schicksalsgemeinschaft, verbunden nur durch das gemeinsame Ziel, Johanns Vater möglichst schnell und unversehrt nach Hause zu holen. Über vier Wochen wird Johann Zeuge, wie zäh das Ringen mit den Entführern ist, und die quälende Ungewissheit allen im Haus zu schaffen macht. Wie hält man die Sorge, die Angst und die Langeweile aus?
Kritik
Mit Gespür für originelle Perspektiven und die richtigen Details lassen sich selbst banale Dinge spannend inszenieren. Umgekehrt wirken selbst hochdramatische Geschehnisse belanglos, wenn die Kamera zuverlässig aus dem uninteressantesten Blickwinkel dort hinschaut, wo am wenigsten passiert - oder nichts. Wie Hans-Christian Schmids (Was bleibt) ineffektive Kombi aus Ermittlungskrimi und Familiendrama. Schauplatz beider wird das Luxusheim von Teenager Johann (Claude Heinrich, A Pure Place) und seiner Mutter Ann Kathrin (Adina Vetter, The Mopes), als Familienvater Jan Philipp (Yorck Dippe) eines Nachts entführt wird.
Der Fall ist kein fiktiver. Wochenlang dominierte die Entführung des millionenschweren Erben des Reemtsma-Zigarettenunternehmens im Jahr 1996 die Medien und ist bis heute präsent. Das liegt auch an einem gewissen Öffentlichkeitsbedürfnis der Betroffenen. Sie befassten sich mit der Tat unter anderem in drei Büchern, zwei davon von Sohn Johann. Sein titelgebendes Debütwerk ist Grundlage des Drehbuchs, sich ganz Scheerers Wahrnehmung widmet. Tathergang, Täter, Reemtsmas Gefangenschaft, politisches Klima, Polizeiarbeit außerhalb des Anwesens und Medienecho ausschließt.
Johann spielt Tischtennis und Gitarre, hat Bandprobe, Schule und eine aufgebauschte Meinungsverschiedenheit mit Papa kurz vor dessen Entführung. Da deren Ausgang bekannt ist, liegt die dramatische Last auf Figurenpsychologie und Konflikten. Doch gerade hier versagt die verkrampfte Inszenierung. Blecherne Erklär-Dialoge und gediegene Melodramatik lassen gerade die Familienmitglieder noch unechter erscheinen als Schmids Versuch, ihren grotesken Reichtum zu normalisieren. Der einzig bleibende Eindruck ist der einer fragwürdigen Heroisierung und Idealisierung der Überprivilegierten inmitten globaler Rezession.
Fazit
Routiniert inszeniert Hans-Christian Schmid vorbei an allem, was die Leinwandadaption der Aufsehen erregenden Reemtsma-Entführung spannend machen könnte. Basierend auf Reemtsma-Sohn Johann Scheerers gleichnamigem Buch zeigt das Edel-Melodram, in dem ein halbes Dutzend Charaktere, denen die Darstellenden kaum Profil geben können, in einer Hamburger Villa auf Anrufe warten. Psychologische, soziologische und zeitpolitische Spannungspunkte aus dieser Konstellation herauszufiltern wagt die blasse Geduldsprobe nicht. Überzeugend vermittelt wird einzig das zermürbende Warten - auf den Abspann.
Autor: Lida Bach