Es heißt ja, dass Freud und Leid gern mal dicht beieinanderliegen. Nicht umsonst lautet eine bekannte Volksweisheit: Was des einen Leid ist, ist des anderen Freud. Und auch in Pixars Meisterwerk Alles steht Kopf kommen sowohl Riley als auch ihre Emotionen erst dann wieder miteinander ins Reine, als sie jeweils erkennen, dass diese Gefühle keine Magnetpole sein müssen, die sich immerzu voneinander abstoßen. In Mein Nachbar Totoro von Hayao Miyazaki ist dieses stetige Wechselspiel ebenso vorhanden, auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht mal so klar erkennbar sein mag.
Denn zunächst wirkt das, was der japanische Anime-Großmeister hier erzählt, ebenso simpel wie durchschaubar: Die Geschwister Satzuki und Mei verbringen zusammen mit ihrem Vater Zeit auf dem Land. Dort beziehen sie ein neues Haus, das nicht bloß so urige Wesen wie „Rußmännchen“ beherbergt – auch bekannt aus Chihiros Reise ins Zauberland - , sondern auch unweit des Waldes gelegen ist, in dem der Waldgeist Totoro lebt. Jene eigenwillige Mixtur aus Hase, Katze und Bär, wie sie nur Studio Ghibli hervorbringen kann und die nicht umsonst seitdem zum markanten Maskottchen der Animationspioniere aus Fernost auserkoren wurde.
Mein Nachbar Totoro erschien 1988 und damit fast zeitgleich mit Die letzten Glühwürmchen, der auch zunächst wie das genaue Kontrastprogramm dazu wirken mag. Denn während Hayao Miyazaki eine Ode an die Kindheit zelebriert, tut Isao Takahata dies, indem er deren Unschuld und Verspieltheit mit dem Grauen des Zweiten Weltkrieges unbarmherzig konfrontiert. Hier darf die Unbeschwertheit und Ausgelassenheit, die Mein Nachbar Totoro walten lässt, allenfalls mal aufblitzen und kleine Kaps der Hoffnung bilden dürfen
Und doch ist auch Miyazakis Film kein durchweg seichtes Werk. Etwa wenn man sich darüber im Klaren wird, dass die beiden Schwestern von ihrem Vater deswegen mit aufs Land genommen werden, weil ihre Mutter schwerkrank im Krankenhaus liegt. Oder wenn die jüngere Schwester Mei, die sie nach einem Streit mit Satzuki auf eigene Faust besuchen will, auf dem Weg zum Krankenhaus spurlos verschwunden ist. Auch hiermit verarbeitet Miyazaki die Aspekte seiner eigenen Kindheit, die weniger von Sorglosigkeit geprägt waren.
Natürlich ist Mein Nachbar Totoro dabei immer noch der ungleich fantastischere Film und auch einer, der selbst auf jeden kleinen Moment der Ungewissheit schnell eine einfache Antwort findet. Der für die beiden Kinder den Waldgeist Totoro heraufbeschwört, welcher wiederum seine treue Buskatze herbeipfeift und Probleme damit in Windeseile in Luft aufzulösen vermag. Und doch ist es ein Film, der zwischen purer kindlicher Freude auch Nuancen von Leid zulässt und uns wie Alles steht Kopf zeigt, dass beides einander nicht immer ausschließen muss.
So ist und bleibt Mein Nachbar Totoro ein Film, der an manchen Tagen auch gern mal wie eine gute Medizin wirken kann: Ein bittersüßes Gemisch, dass am Ende des Tages vor allem eines tut: helfen. Und manchmal kann selbst das schon ausreichend sein, um sich selbst eine Freude zu bereiten.