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Japanischer Anime-Film von Regisseur Hayao Miyazaki. Zwei Mädchen finden im Wald das freundliche Wesen Totoro, das nur von Kindern gesehen werden kann, und schließen mit ihm Freundschaft. Doch eines Tages verschwindet eines der Mädchen und eine abenteuerliche Suche beginnt.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Oftmals ist das Kino in gewisser Weise eine Zeitmaschine, die es dem Betrachter ermöglicht, Ereignisse oder Zustände der Vergangenheit zu besichtigen. Der japanische Anime-Regisseur Hayao Miyazaki (Das Schloss im Himmel) ist in dieser Hinsicht einer der größten Kino-Magier. In seinen Werken, die sich meist bei großen und kleinen Zuschauern gleichermaßen einen Platz mitten im Herzen ergattern, gelingt es dem Filmemacher nicht nur, Orte und Ereignisse der Vergangenheit zu bereisen, sondern Gefühle, die vor allem bei älteren Zuschauern vermutlich schon viele Jahre zurückliegen und plötzlich doch wieder ganz konkret spürbar sind. 

Neben diversen Meilensteinen aus Miyazakis Schaffen darf der 1988 veröffentlichte Mein Nachbar Totoro als Paradebeispiel dieses außergewöhnlichen Stils besonders hervorgehoben werden. Auf den ersten Blick wirkt die Geschichte eines Vaters und dessen zwei kleinen Töchtern, die zu Beginn des Films in ein neues Haus auf dem Land einziehen, fast schon überraschend unspektakulär. Schon die ersten Szenen, in denen der Umzug stattfindet, verdeutlichen aber, dass es Miyazaki nicht so sehr darum geht, was er da gerade erzählt, sondern darum, durch welchen Blickwinkel die Geschehnisse durchwegs erlebt werden. Aus der Perspektive der vierjährigen Mei und ihrer sechs Jahre älteren Schwester Satsuki gestaltet der Regisseur die Anreise zu dem neuen Haus der Familie sowie die sich daran anschließende Ankunft als kindlich-verspieltes, in bunten Bildern erstrahlendes Abenteuer. 

Als die beiden Geschwister zum ersten Mal mit strahlenden Gesichtern durch das Grundstück mitsamt Garten sowie dem Inneren des Hauses toben und jeden Winkel mit purer Begeisterung erkunden, entfacht Mein Nachbar Totoro jenes einzigartige, unvergleichliche Gefühl der Kindheit, in dem jeder neue Tag mit schier endlosen Möglichkeiten anbricht, deutlich länger erscheint, als er eigentlich ist und die naive Begeisterung grundsätzlich der zögernden Skepsis überwiegt. Miyazakis Werk ist aber nicht nur eine Ode an genau dieses Lebensgefühl, in dem sich junge Zuschauer sofort bestätigt fühlen und ältere Zuschauer in wohliger Nostalgie schwelgen dürfen, sondern ebenso ein Appell an die Kraft der Fantasie. Als sich Mei im Wald verirrt, nachdem sie einem niedlichen, kleinen Wesen folgt, begegnet sie Totoro, der vom Aussehen her einer Mischung aus Katze und Eule entspricht und eigentlich nur ein gemütliches Schläfchen abhalten wollte, bis das Mädchen plötzlich freudestrahlend auf seinem Bauch sitzt.

Totoro, der im weiteren Verlauf des Films nur noch für Mei und Satsuki sichtbar wird, dürfte sicherlich zu den ikonischsten Schöpfungen aus dem kreativen Bewusstsein von Miyazaki zählen. Der Waldgeist ist nicht nur optisch eine unglaublich liebenswürdige Erscheinung, sondern zugleich der fantasievolle Höhepunkt dieses Films, den der Regisseur über die gesamte Laufzeit hinweg mit Bedacht nur in einer Handvoll Szenen heraufbeschwört. Totoros Auftritte, die genauso gut auch nur der kindlichen Vorstellungskraft der beiden Mädchen entsprungen sein könnten, nutzt Miyazaki als bewusst gewählte Fluchtpunkte aus der Realität, die für die Geschwister innerhalb der Handlung durchaus einige Hürden bereithält.

Obwohl Mein Nachbar Totoro dadurch überrascht, dass dem Film ein gewöhnlicher Antagonist fehlt, den es gegen Ende der Geschichte zu überwinden gilt, und auf eine klassische Einteilung in Gut und Böse ebenfalls vollständig verzichtet wird, begeistert der Regisseur im Gegenzug mit einem einfühlsamen Verständnis für familiäre Konflikte, die sich nach und nach aus der Abwesenheit von Mei und Satsukis Mutter entfalten, welche im Krankenhaus liegt. Mit behutsamer Dramatik, die niemals in allzu ernste Gefilde entgleitet, erzählt Miyazaki von kindlichen Verlustängsten, die sich nie logisch erklären lassen, von zärtlichem Verantwortungsbewusstsein der jeweiligen Familienmitglieder untereinander und von überbordendem Optimismus, der durch fantasievolle Überhöhung unterstützt wird, bis er sich zuletzt vor dem Fenster der erkrankten Mutter mit trostspendendem Gelächter zu erkennen geben darf.

Fazit

Eine liebevolle Ode an das einzigartige Lebensgefühl der Kindheit, ein verspielter Appell an die Kraft der Fantasie und eine verständnisvolle Auseinandersetzung mit familiären Problemen innerhalb schwieriger Zeiten. Wie beinahe jedes Werk aus der Produktionsschmiede von Hayao Miyazaki ist auch „Mein Nachbar Totoro“ ein unverzichtbares Werk für Liebhaber besonderer, kreativer sowie einfühlsamer Animationskunst.

Kritik: Patrick Reinbott

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