Inhalt
Peking, der 20. Juni 1900. Der Geheimbund der Boxer ermordet den deutschen Botschafter und fordert den Abzug aller im Land befindlichen Ausländer. Unter der Führung des Botschafters Robertson (David Niven) und des Majors Lewis (Charlton Heston) verschanzen sich einige hundert Europäer im Diplomatenviertel Pekings. In einem nahezu aussichtslosen Verteidigungskrieg versuchen sie der tausendfachen Übermacht der Boxer bis zum Eintreffen der nahenden Befreiungsarmee zu trotzen.
Kritik
Sobald es um historische Geschichten und insbesondere Kriegsfilme geht, dann triefen Hollywoodfilme meistens nur so vor Patriotismus und es ist in der Regel von vornherein klar, wer die Guten in dem Film sind. 55 Tage in Peking ist hier keine Ausnahme, denn der Monumentalfilm von Nicholas Ray (... denn sie wissen nicht was sie tun), der zumindest einen wahren Hintergrund hat, stellt natürlich einen amerikanischen Helden, gespielt von Charlton Heston (Planet der Affen) in den Mittelpunkt, der zusammen mit dem britischen Gesandten Sir Arthur Robertson (David Niven, In 80 Tagen um die Welt) heroisch das Diplomatenviertel von Peking vor den aufrührerischen Chinesen schützt. Dabei zeigt der Film einen ähnlichen Pathos und eine vergleichbare Theatralik, wie etwa John Waynes einige Jahre zuvor erschienener Film Alamo. In beiden Werken müssen sich die zahlenmäßig und waffentechnisch deutlich unterlegenen heldenhaften Kämpfer einer Belagerung erwehren, in der Hoffnung, bald durch heranrückende Verstärkung gerettet zu werden. 55 Tage in Peking basiert auf wahren Ereignissen und es ist deshalb folgerichtig, dass diese Geschehnisse historisch korrekt wiedergegeben werden. Doch erwartet man zumindest aus heutiger Sicht schon eine differenzierte Auseinandersetzung. Dies gelingt 55 Tage in Peking aber nur bedingt.
Doch worum ging es bei der Belagerung des Diplomatenviertels von Peking? Ausgangspunkt war der sog. Boxeraufstand. Dabei erhob sich ein Teil der verarmten und von Hungersnöten und Dürren geplagten chinesischen Landbevölkerung, sowohl gegen die christlichen Missionare, als auch gegen weitere westliche Vertreter im Land und zunächst auch gegen die kaiserliche Herrschaft, die mit dem westlichen Kolonialisten paktierte. Die wegen ihrer traditionellen chinesischen Kampfkunst von den westlichen Truppen Boxer genannten Aufständischen gingen gegen ihre Gegner äußerst brutal vor, bis es am 20. Juni 1900 zum ersten Höhepunkt des Konflikts kam. Mittlerweile hat sich die Kaiserinwitwe Cixi auf die Seite ihrer Landsleute geschlagen und die westlichen Vertreter aufgefordert, das Land zu verlassen. Doch für diese war der Fluchtweg zur Küste bereits versperrt, weshalb sie in Peking ausharren mussten. Nachdem dann der deutsche Gesandte Baron von Ketteler auf offener Straße ermordet wurde, verschanzten sich die übrigen westlichen Vertreter und chinesische Christen im Diplomatenviertel und mussten sich den ständigen Angriffen entgegenstellen, in der Hoffnung auf das Eintreffen der Truppen der vereinigten acht Staaten (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Österreich-Ungarn, Italien, Japan und Russland).
55 Tage in Peking verpasst die Chance, die Geschichte von allen Seiten zu beleuchten und diesen folgenreichen Konflikt historisch korrekt mit allen Facetten zu erzählen. Man nimmt vielmehr eine weitestgehend westlich geprägte Sichtweise ein und sieht den Auslöser des Aufstandes allein in äußeren Umständen. Dabei kommt zwar der Kolonialismus und der damit verbundene Versuch der größeren Einflussnahme und der Ausdehnung der Einflusssphäre andeutungsweise zum Ausdruck, es gibt aber keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik und tatsächlich scheint der Film mehr eine Rechtfertigung dafür zu suchen. Das hätte man bei einem Film mit einer Laufzeit von gut zweieinhalb Stunden aber anders erwarten dürfen. Außerdem legt man gleich zu Beginn des Films Wert darauf klarzustellen, wer hier gut und böse ist, indem man die Boxer als skrupellos und die Chinesen insgesamt als hinterhältig darstellt. Zu allem Überfluss werden in dem Film fast alle chinesischen Figuren mit Text durch westliche Schauspieler dargestellt. Immerhin verzichtet man hier aber auf eine klischeehafte Darstellung, wie etwa bei Frühstück bei Tiffany. Dennoch wirkt es aus heutiger Sicht leicht befremdlich. Chinesen blieben dagegen nur Statistenrollen, wofür man eine große Anzahl benötigte. Da man den Film vollständig in Spanien drehte, führte dies kurioserweise dazu, dass während der Dreharbeiten fast alle chinesischen Restaurants im Land geschlossen blieben, weil das Personal an der Entstehung des Films beteiligt war.
Während der Hintergrund des Films auf historischen Fakten basiert, sind ein Großteil der Handlung und die meisten Figuren rein fiktiv. Das kann man machen, wirkt aber schon komisch, wenn es sich dabei insbesondere um die Vertreter der westlichen Mächte handelt. Vielleicht wollte man sich mehr Freiraum lassen, um abseits des Kampfgeschehens noch historisch nicht belegte romantische Verwicklungen und emotionale Momente zu kreieren. Gelungen ist dies indes nur bedingt. Viel zu gewollt wirkt die Liebesbeziehung zwischen dem amerikanischen Major und der in Ungnade gefallenen russischen Baroness (Ava Gardner, Erdbeben), die eigentlich schon längst abreisen sollte, dann aber plötzlich einen Sinneswandel hat und Krankenschwester wird. Richtig überzeugend wirkt das nicht und davon gibt es noch einige Beispiele. Es ist zwar schön, dass man seinen Figuren mehr Background geben wollte, das sollte dann aber glaubwürdig sein und nicht jeder Film braucht eine Liebesgeschichte. Allenfalls die Familiengeschichte des britischen Gesandten macht wirklich Sinn und zielt nicht darauf ab, nur unnötige Längen zu erzeugen. Laut Charlton Heston wurde das Drehbuch noch während der Dreharbeiten mehrfach geändert und den Wünschen der großen Stars des Films angepasst. Das könnte natürlich erklären, warum hier einiges nicht so wirklich zu passen scheint.
Es ist aber nicht alles schlecht an dem Film, denn die Kernhandlung um die Belagerung und der Kampf gegen die übermächtigen Angreifer ist gut inszeniert. Hier punktet der Film mit aufwendigen und actionreichen Schlachtenszenen und viel Feuerwerk. 55 Tage in Peking schöpft dabei sein Potenzial voll aus. Nicht minder beeindruckend sind die gewaltigen Kulissen, mit denen man Peking in Spanien quasi neu erbaute. Doch selbst in einigen Nebensträngen der Handlung entdeckt man dann doch etwas Tiefgründiges, auch wenn man den guten Ansatz nicht konsequent zu Ende führt und den Handlungsstrang vielmehr dazu nutzt den Heldenstatus von Charlton Heston weiter zu zementieren. Man traut sich zumindest das Thema Beziehungen zwischen westlichen Vertretern und chinesischer Bevölkerung anzusprechen und mehrere Aspekte zu beleuchten. Zum einen, wie eine solche Beziehung bei den eigenen Landsleuten missbilligt wird und zum anderen, mit welchen Problemen Kinder aus diesen Beziehungen zu kämpfen haben, da sie sowohl Angriffsziel der Boxer sind, als auch mit einer schweren Zukunft in den Heimatländern ihrer Eltern rechnen müssen. Im Übrigen konnte 55 Tage in Peking sogar zwei Oscarnominierungen einheimsen für die Filmmusik und den Titelsong, der aber in der deutschen Synchronisation aus unerklärlichen Gründen gleich mit übersetzt und neu arrangiert wurde.
Fazit
Nicholas Ray erzählt mit „55 Tage in Peking“ ein Heldenepos, das klar ein Produkt seiner Zeit in den frühen 60er Jahren ist. Eine Geschichte von heldenhaften Amerikanern (und Briten), die sich gegen aufmüpfige Chinesen zur Wehr setzen müssen. Doch so einfach die Geschichte klingt, ist es natürlich nicht und die mangelnde Aufarbeitung der historischen Ereignisse ist insbesondere aus heutiger Sicht problematisch. Hier hätte man sich gern eine differenziertere Betrachtung gewünscht, stattdessen wird der Film mit unnötigen Nebensträngen aufgebläht. Deutlich entschlackt und mit dem Fokus auf das gut, action- und effektreich inszenierte Kerngeschehen hätte der Film als ordentlicher Kriegsfilm funktionieren können, so geht aber vieles in der überlangen Handlung unter.
Autor: Andy Mieland