Inhalt
Im Internet stößt eine junge Frau auf Animationen, die eindeutig aus ihren privaten Selfies erstellt wurden. Eine Unbekannte mit gleichem Namen bekennt sich zum Identitätsklau. Doch der Tod ist schneller als die Antwort auf die Frage nach dem Warum.
Kritik
Edward Mordrake meets Instagram in Stephen Vuillemins makaberer Miniatur-Adaption der viktorianischen urbanen Legende einer verstörenden medizinischen Anomalie. Der fabrizierte Fall eines beseelten Craniopagus parasiticus fasziniert dank seiner gruseligen Verflechtung physischer Phänomene mit psychopathologischen Faktoren wie bipolarer Persönlichkeitsstörung und mephistophelischer Metaphorik. Das Doppelgänger-Motiv fügt sich nahtlos in das konsumkritische Kuriositätenkabinett des französischen Regisseurs. Der umgibt seine postmoderne Protagonistin (Naomi Christie) mit dekadenten Marken- und Modeartikeln, die nicht nur räumlich Platz einnehmen. Der paranoide Plot, in dem ein verstörendes Duplikat die Dissoziation einer von zunehmend austauschbaren Kunst-Charakteren bevölkerten Social Media Sphäre verkörpert, gipfelt in einer grotesken Vision eines mental und menschlich malformierenden Materialismus.
Fazit
Die eleganten Zeichnungen verknüpft Stephen Vuillemin die filigrane Art Nouveau Stilistik mit der farbintensiven Flächigkeit moderner Mangas und dem morbiden Moralismus klassischer Memento Mori. Letzte erinnern an die Vergänglichkeit des eigenen Körpers als auch die Nichtigkeit sozialer Statussymbole. Jene karikiert das gewitzte Grand Guignol als Requisiten der ständigen Inszenierung eines öffentlichen Ichs, dessen Individualität auf indoktrinierter Imitation basiert. Dieser abnormen Kehrseite des Selbst ins Gesicht zu sehen, verstört nicht nur die Hauptfigur des antikapitalistischen Albtraums.
Autor: Lida Bach