Nachdem die High-School-Komödie in den 1980er Jahren Hochkonjunktur feierte (die beispielsweise komplett unterschiedlichen Ich glaub', ich steh im Wald und Breakfast Club schrieben in dieser Ära unverwüstliche Filmgeschichte), fand sie in den 1990er Jahren ihren Weg mit großem Erfolg zurück auf die Leinwand. Wer sich in diesem Jahrzehnt (und seinen Ausläufen) im besten Teenager-Alter befand, dem werden Filme wie 10 Dinge, die ich an dir hasse, Eine wie keine und Clueless – was sonst! auch heute noch mit nostalgischen Erinnerungen verbundene Begriffe sein. Richtig klingeln ließ allerdings erst American Pie kurz vor der Jahrhundertwende die Kassen: Allein in Deutschland lösten über 6 Millionen Besucher ein Ticket, was dem Film, auch fast 20 Jahre nach seinem Kinostart, einen ansehnlichen Widerhall in der gegenwärtigen Populärkultur eingebracht hat.
Warum American Pie zu deinem derartigen Kult avancieren konnte, liegt auf der Hand, denn im Gegensatz zu seinen thematisch verwandten Vertretern jener Jahre ist die von Paul Weitz und Chris Weitz (Reine Chefsache) inszenierte und von Adam Herz geschriebene Teenie-Klamotte weniger daran interessiert, die verwirrte Lebensrealität der Jugendlichen mit Samthandschuhen zu imaginieren. Die Geschichte um vier Freunde (gespielt von Jason Biggs, Chris Klein, Thomas Ian Nicholas, Eddie Kaye Thomas), die einen Pakt abschließen, bis zum Abschlussball endlich ihre Jungfräulichkeit verloren zu haben, setzt auf derben Vulgärhumor und scheut sich nicht davor, ihre Protagonisten von einem Fettnäpfchen in das nächste stolpern zu lassen. Vor allem Hauptdarsteller Biggs, den man zuletzt in Orange Is the New Black sehen konnte, darf sich als unbeleckter Tollpatsch Jim in Sachen Apfelkuchen- sowie Sportsocken-Zweckentfremdung und vorzeitigen Samenergüssen vor der Webcam die extremste Blöße geben.
Natürlich ist ein derartiges Humorverständnis Geschmackssache; abseits seiner Obszönitäten unterhalb der Gürtellinie allerdings ist American Pie in seiner Essenz eben immer noch fester Bestand jener im High-School-Kosmos angesiedelten Filmströmung, die sich nicht zuletzt mit adoleszenten Ängsten auseinandersetzt. Sicherlich ist die hiesige Typologie der Halbstarken weit davon entfernt, eine ernsthafte Charakter-Vertiefung zu erfahren, jedoch harmoniert der Cast nicht nur durch die Bank weg blendend, er ist auch charismatisch genug, um hinter seinen primitiven Entgleisungen ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie es sein muss, in einem Land zu leben, dessen größtes Geschäft der Sex ist, das jedoch gleichwohl mit der repressivsten Sexualmoral aufwartet. Kein Wunder, dass die vier Jungs endlich ihr erstes Mal haben wollen – letztlich auch aus dem Grund, um sich diesem gesellschaftlichen Zwang zu entledigen.
Es ist darüber hinaus auch nicht von der Hand zu weisen, dass der Fluchtpunkt des Erwachsenwerden eben auch der Verlust der Unschuld ist, nicht zuletzt, weil er die Veränderungen des Körpers auf das Leben selbst transferiert. Vor allem in der amerikanischen Tradition, in der der Abschlussball zwangsläufig die Nacht der Nächte sein MUSS. Auch American Pie thematisiert diese auf jeden Menschen wartenden Umwälzungen des Daseins, natürlich nur in Nuancen mit dem nötigen Ernst. Aber zu sagen, die Weitz' würden sich einzig in Fremdscham-Kaskaden wälzen, der tut dem Film zweifelsohne Unrecht und lässt außer Acht, dass die Figuren rundum Jim, Oz, Kevin und Finch ohne Mühe die Sympathien des Zuschauers gewinnen können – ganz im Gegensatz zu Stifler (Seann William Scott, Goon), der jedoch offenkundig und mit gewaltiger Strahlkraft als prollige Karikatur besetzt wurde.