Dystopien hatten in den letzten Jahren Hochkonjunktur. Gerade in der westlichen Welt waren diese düsteren Welten wohl lange kein reales Schreckensszenario. Aber die letzten Jahre haben gezeigt, dass ein weltveränderndes Ereignis schneller eintreten kann als gedacht und dass sich auch Gesellschaften erschreckend schnell wandeln können. American Riot widmet sich einer solchen Welt in einer nahen Zukunft, in der in den USA eine Gruppe an die Macht kommt, die sich die „Freiwilligen“ nennen. Diese haben nur ein Ziel: die Vorherrschaft der weißen Rasse wiederherzustellen und dabei schrecken sie vor nichts zurück. Die Verfolgten oder Ausgestoßenen werden mit Strichcodes gekennzeichnet, um sie leichter jederzeit aufspüren zu können. Zabi (Nadine Malouf, High Fidelity), eine in den USA geborene und aufgewachsene Muslimin, gehört zu diesen Personen. Zusammen mit ihrem Mann David (Nick Westrate, Mildred Pierce) und dem befreundeten Ehepaar Sarah (Sarah Wharton) und Jarret (Jarret Kerr, True Blood - der zusammen mit Regisseur William Sullivan auch das Drehbuch verfasste) wollen sie nach Kanada fliehen, verstecken sich aber zunächst auf einer Farm in der Nähe der Grenze.
American Riot ist ein überraschend tiefgründiges Drama, das teilweise schon kammerspielartig wirkt. Die kleine Produktion wartet nicht mit einem großen Actionfeuerwerk auf und versucht auch nicht diese dunkle Welt bis ins letzte Detail zu skizzieren. Es stehen vielmehr die Figuren im Vordergrund. Nach und nach zeigen diese ihr wahres Gesicht, nämlich dann als Sarah, die nicht gebrandmarkt ist, auf einer Besorgungstour Arjay (Brandon Perea) rettet und in das Versteck mitbringt. Nicht alle sind davon begeistert und obwohl auch Arjay als Homosexueller zu den Verfolgten zählt, wird er nicht mit offenen Armen empfangen. Ähnlich verhält es sich auch mit Gabe (Michael Raymond-James, The Salvation - Spur der Vergeltung), dem Eigentümer der Farm, der von der Gruppe gefangen gehalten wird, weil er zu den „Freiwilligen“ gehört. Alle misstrauen ihm, bis auf Zabi. Sie erkennt etwas anderes in ihm, hört ihm zu und zeigt Verständnis. Für sie ist nicht alles nur schwarz oder weiß.
American Riot handelt davon, Verständnis für das Handeln anderer aufzubringen und vom Versuch zu begreifen, warum jemand zu dem geworden ist, was er ist. Man muss es nicht mögen und auch nicht tolerieren, aber durch das Zuhören schafft man den Raum für Veränderungen, und zwar durch Worte, statt durch Taten. Es nützt nichts, jemanden abzustempeln und zu hoffen, er werde sich ändern, wenn man gar nicht weiß, was diese Person ändern soll. Manchmal bedarf es Geduld und Mitgefühl, aber auch guter Argumente, die man vielleicht erst dann hat, wenn man sein Gegenüber kennt. Der Film spielt auch mit der Frage, wer eigentlich böse ist. Hier verschwimmen irgendwann die Grenzen. Ist man böse, weil man eine bestimmte Weltansicht oder Einstellung hat oder doch wegen seiner Taten? Ist es gerechtfertigt, bestimmte Dinge zu tun, nur weil man auf der vermeintlich richtigen Seite steht?
Der Film regt zum Nachdenken an, auch wenn sicherlich noch mehr Tiefgang möglich gewesen wäre und manches dann doch eher oberflächlich bleibt. American Riot ist überraschend anders, als man es erwartet hätte. Die dystopische Welt scheint schrecklich zu sein, nicht nur für die „Unerwünschten", aber der Film spart sich den voyeuristischen Blick auf all die Grausamkeiten und lässt nur seine Figuren davon erzählen. Es schadet aber nicht und macht American Riot umso sehenswerter, da man sich allein auf das Menschliche beschränkt, auf die Figuren und ihre Geschichten. Der Spannungsaufbau gelingt, mit einem klassischen Höhepunkt zum Ende, gut, auch dank kleinerer Höhepunkte und nicht unbedingt vorhersehbarer Wendungen. Abgerundet wird alles durch ein absolut stimmiges Setting.