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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Amrum, 1945: Das Ende des Zweiten Weltkrieges steht unmittelbar bevor. Um seine Mutter in den letzten Kriegstagen zu unterstützen, ist sich der zwölfjährige Nanning (Jasper Billerbeck) für nichts zu schade. Er geht Seehunde jagen oder nachts fischen, Hauptsache, am Ende des Tages steht was zum Essen auf dem Tisch. Doch nachdem der Frieden eingekehrt ist, steht die Familie vor völlig neuen Problemen ...

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Im Herzen jedes Kindes deutscher Geschichte lauert der Wortaustausch „Aber ich kann doch nichts für das, was meine Eltern gemacht haben“ „Ja, aber du hast trotzdem damit zu tun.“ In Fatih Akins (Tschick) Verfilmung der Kindheitserinnerungen des norddeutschen Schauspielers und Regisseurs Hark Bohm (im groben bekannt für seine Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder) als Mitglied der Hitlerjugend und Sohn NS-Fanatiker wird Böhms Alter Ego, der junge Nanning (Jasper Billerbeck) von besagtem Dialog im Traum heimgesucht. Er steht sinnbildlich für die Stärken und Schwächen von Akins empathischer Reise zu einer spezifischen Zeit und an einen ebenso spezifischen Ort: die letzten Tage des dritten Reiches im April 1945, verlagert auf die von Wattenmeer umgebene nordische Insel Amrum, am Rand des Krieges, wo nur Frauen, Senioren und Kinder zurückgeblieben sind. Bewusst und treffend ist jener Dialog, weil er von einem erwachsenen Umgang mit der eigenen Geburtssünde zeugt und Akin seinen Protagonisten auf passende Art an diesen heranführt, unsicher und pathetisch gestaltet sich sein Inhalt: Amrum ist auch belehrender, didaktischer Deutschunterricht. 

Die erste Einstellung präsentiert das ländliche Amrum als Panorama in Form eines tosenden Wals, wenig später zeigt Henning seinem besten Freund eine Ausgabe von Melvilles Moby Dick und reimt sich dazu eine eigene Hitler-Allegorie (Hitler als Capt. Ahab, die Pequad als Deutschland). Nanning will verstehen aber ist sich seiner eigenen Rolle im Untergang seines Landes durch entmenschlichenden Totalitarismus vollkommen unbewusst. Das Publikum unterdessen wird sowohl mit Nannings Unschuld wie seiner Komplizenschaft, weniger mit dem NS-Regime selbst als mit dessen weitergegebenen Tugenden, belehrt. Permanent schwänzt er die Schule um Essen für seine hochschwangere Mutter Hille (Laura Tonke, Hedi Schneider steckt fest) und seine, vom Fanatismus zerfressende, Tante Ena (Lisa Hagmeister, Isi und Ossi) zu finden (der Vater befindet sich in Kriegsgefangenschaft). Dazu gehören auch das Stehlen von Gänseeiern, wie auch das Töten von Hasen und sogar einer Robbe. Taten und Ereignisse, deren fatale wie verstörende Konsequenz Nanning immer erst zu spät erkennt. Bis dahin ist sein Leben eine einzige Schnitzeljagd, von Akin mit Anleihen an alte Adventure-Games ganz im Sinne der kindlichen Perspektive inszeniert, in dem Nanning doch nur seiner Mutter ein Weißbrot mit Honig bringen will. 

Besagte Mutter verliert immer mehr die Hoffnung, nachdem auch die örtliche Bauersfrau Tessa (Diane Kruger, Aus dem Nichts) vom Ende des Krieges anfängt zu reden. Während Ena umso mehr an ihrer Überzeugung festhält („Wer vom Ende des Krieges redet, der fällt unseren Soldaten in den Rücken), zieht sich Hille immer mehr in die Resignation („In was für einer Welt sollen unsere Kinder jetzt groß werden?“). Die Welt von Amrum ist für Nanning dennoch kein reingewachsenes Idyll: Drangsalierung durch Mitschüler unter dem Vorwand, er sei als zugezogener Hamburger kein geborener Amrumer, stehen im allzu offensichtlichen Kontrast zum Herrschaftsanspruch seiner Familienideologie. Weder die Gewalt gegen Tiere, noch die Härte dieses Lebens, noch die beißenden Widerspruche einer solchen Kindheit können Akins viel zu sterilen Bilder befriedigend einfangen. Sein Kino möchte Antworten geben, statt Fragen zu stellen. Dennoch gelingt ihm eine empathische Beobachtung dieses Widerspruchs: Als Nanning die Leiche seines ebenfalls fanatischen Onkels nach dessen Selbstmord findet, eilt er sofort, dessen Butter zu stehlen. Wenig später wird er seinem größten Pausenhoffeind das Leben retten. Eine Missachtung wie eine erlernte Wertschätzung des Lebens, wie man sie nur in einem Menschen finden kann. Bei aller Didaktik, Akin bleibt ein großer Humanist.

Fazit

„Amrum“ wird Deutsch-LKs aller Schulen mindestens eine interessante Unterrichtsstunde spendieren. Fatih Akins Aufarbeitung einer NS-Kindheit ist nicht ansatzweise so verklärend und heuchlerisch wie Verwandte dieses Genres und sich der Unmöglichkeit, eine solche Ideologie zu vergeben, bewusst. Sein humanistischer Ansatz ist umso lobenswerter, wenn auch er nie herausfordert oder konfrontiert. Sein Film verbleibt immer aus Sicht einer belehrten Gegenwart.

Kritik: Jakob Jurisch

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