MB-Kritik

Basileia 2024

Elliott Crosset Hove
Angela Fontana

Inhalt

In den schroffen Bergen von Aspromonte, Italien, suchen ein Archäologe und seine Assistenten nach einem antiken Schatz. Doch bei ihren Ausgrabungen werden mysteriöse Fabelwesen freigelassen, die das Leben der Bewohner dieses abgelegenen Dorfes für immer verändern werden.

Kritik

Die nebelverhangene Naturkulisse des Aspromonte Bergmassivs in Calabrien wird zum heimlichen Hauptdarsteller Isabella Torres (C'è chi dice no) symbolschweren Spielfilm-Debüts. Dessen spukhafte Story verknüpft vertraute Elemente aus Geister- und Gaunerfilm zu einem atmosphärischen Amalgam von Folk Horror und Fabel, dessen mythische Motive in gesellschaftskritischer Gegenwärtigkeit widerhallen. Diese verschlüsselte Verbindung von Vergangenheit und Zukunft transportiert eine vergleichsweise schlicht strukturierte Handlung, bevölkert von mehr repräsentativen als realitätsnahen Charakteren. Diesen eklektischen Elementen verleihen die innovative Interpretation und imaginative Inszenierung subtile filmische Faszination. 

Selbige entwächst dem stimmungsvollen Schauplatz der erhabenen Bergregion. In deren dichten Wäldern sucht der tatsächlich aus Schottland stammende Irishman (Elliott Crosset Hove, Electric Child) nach antiken Artefakten im Auftrag eines undurchsichtigen Finanziers, dessen Interessen offenkundig keine archäologischen sind. Die merkantilen Motive des pragmatischen Protagonisten, dessen Suche ein vielversprechender Fund und der wachsende Druck seitens seines Auftraggebers immer fiebriger werden lassen, reifen zur mystischen Metapher für die Respektlosigkeit eines kommerziellen Konglomerats gegenüber einer entfremdete Kultur und Natur. 

Von beider vergessenen Verbindung zeugen ominöse Opferstätten, deren Entweihung gefährlich Kräfte entfesselt. Diese mythologischen Mächte, denen sich die Regisseurin schon in ihrem Kurzfilm Nymphs annäherte, sind weniger bösartige Bedrohung als märchenhafte Manifestationen ungezügelter Urgewalt. Als jene wachen die von Volkssagen und Shakespeare inspirierten Kreaturen über das Gleichgewicht der Zivilisation zu Flora und Fauna, dessen Verlust sie mit magischen Mitteln wiederherstellen. Zugleich schlummert in den weiblichen Wesen eine feministische Verheißung, die sich indes in esoterischen Eskapismus verliert.

Fazit

Mit intuitivem Gespür für die gespenstische Gegend schafft Isabella Torre mit der Langfassung ihres Kurzfilms "Nymphs" eine atmosphärische Allegorie menschlicher Hybris gegenüber einer unergründlichen Umwelt. Jene ist heidnischer Hort ritueller Relikte, entweiht von weißem, wohlhabenden Konsumkult. In Gestalt enigmatischer Elementargeister repräsentiert das Übersinnliche eine feministischen Animismus in Opposition zum christlichen Patriarchat. Versunken in die anderweltliche Aura, bleiben diese feministischen Facetten des schauspielerisch sicheren Szenarios so blass wie die latente Kritik an sozialstrukturelle und finanziellen Hierarchien.

Autor: Lida Bach
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