Inhalt
Auf dem gleichnamigen Roman von Philippe Djian basierendes französisches Drama aus dem Jahr 1986 mit Béatrice Dalle in der Hauptrolle. Die junge Betty trifft auf den zehn Jahre älteren Lebenskünstler Zorg. Trotz großer gegenseitiger Anziehung gestaltet sich ihre Liebesbeziehung schwierig.
Kritik
Liebe, Lebensfreude, Leidenschaft und Leid. Vier Wörter, die „Betty Blue – 37.2 Grad am Morgen“ nicht trefflicher beschreiben könnten. Jean-Jacques Beineix liefert fünf Jahre nach seinem gefeierten Debüt „Diva“ einen damals nicht unumstrittenen Film ab. Nach dem gleichnamigen Roman von Philippe Dijan erzählt der Regisseur die Geschichte einer jungen Liebe, losgelöst von ihrer Umwelt ziehen sie durchs Leben und frönen lasziv und ungehemmt ihren Trieben. Maßgeblich von ihrer gegenseitigen Anziehungskraft beeinflusst treiben sie auf ihrem abgeschotteten Liebesfloß zielstrebig einem Wasserfall entgegen. Der Ausspruch „Blind vor Liebe“ könnte hier treffender nicht sein und so scheinen die vor der Haustür lauernden Probleme zwar für jeden Zuschauer mehr als ersichtlich, den beiden bleiben sie jedoch verborgen. Mit weltlichen Dingen hält sich das Pärchen ohnehin nicht auf, gearbeitet wird sporadisch, gefeiert wird ungehemmt und wild. Es ist der romantisierte Blick auf eine tragisch-komische Liebe, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Zu großen Teilen wird die Geschichte von Zorg (Jean-Hugues Anglade, „Nikita“) aus dem Off erzählt. Zu Beginn hat er gerade die junge Betty (Beatrice Dalle, „Night on Earth“) kennengelernt und schon jetzt besteht ihr gemeinsames Leben zu großen Teilen aus zärtlicher Zweisamkeit, bei deren Darstellung sich der Film auch nie zurückhält. Schnell entpuppt sich Betty als impulsiver und sprunghafter Mensch, was Zorg jedoch nur noch mehr anzieht. Die langsame Geschichte lebt zu großen Teilen von der gelungenen Chemie der beiden Hauptdarsteller, die über weite Strecken gemeinsam agieren und ein Gefühl von leichtlebiger Ungehemmtheit auf den Zuschauer übertragen. Auch wenn inhaltlich nicht sonderlich viel passiert, so schaffen es die beiden Figuren den Betrachter mit ihren ehrlichen Emotionen bei der Stange zu halten. Überhaupt lebt „Betty Blue – 37.2 Grad am Morgen“ nicht von der spärlichen Geschichte, welche erzählt wird, sondern von der völlig eigensinnigen Stimmung, die der Film zu jeder Sekunde ausstrahlt.
Auch in der formalen Gestaltung gelingt es Beineix diese Stimmung einzufangen. Sonnengeflutete Bilder voller lebensbejahender Helligkeit stehen spärlich beleuchteten Wohnungsaufnahmen voll mit angestauten Emotionen gegenüber. Obwohl den Titelfiguren wenig gelingt, scheinen sie ihre Lebensfreude nie zu verlieren. Sie haben sich selbst und das scheint ihnen zu reichen. Bis kurz vor Schluss, denn dann bricht der Film plötzlich und bewegt sich in ein völlig anderes Terrain. Dahin sind die leichtfüßige Art und die eigensinnige Stimmung, die den Film über weite Strecken so sehenswert machten. Schade, denn mit einem anderen Ende hätte der Film durchaus das Potential als richtiger Klassiker zu gelten. So ist er jedoch nur ein sehenswerter Stimmungsfilm.
Fazit
Im 180-minütigen Director‘s Cut ist „Betty Blue – 37.2 Grad am Morgen“ ein herrlich langsam dahinplätschernder Stimmungsfilm, der trotz tragischer Inhalte stets romantisierte Lebensfreude zum Ausdruck bringt und nie seine augenzwinkernde Art verliert. Wirklichkeitsverleugnend steuern die beiden Hauptfiguren unaufhaltsam auf ein Ende zu, dass zwar keinesfalls unerwartet daherkommt, jedoch leider sehr hart mit dem vorherigen Film bricht.
Autor: Dominic Hochholzer