Inhalt
Sowjetunion 1932. Ukrainische Bauern leisten heftigen Widerstand gegen die Kollektivierung ihres Eigentums. Um ihren Willen zu brechen, zwingt Stalin die Ukrainer, immer mehr von ihrer Ernte abzuführen. Die Bevölkerung der „Kornkammer“ Ukraine beginnt zu hungern. Der junge Kosake Yuri (Max Irons) möchte zum Studium der Malerei nach Kiew gehen – sehr zum Leidwesen seines Vaters (Barry Pepper) und Großvaters (Terence Stamp). Während seine Verlobte Natalka zurückbleibt, trifft Yuri in Kiew seine Freunde wieder, die sich der Kommunistischen Partei angeschlossen haben. Yuri kann ihre Begeisterung nicht teilen, denn er sieht, dass die Menschen in den Straßen hungern und sterben. Er entschließt sich in den Untergrund zu gehen und gegen die Bolschewisten zu kämpfen...
Kritik
Angesichts der aktuellen politischen Lage in der Ukraine, lässt sich ein Film wie Holodomor - Bittere Ernte (OT: Bitter Harvest) bereits im Vorfeld herrlich diskutieren – doch was zählt ist schließlich das Ergebnis. Und dieses hatte durchaus gute Voraussetzungen: So konnte der Film des kanadischen Regisseurs George Mendeluk (der in Augsburg geboren wurde und ukrainische Wurzeln besitzt) nicht nur einen guten Cast für sich verbuchen – unter anderem Barry Pepper sowie Terence Stamp – sondern auch mit einem Budget von 20 Millionen US-Dollar durchaus ansprechendes Historienkino erzählen. Der Film selbst bleibt schließlich aber sehr ambivalent. Denn der Vertrauensbonus von Holodomor (was sich im weitesten Sinne als Hungertod übersetzen lässt) bekommt gleich schon zu Beginn einen herben Dämpfer, wenn klar die Sympathien auf eine Seite gelegt werden. Das blasse Gut und Böse Schema setzt sich schließlich fort und wird mit jeder Menge Pathos, Kitsch, Klischees und romantischen Gefühlsduseleien untermalt. Überhaupt ist schon der Anfang bezeichnend, wenn die Bauern als einfache hart arbeitende Menschen glorifiziert werden – mit schillernder Freiheitsvergangenheit als aufrechte Kosaken – während schließlich die schreckliche Fratze des Todes in Form der Sowjetunion über sie hereinfällt. Dazu passend wechselt dann auch der Farbton, was der Manipulation dann die Krone aufsetzt.
Nun, angesichts der realen Geschichte lässt sich natürlich kaum verheimlichen, dass Holodomor historisch gesehen eine Brisanz besitzt. Eine voller Tod, Leid und Herrschaft. Kein Wunder also, dass bis heute die Ukraine und Russland über Holodomor streiten – während bereits 16 Nationen es als Genozid anerkannt haben (darunter die USA). Wiktor Juschtschenko selbst hatte dies noch während seiner Amtszeit forciert und das Europäische Parlament es als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt. Und dennoch: Ereignisse, Opferzahlen, die historische Bewertung sowie Auswirkungen sind bis heute wissenschaftlich durchaus umstritten (was vor allem aufgrund einer schwierigen Aufarbeitung zwischen der Ukraine und Russland selbst liegt). Dass es eine Hungersnot gab, es unzählige Opfer durch Verfolgung, Kollektivierung und Entkulakisierung gab, steht allerdings außer Frage. Gerade daher ist es umso wichtiger, dass sich ein Film solch einer Tragweite nicht auf eine Seite stürzt und massiv manipuliert, sondern eben feinfühlig alle Aspekte beleuchtet. Oder viel mehr noch: Sich nicht auf einfache Botschaft ausruht, sondern seine Charaktere glaubwürdig positioniert und somit den Zuschauer passend die schreckliche Geschichte näher bringt. Denn gerade dies hätten die Opfer verdient. Holodomor setzt viel eher seinen Fokus auf Yuri (etwas überfordert von Max Irons gespielt), welcher schließlich zwar eine Wandlung vollzieht, aber pathetisch und emotional überzogen bleibt. Hinzukommt, dass Holodomor seine Richtung nicht genau kennt und so oft zwischen Kriegsdrama, Liebesromanze und Historischen Drama hin und herwechselt. Der Rest des Films bleibt ebenso Schablonenhaft, selbst wenn der Zuschauer über die Schwächen hinwegsehen kann. Schade, denn Potenzial für eine wichtige Botschaft wäre auf jeden Fall da gewesen.
Und die Inszenierung? Hier kann Holodomor durchaus von seinem doch für solche Verhältnisse großen Budget zerren, allerdings nur an gewissen Stellen. Denn so ausufernd und malerisch manche Momente sind, so bieder, klein und unwirklich wirken andere. Schlimmer noch: An manchen Stellen wirkt die Inszenierung so surreal, dass der Film wie eine beliebige TV-Produktion da steht. Und auch die Darsteller reihen sich in dieses Gefühl ein, wenn hölzern und starr die Dialoge vorgetragen werden. Selbst Terence Stamp kann sich hier wenig aus seinem Drehbuch befreien.
Fazit
Mit „Brüder/Feinde“ hatte Regisseur Elmo Nüganen eindrucksvoll gezeigt, wie eine angemessene filmisch-historische Aufarbeitung funktionieren kann: Über Charaktere, viele Schicksale und kein plumpes Gut/Böse Schema. Im Falle von „Holodomor - Bittere Ernte“ bleibt der Eindruck bestehen, hier soll bewusst manipuliert und die Ereignisse für aktuelle politische Zwecke genutzt werden. Doch selbst wenn nicht: Der Film bleibt an vielen Stellen pathetisch, kitschig, klischeebehaftet und auch die Inszenierung wechselhaft. Aufklärung gerne, aber dann bitte ehrlich.
Autor: Thomas Repenning