Inhalt
Biutiful erzählt die Geschichte von Uxbal. Hingebungsvoller Vater, verzweifelter Liebhaber und Kleinganove im Untergrund. Ein Wanderer zwischen den Welten am Rand von Barcelona, auf der Suche nach Versöhnung mit seiner Frau, seinen Kindern und doch letztendlich mit sich selbst. Darsteller: Javier Bardem, Maricel Alvarez, Hanaa Bouchaib, Guillermo Estrella, Eduard Fernandez Regisseur(e): Alejandro Gonzalez Inarritu
Kritik
Mit seinen drei ersten Filmen, "Amores Perros", "21 Grams" und "Babel", allesamt schwergewichtige Episodenfilme rund um menschliche Abgründe, Tod und Schmerz, hat sich Alejandro González Iñárritu schnell einen Namen inmitten der Filmwelt gemacht. Heute, nach weiteren Volltreffern wie "Birdman" oder "The Revenant", die mit Preisen nur so überschüttet werden und wurden, wissen wir, dass der Mexikaner kreativ und ehrgeizig wie kaum ein anderer ist. Der Mann tobt sich künstlerisch gern aus, jeder Film ist eine neue Spielwiese für ihn. Zwischen "Babel" und "Birdman" erschien mit "Biutiful" zudem noch ein weiterer sehr intensiver und emotional geladener Film, um welchen es an dieser Stelle nun gehen soll.
Iñárritus drei erste Filme waren jeweils so aufgebaut, dass die Geschichte verschachtelt in mehrere Handlungsstränge geteilt wurde, die parallel erzählt wurden und zwischen denen immer wieder gesprungen wurde, erst gegen Ende wurden sie dann mehr oder weniger zusammengeführt und ergaben ein großes Ganzes. Damit war in "Biutiful" erstmals Schluss, denn hier erzählt Iñárritu erstmals eine gradlinige Geschichte, die eine einzige Figur in den Mittelpunkt stellt und dessen alleinigen Blickwinkel aufzeigt. Keine parallelen Handlungsstränge, keine Orts- oder Zeitsprünge mehr. Ist "Biutiful" deswegen weniger "episch" ausgefallen als die anderen drei Filme? Ganz und gar nicht, denn "Biutiful" ist nur so vollgestopft mit Inhalten und weiss durch eine kraftvolle Inszenierung zu begeistern, so dass die Wirkung nicht minder zu begeistern weiss wie zuvor, die Handschrift des Regisseurs ist trotz anderem Stil nach wie vor überall zu erkennen, doch dazu später mehr.
"Biutiful" ist alles andere als leichte Kost, soviel sei vorab schon Mal gesagt. Es bedarf einiges an Durchhaltevermögen, immerhin beträgt die Spieldauer stolze 150 Minuten, die zwar alles andere als langweilig sind, allerdings eine belastende Tortour aufzeigen, die im Laufe immer bedrückender wird. Es sind die letzten Tage im Leben Uxbals (Javier Bardem), doch handelt "Biutiful" nicht vom Tod, sondern reflektiert das Leben und all das, was es lebenswert macht. In diesen letzten Tagen versucht Uxbal noch all die Dinge zu erledigen, die in seinem Leben noch offen sind und um die er sich vor seinem Ableben unbedingt kümmern muss. Das gestaltet sich allerdings alles andere als leicht, denn nicht immer läuft alles so, wie man es sich vorstellt, wodurch haufenweise neuer Probleme entstehen, so viele, dass sie einen zu erdrücken drohen. Uxbal gerät in einen Teufelskreis, sein Leidensweg überträgt sich mehr und mehr auch auf den Zuschauer, der emotional eingebunden wird und von diesem Schwarm Tragödien mitbelastet wird. Nicht nur dass sein Schicksal als solches schon tragisch genug ist, es werden ihm haufenweise Steine in den Weg gelegt.
Passend zu der Stimmung des Films ist die visuelle Aufmachung. "Biutiful" spielt in Barcelona, allerdings sieht man die Stadt hier von einer ganz anderen Seite als man sie von seinem letzten Sommerurlaub oder von Postkarten kennt. Iñárritu wählt dazu nicht die schönen, sauberen Ecken oder Touristenorte, sondern ausschliesslich heruntergekommene Slums. Menschen, die ums Überleben kämpfen, Armut und Kriminalität sind hier an der Tagesordnung. All das wird mit düsteren, blauen Farbfiltern eingefangen und ergibt einen dreckigen, realen und auch erschreckenden Look. Dieses bedrückende, traurige Bild ist damit die perfekte optische Spiegelung zur Grundstimmung des Films.
Doch "Biutiful" erzeugt nicht nur traurige Emotionen, sondern macht seinem Namen, wenn auch absichtlich falsch geschrieben (die Erklärung dazu gibt der Film selbst), alle Ehre. Denn immer wieder gibt es inmitten dieses Schreckensbildes kleine Lichtblicke der Hoffnung und Schönheit. Iñárritu versteht es wie kaum jemand anderer, selbst die kleinsten Nebensächlichkeiten zu etwas ganz Besonderem zu machen. So wird auch schon Mal ein gewöhnlicher Vogelschwarm am Himmel, der über Uxbals Kopf hinweg fliegt, zu etwas Wunderschönem.
Javier Bardem gehört zu den wohl besten Schauspielern unserer Zeit. Wer ihn in absoluter Bestform erleben will, kommt an "Biutiful" nicht vorbei. Das, was er hier allein mit seiner Mimik rüberbringt, all die Emotionen, die Wut, die Trauer oder die Verzweiflung, die auf ihn lasten und an seinem Gesicht abzulesen sind, macht er phänomenal gut. Eine Oscarnominierung bekam er zu Recht für "Biutiful", verdient hätte er den Goldjungen auch mehr als jeder andere. Was er hier abliefert war nicht nur die beste Performance des Jahres, es ist eine Performance wie sie nur selten dargeboten wird. Hut ab vor Bardem.
Ist "Biutiful" nun ein Film für Jederman? Wahrscheinlich nicht, dazu wird er manch einem vielleicht doch zu anstrengend ausfallen und dazu ist er einfach zu fernab des sonstigen Popcorn-Mainstreams. Doch wer sich darauf einlässt und einen ganz besonderen Film sucht, einen Film mit Substanz und nachhaltiger Wirkung, der unter die Haut geht, ist hier genau richtig.
Fazit
Ein emotional aufwühlender Trip in die Hölle mit einem Javier Bardem in absoluter Bestform. Der Film ist traurig, belastend, düster und brutal, ein Schlag in die Magengrube des Zuschauers, der nicht leicht zu verkraften ist aber dennoch ganz gewiss eines ist, nämlich absolut "Biutiful".
Autor: Sebastian Stumbek