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Im November 1959 ist Truman Capote (Philip Seymour Hoffman) dank des Erfolgs von Frühstück bei Tiffany ein gefeierter Schriftsteller und der Liebling des New Yorker Jetset. Beim Lesen der New York Times wird er auf einen Aufsehen erregenden Mordfall aufmerksam: Eine vierköpfige Familie aus Kansas wurde förmlich hingerichtet. Kaltblütig. Spontan beschließt Capote, dass eine Untersuchung des Falls vor Ort sein nächster Artikel für den New Yorker werden soll. Begleitet von seiner Freundin und Muse, der Schriftstellerin Harper Lee (Catherine Keener), reist Capote ins amerikanische Hinterland, wo man dem flamboyanten Großstädter mit großer Skepsis begegnet.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Truman Capote war Zeit seines Lebens ein Mysterium. Ein hochtalentierter Schriftsteller, der schon in jungen Jahren große Erfolge feierte und in seinen Dreißigern bereits zur Elite der New Yorker High Society zählte. Mittelpunkt jeder feinen Cocktailparty und ein literarisches Genie, das jedoch für niemanden richtig greifbar blieb. Höchstens für die wenigen Menschen, die sein wahres Ich kennenlernen durften. Wie seine Jugendfreundin, Muse und Kollegin Harper Lee (Wer die Nachtigall stört) oder sein langjähriger Lebensgefährte Jack Dunphy, deren Liaison trotz Capote’s eindeutiger Homosexualität aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten nie an die große Glocke gehängt wurde. Der Roman Frühstück bei Tiffany galt lange als seine größte Errungenschaft, bis er im Herbst 1959 über einen Artikel der „New York Times“ stolperte. In dem Kaff Holcomb, mitten im tiefsten Kansas, wurde eine Farmerfamilie auf unvorstellbar grausame Weise regelrecht abgeschlachtet, für eine lächerliche Beute von lediglich 50 $. Capote begann mit der Recherche und als mit Perry Edward Smith & Richard „Dick“ Hickock die mutmaßlichen Täter inhaftiert wurden, entwickelte sich eine intensive Beziehung speziell zu Perry, die in dem revolutionären Tatsachen-Roman In Cold Blood (Kaltblütig) mündete, der als Grundstein des New Journalism gilt.

Mit Capote gelangen Regisseur Bennett Miller (Foxcatcher) und dem vorher lediglich als (Neben)Darsteller bekannten Dan Futterman (The Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel) ein Doppel-Debüt wie aus dem Bilderbuch. Ihre Adaption des 1988 – nach 13 Jahren Recherche (!) – erschienen Buches Capote: A Biography von Gerald Clarke wurde in gerade mal 36 Drehtagen fertig gestellt und mauserte sich trotz eines sehr limitierten Kinostarts schnell zum absoluten Kritikerliebling, der bei allen wichtigen Preisverleihungen des Jahres an forderster Front anzutreffen war. Ein Glücksgriff war dabei natürlich die Verpflichtung von Philip Seymour Hoffman (The Master), der u.a. den (hochverdienten!) Oscar als Bester Hauptdarsteller gewann. Doch die Personalie Hoffman ist eigentlich nur die Kür für einen insgesamt großartigen Film, was Capote deutlich von den meisten Biopics abhebt. Das diese in der Regel über eine herausstechende Performance ihrer Hauptfigur verfügen liegt beinah in der Natur der Sache. Wenn nicht, müsste man sich schon Fragen stellen. Oftmals ruhen sie sich jedoch ein wenig bis ziemlich stark darauf aus. Nicht so dieser in allen belangen beeindruckender Debütfilm, der schon mal zwei große Kardinalsfehler nicht begeht.

Zum einen fühlen sich viele Biopics offenbar genötigt, ein ganzes Leben im Zeitraffer darstellen zu müssen und hetzen somit von A über K bis T zum Z, nur damit man am Ende bloß nichts Essentielles ausgelassen hat. Gerade das geht dabei aber oft verloren. Zum anderen verkommen die Nebenfiguren meist nur zu Stichwortgebern, denen es selbst an echter Charakterisierung fehlt. Dies ist hier ausdrücklich nicht so. Trotz der phänomenalen, nuancierten Performance von Philip Seymour Hoffman ist es keine One Man Show, sondern ein - vielleicht versteckter - Ensemble Film. Sowohl die Leistungen von Catherine Keener (Being John Malkovich) als Harper Lee, Chris Cooper (Adaption) als Sheriff Dewey, Bruce Greenwood (Thirteen Days) als Jack Dunphy oder Clifton Collins Jr. (Triple 9) als Perry Smith bilden erst das Fundament und ermöglichen Hoffman wirklich mit ihnen glaubhaft zu interagieren, als einfach nur eine Person in ihren auffälligen Manierismen schlicht zum imitieren, was bei einer rein deshalb schon exzentrisch auftretenden Persönlichkeit wie Truman Capote schnell zur Stolperfalle werden kann.

„It is if Perry and I grew up in the same house and one day he stud up and went out the backdoor, while I went out the front“

Capote fokussiert sich bewusst ausschließlich auf die Entstehungsgeschichte von In Cold Blood und ihm gelingt es trotzdem, seinen Protagonisten in seiner komplexen Gesamtheit ungemein aufschlussreich zu durchleuchten. Ihn in seiner schier nicht dechiffrierbaren Ambivalenz als armen Teufel zu entlarven, der Zeit seines Lebens nie vollends ehrlich zu sich selbst sein konnte. Ein Manipulator, der aus reinem Selbstschutz schon als Heranwachsender lernen musste, sich zu verstellen und wie ein Chamäleon der jeweiligen Umgebung anzupassen, um bloß nicht zu viel von sich selbst und somit verletzlicher Angriffsfläche preiszugeben. Alles das spiegelt der Plot von Capote unmissverständlich und einfühlsam wider, ohne mit dem Erklärbär-Hammer quer durch die Psychologie-Waschküche zu wüten. Truman scheint sich selbst nie sicher zu sein, ob er sein alternatives Alter Ego Perry bewusst ausbeutet oder ihn doch retten möchte. Der Öffentlichkeit die andere Seite hinter einem dramatisch unverstandenen Menschen präsentieren möchte, oder doch nur ganz kaltblütig auf dessen Rücken seinen größten Erfolg errichtet. Zwei von wahrscheinlich einem halben Dutzend Gesichtern des Truman Capote, die im ewigen Kampf miteinander ihn schlussendlich in die destruktive Abwärtsspirale trieben. Auch dies muss der Film nicht zeigen: Es ist der logische Konsens aus all dem Vorgetragenen. Heruntergebrochen auf das in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht wichtigste, aber bestimmt nicht alleinig ausschlaggebende Kapitel in dem Leben eines Menschen, der sich mit einem Film unmöglich begreifbar machen lässt. So wie es Capote angeht, ist es dafür erstaunlich clever, abgeklärt und bis ins Detail nahezu perfekt.

Fazit

Trotz einer gesunden Distanz äußerst sensibel, berührend und in seiner nüchtern-sachlichen Vorgehensweise verblüffend spannend; beinah schon wie ein Thriller. Mit „Capote“ gelingt Bennett Miller & Dan Futterman ein beindruckendes Biopic, von dem sich viele der meist zu steifen und einfallslosen Genre-Kollegen eine dicke Scheibe abschneiden sollten. Darüber hinaus überragend gespielt. Ausdrücklich nicht nur – aber natürlich vor allem – von Philip Seymour Hoffman.

Kritik: Jacko Kunze

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