Inhalt
Inzwischen ist die US-Bürgerin Patricia zwar mit dem Briten Alan liiert, bei ihrer Rückkehr auf die Insel strebt sie jedoch einen eher ungewöhnlich anmutenden Besuch an: sie möchte Mrs. Trefoile, die Mutter ihres bei einem Autounfall verunglückten Ex-Verlobten Steven kennenlernen. Diese empfängt sie zwar mit offenen Armen, aber schon bald bemerkt Patricia, das in diesem übertrieben frommen Haushalt so einiges schief läuft…
Kritik
Bekannt und erfolgreich wurden die britischen Hammer-Studios in erster Linie durch ihre modernen Interpretationen klassischer Horror-Motive wie z.B. bei Frankensteins Fluch, Dracula oder Die Rache der Pharaonen, aber schon Anfang der 60er Jahre begann man sporadisch damit, seine Themenkomplexe – neben den schon immer nebenbei betriebenen Science-Fiction- und Abenteuerfilmen – auch auf den Psychothriller zu erweitern. Dies führte zu einigen der qualitativ besten Beiträge des Studios, kommerziell waren diese Filme aber oft weniger erfolgreich und so wurde dieses Vorhaben leider schon wenige Jahre später mehr oder weniger eingestellt. 1972, bereits tief in der Krise, versuchte an sich mit Ehe der Morgen graut nochmal daran, scheiterte damit aber brachial. Zwischen 1960 und 1965 entstanden dafür sehr sehenswerte Werke wie Schatten einer Katze, Ein Toter spielt Klavier, Der Satan mit den langen Wimpern und mit War es wirklich Mord? (The Nanny) eine der besten Hammer-Filme überhaupt. Der mit dem sehr unpassenden deutschen Titel ausgestattete Das düstere Haus (Fanatic) entstand 1964 exakt in dieser äußerst fruchtbaren und experimentierfreudigen Schaffensperiode und markiert ein weiteres, gerne verkanntes Highlight des hauseigenen Katalogs. Womöglich weil der Film seiner Zeit ein gutes Stück voraus war, nicht unbedingt den kommerziellen Zeitgeist traf und auch aus heutiger Sicht sichtlich gedrosselt wirkt, um überhaupt eine Chance bei der damals drastischen, britischen Zensur zu erhalten.
Patricia (Stefanie Powers, Hart aber herzlich) ist inzwischen mit Alan (Maurice Kaufmann, Ein Schuss im Dunkeln) verlobt, möchte aber trotzdem ihre Beinah-Schwiegermutter kennenlernen. Ihr erster Verlobter Steven starb bei einem Autounfall und da sie mal wieder im Lande ist, will sie die Chance ergreifen, dessen Mutter Mrs. Trefoile (einen Vornamen bekommt sie tatsächlich nicht spendiert: Tallulah Bankhead, Das Rettungsboot) zu treffen. Was schon in der Theorie mehr unvorteilhaft als sinnvoll klingt, erweist sich schnell als fataler Fehler, denn die ehemalige Filmdarstellerin präsentiert sich als christlich-religiöse Hardlinerin mit wenig diskutablen Wertevorstellungen. Dass sie rein vegan lebt, ist aus heutiger Sicht wenig ungewöhnlich (damals aber offensichtlich schon spleenig und bedrohlich genug, ganz interessanter Zeitaspekt), dafür umso mehr, dass Spiegel in dem Haus strikt verboten sind, sind sie doch „Werkzeuge der Eitelkeit & Sinnlichkeit“, die Farbe Rot als diabolisch-verführerisch gebrandmarkt ist und statt einem knackigen Tischgebet vor den Mahlzeiten absurd-ausgiebige „Messen“ praktiziert werden, bei dem auch das unterwürfige Personal (u.a. Donald Sutherland, Wenn die Gondeln Trauer tragen, als degenerierter Knecht) auf die Knie gezwungen wird. Irgendwann ist es mit der guten Mine zum bösen Spiel logischerweise vorbei und als Patricia ihrer durch Verlust und Trauer scheinbar heftig aus der Bahn geschlitterten Gastgeberin die längst überfällige Meinung geigt, fällt diese prompt aus allen himmlischen Wolken und offenbart die hässliche Fratze von religiösem Fanatismus, bei der Kompromissbereitschaft eher selten großgeschrieben wird.
Das düstere Haus erscheint teilweise bald wie eine Genre-Parodie, wobei dies vermutlich wohl einem notwendigem „Übel“ geschuldet werden musste. Viel zu kontrovers wäre der Plot um religiösen Fanatismus, perfiden Psycho-Terror und sexueller Unterdrückung in einem immer noch sehr spießigen Großbritannien Mitte der 60er wahrgenommen worden, obwohl sich die Gesellschaft bereits in eine deutlich liberalere Richtung orientierte. Aber offiziell war das immer noch schwierig. Regisseur Silvio Narizzano (Blutrausch – Dreckige Wölfe) erweist sich diesbezüglich als Glücksfall, denn ihm offenkundig sehr bewusst, auf welch schwierigem Terrain er sich hier bewegt. Das Geschehen wirkt anfangs absurd überzeichnet und mit einer satirischen Groteske angereichert, verwandelt sich aber im Verlauf in einen immer bösartigeren Thriller, der durch seinen dezenten Humor ein an sich gruseliges Szenario nur geschickt abfedert. Einige Jahre später gelang es Narizzano mit Die größten Gauner weit und breit (Loot) erneut, eine recht banale Geschichte durch seine inszenatorische Finesse entscheidend aufzuwerten und genau dieses Talent kommt ihm – und dem Film – zugute. Das sieht zum Teil fantastisch aus, wirkt jederzeit bizarr-bedrohlich und erzählt zwischen den manchmal humoristischen Momenten eigentlich eine sehr verstörende Geschichte, die auch heute noch hervorragend funktionieren würde. Im Prinzip ist das der konsequentere Heretic.
Fazit
Wenn die Hammer-Studios mal Experimente gewagt haben, waren sie meistens viel besser als ihr leider überschaubarer Erfolg. „Das düstere Haus“ reiht sich nahtlos ein in die Reihe ihrer sehr gelungenen Psycho-Thriller, über die kaum gesprochen wurde. Vermutlich auch, da sie ihrer Zeit voraus waren und danach einfach nicht mehr wiederentdeckt wurden. Eine Schande.
Autor: Jacko Kunze