Inhalt
Eine Mordserie an jungen Frauen erschüttert Rom. Der Täter hinterlässt als Markenzeichen einen silbernen Halbmond-Anhänger in den Händen der Opfer, der Zusammenhang zwischen ihnen bleibt ein Rätsel. Bis der Anschlag auf Giulia fehlschlägt, sie aber aus ermittlungs-taktischen Gründen als tot erklärt wird. Die Polizei tappt trotzdem weiterhin im Dunkeln, aber ihr Verlobter Mario forscht auf eigene Faust nach und stößt auf einen blutrünstigen Akt der Vergeltung…
Kritik
Das Ende des insgesamt 38 Filme umfassenden Edgar Wallace-Zyklus – der mit Abstand größten Genre-Enzyklopädie der deutschen Filmgeschichte – hatte rein gar nichts mehr mit seinem ursprünglichen Wesen zu tun und schlug eigentlich die sinnvolle Brücke hin zum internationalen Markt, aber vermochte an der Stelle nicht mehr das Franchise am Leben zu erhalten. Durchaus verständlich, viel zu sehr entfernte man sich von der Basis, die aber auch längst überholt war. Produzenten-Mogul Horst Wendlandt, Mastermind hinter der (fast) gesamten Wallace-Reihe und Kopf von RIALTO FILM, sah die Felle seiner einst wahnsinnig erfolgreichen wie kommerziell lukrativen B-Fließband-Krimis davon schwimmen. Alle mehr oder weniger lose basierend auf Vorlagen von Edgar Wallace. Mal recht werkgetreu, später kaum noch damit zu assoziieren, da wurden sich eher nur Motive und Ideen ausgeliehen. Anfang der 70er war der Drops praktisch gelutscht, und speziell die beiden Endstücke fielen komplett aus dem Rahmen. Jedoch äußerst positiv, nur entsprach es eben nicht mehr der (deutschen) Erwartungshaltung.
Wie schon beim unmittelbar vorher realisierten Das Geheimnis der grünen Stecknadel war die Plakette Edgar Wallace eigentlich nur noch eine dreiste Mogelpackung. Ausschließlich für den deutschsprachigen Markt verwendet und massiv umgeschnitten, um wenigstens die Illusion beizubehalten. Was natürlich gar nicht funktionieren konnte, schließlich hatte Wendlandt nahezu jede kreative Kontrolle und Rechte bereits verschachert, tauchte in der internationalen Fassung im Vorspann zwar noch auf, mit allem anderen hatte er aber nur noch geringfügig zu tun. Die Besetzung von Uschi Glas (Fack ju Göhte) erscheint nicht mehr wie ein Zugeständnis an das heimische Publikum, wobei dies sogar einen enormen Vorteil darstellt. Als nicht nur bildhübsches, sondern besonders ausdrucksstarkes Final-Girl stielt sie dem steifen B-Hauptdarsteller Antonio Sabàto (Thunder – Eine Legende ist geboren!) locker die Show, obgleich sie nur etwa ein Drittel dessen Screentime hat und ihrem leicht biederen Schätzchen-Image durch ungewöhnliche Zugeknöpftheit (im Giallo) dahingehend gerecht wird. Es sollteauch ihr einziger Ausflug in die Welt der Gialli werden.
Schwarze Handschuhe, scharfe Klingen und freizügig-präsentierte, nackte Haut: Der Giallo in seiner Blütezeit und da möchte der Genre-Tausendsassa Umberto Lenzi (Die Gewalt bin ich) natürlich sein Stück vom Kuchen ab haben. In seinem zweiten Sub-Genre-Beitrag nach dem ebenfalls gelungenen, aber eher noch am klassischen Suspense-Thriller orientierten Paranoia präsentiert er sich dieser zeitgemäßen Reifeprüfung als absolut würdig. Der Auftakt ist beinah spektakulär, lässt Lenzi doch kaum Zeit zum Durchatmen und präsentiert eine Mordszene nach der anderen. Die allesamt nicht richtig erschütternd oder ausufernd drastisch, aber zielsicher, abwechslungsreich und temperamentvoll ausfallen. Das ist immer markant, hat Wiedererkennungswert. Und gerade das ist in dem damals inflationären Giallo-Eintopf nicht zu verachten. Mit einem Mordstempo prescht der Film nach vorne und kreiert ein interessantes Thriller-Konstrukt, das im Mittelpart jedoch eine unfreiwillige Verschnaufpause hinlegt. Sobald die investigativen Ermittlungen von One-Face Sabàto alles andere etwas zu deutlich in den Hintergrund manövrieren, verliert der Film keinesfalls seinen Reiz. Dafür ist der Plot sogar erstaunlich spannend gehalten. Problematisch ist der partielle Verzicht auf vorher massiv ins Schaufenster gestellte Vorzüge.
Wenn Das Rätsel des silbernen Halbmonds seine fachlichen Qualitäten relativ frei ausspielen darf, ist das mitunter fast hervorragend. Der solide Handwerker Umberto Lenzi kratzt da durchaus an der Haustür von Argento, Bava,Fulci und Co., beherrscht nur weder diese Ausgewogenheit und besitzt nicht deren individuelle Genialität. Dafür wird ein grundsätzlich konstantes Interesse an der typisch bis zum bitteren Ende geheim gehaltenen (und ebenso typisch recht trashigen) Pointe beibehalten, was den Film narrativ deutlich über dem gerne nur über inszenatorischen Reizpunkten definierten Sub-Genre abhebt. Wie auch der von Riz Ortolani ambivalent komponierte Score. Der einen Hauch von Easy-Listening-Fahrstuhlmusik vermittelt, in Wahrheit ab einen nicht geringen Anteil zum subversiven Suspense-Faktor beiträgt. Das bohrt sich durchaus ins Ohr. Sehr stimmungsvoll.
Fazit
Hier spricht nicht Edgar Wallace und kaum noch Horst Wendlandt: „Das Rätsel des silbernen Halbmonds“ ist ein Giallo, wie er im Buch steht. Wer auf typisches Edgar Wallace-Fastfood eingestellt ist, guckt nicht nur bei der wesentlich besseren, internationalen Fassung verblüfft in die Röhre. Selbst die deutsche Kinofassung konnte nicht so krass abgewandelt werden, als das dies nicht offensichtlich wäre. Der notdürftig eingefügte Wallace-Opener und diverse Kürzungen können niemals darüber hinwegblenden, dass die Serie mausetot war. Aber so zu sterben, quasi für den Moment sogar reinkarniert zu werden, ist kein Trauermarsch. Im Gegenteil, eigentlich ist das ein sehr lebendiger & individueller Wallace-Film - wenn man ihn denn als solchen bezeichnen könnte. Wenigstens als sehr brauchbarer, klassischer Giallo absolut gelungen. Welcher sich übrigens hervorragend als Einstiegswerk in die Materie eignet, erfüllt er doch viel typischen Merkmale und ist nicht so „speziell“ als das er Neulinge irritieren sollte.