Inhalt
Der in Rom lebende US-Autor Sam Dalmas wird Zeuge eines schrecklichen Verbrechens: Im grellen Neonlicht einer Kunstgalerie tötet eine mysteriöse Gestalt die Besitzerin Monica Ranieri vor seinen Augen. Als Dalmas dem Opfer helfen will, tappt er selbst in eine Falle.
Kritik
Für einen Debütfilm ist „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ nicht nur erstaunlich gelungen, nicht nur in einem gewissen Maße stilbildend, er zeigt besonders, wohin die Reise von Dario Argento („Tenebre“) noch gehen sollte, bevor er in den Zug nach Alzheim-Hauptbahnhof gestolpert ist und bis heute auf den Typen wartet, der ihm zurück auf den Bahnsteig hilft.
In seinem ersten Spielfilm und Giallo - gleichzeitig der Auftakt zu der inoffiziellen Tier-Trilogie – hantiert er mit diversen technischen wie thematischen Schwerpunkten, die er in seiner weiteren Karriere entscheidend ausbauen sollte. Inhaltlich und narrativ wie auch der Nachfolgefilm „Die neunschwänzige Katze“(1971) halbwegs plausibel, bald konservativ vorgetragen, was sich schon bei „Vier Fliegen auf grauem Samt“ (ebenfalls 1971) stark ändern sollte. Somit ist dies nicht nur aufgrund der Chronologie ein Idealer Einstieg in das Schaffen von Dario Argento, um sich langsam mit dessen im Verlauf der Jahren immer abstruser und surrealer werdenden Geschichten vertraut zu machen, bei denen Logik, Figurenzeichnung und schlüssige Motive nur noch einen geringen bis gar keinen Stellenwert einnahmen, trotzdem bis zu einem gewissen Punkt zuweilen ein meisterhaftes, einzigartiges Niveau in ihrer soghaften, verschluckenden Atmosphäre und ausdrucksstarken Präsentation erlangten. Diesen morbiden, bizarren Strudel aus in Bild und Ton transformierten Visionen, Albträumen, Todesphantasien und Urängsten erreicht „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ in dieser Form nicht durchgängig, der Grundstein dafür wird allerdings schon gelegt. Die Mordsequenzen, wenn auch noch nicht derart ausführlich und ergötzend zelebriert, fallen bereits durch ihr extravagantes, künstlerisch berauschendes Arrangement auf, bei dem sich Argento schon sehr nah an dem bewegt, was spätestens mit „Profondo Rosso – Die Farbe des Todes“ (1975) auf dem höchsten Level angelangt war und bis zu „Terror in der Oper“ (1987) erhalten blieb, dort vielleicht am ausgiebigsten auf die Spitze getrieben wurde: Der obsessiven Faszination am ästhetischen Akt des Todes.
Schon die Eröffnungssequenz huldigt dem Giallo und seinen Symbolen, die später unweigerlich mit Argento in Assoziation gebracht wurden, obwohl sie natürlich ein Mario Bava mit seinem wegbegründenden Film „Blutige Seide“ (1964) einst etablierte: Die schwarzen Handschuhe des unbekannten Killers, seine Sammlung phallischer Klingen in allerlei Formen, gebettet auf blutrotem Samt. Von diesen in der Geschichte der Gialli stetig wiederverwendeten Merkmalen besticht insbesondere der Einsatz der Farbe Rot, was sich wie der berühmte Faden durch Argentos filmische Vita zieht. Die Farbe des Blutes, die Farbe des Todes, nicht nur dadurch wird deutlich, wie sehr „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ in seinen Ansätzen wie eine Blaupause zu der Hochphase des Dario Argento wirkt: Speziell „Profondo Rosso – Die Farbe des Todes“ muss erneut als Weiterentwicklung seines Debüts genannt werden. Dort wurde zwar noch eine im Kern klassische Krimi-Whodunnit-Story erzählt (wie hier), jedoch von den Zwängen einer herkömmlichen, massenkompatiblen Erzählstruktur befreit, deutlicher auf das Erleben denn das logische Verständnis angelegt. Die Inszenierung ist hier noch nicht so abenteuerlich, experimentell, wahnwitzig und dennoch reif, das grundsätzliche Thema ist identisch: Die Diskrepanz zwischen Realität und Erinnerung, die verschwommene Wahrnehmung, die kleinen Details die dich verfolgen, da du Waldo trotz des roten Ringelpullis vor deinem inneren Auge nicht mehr findest, obwohl du weißt, das er da ist.
Aus dem im Nebel der Verstandes geblendeten geistigen Auge schafft Dario Argento einen durchwegs spannenden und mit den Mordszenen als herausstechende Spitzen einnehmenden Giallo, der trotz der diversen, früheren Kollegen als ein kleiner Meilenstein des Subgenres bezeichnet werden kann, nicht nur wegen dem Startschuss der Regiekarriere des Mannes, der bis in die späten 80er dem Giallo und dem europäischen Horrorfilm allgemein ein legendäres Gesicht gab, das seitdem Stück für Stück zerbröselt und heute nur noch der wandelnde, senile Tränensack ist, der wohl selbst nicht mehr weiß, warum seine Filme in den letzten Jahren nur noch kopfschüttelnd und irritiert belächelt werden (belächelt im besten Fall). Sein Frühwerk ist um Längen besser als alles, was nach „Terror in der Oper“ entstand, bildet das Fundament für spätere Meisterwerke und ist dafür bereits erstaunlich abgeklärt und partiell visionär in Szene gesetzt. Sogar lange nicht so wirr wie später, was in seiner Glanzphase jedoch keinesfalls störte, eher in das Korsett seiner abstrakten Konstruktionen passte. Erwähnenswert natürlich noch der Score von Meister Ennio Morricone („Spiel mir das Lied vom Tod“), der sich zwar nicht wie später „Goblin“ (u.a. „Suspiria“) perfekt in den Rahmen von Argentos verstörenden Inszenierung einfügt, sich im Verlauf dennoch prima als unterstützende Kraft beweist. Zunächst bald unauffällig, nie aufdringlich und plötzlich doch eindringlich, der schleicht sich geschickt von hinten an. Kritik sollte und muss auch erlaubt sein: Einige Figuren erscheinen zu albern angelegt, wirken noch wie eine Unsicherheit des Regisseurs, ob eine gewisse Form von Humor nicht angebracht wäre. Der tuckige Ladeninhaber, der schielend-stotternde, fast Tourette-Zuhälter "Servus", und der Zwiebel- und Katzenfressende Zauselkopf Mario Adorf („Die Herren mit der weißen Weste“, dessen Szenen allerdings tatsächlich ganz witzig sind), alle extrem überzeichnet und für den Kontext des Film unpassend, der am Ende auch Anleihen eines Home-Invasion-Horror beinhaltet („Dieses Haus wirst du sowieso nicht lebend verlassen!“).
Fazit
Der Auftakt einer lange sagenhaften Laufbahn, die danach steil bergab ging. Wer Dario Argento erst durch seine Filme der letzten 25 Jahre kennengelernt hat, sollte – ach was, muss – dringend dessen Vergangenheit nachholen. „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ ist dafür der ideale Start: Auch für herkömmliche Sehgewohnheiten geeignet und in seinen Elemente auf dem Weg zu seinen Highlight. Und für einen Erstlingsfilm immer noch einer der besten Gialli, das soll was heißen.
Autor: Jacko Kunze