"Wenn man eine Rose kreiert, wählt man die besten Elternrosen anhand bestimmter Merkmale wie Farbe, Duft, Blütenform oder Widerstandsfähigkeit aus. Ziel ist es, eine Rose zu erschaffen, mit der sich ein Preis bei einem Wettbewerb gewinnen lässt. Alle Rosen, die dem nicht genügen, werden aussortiert...“ - Regisseur Pierre Pinaud
Auch wenn Der Rosengarten von Madame Vernet im ersten Augenblick so lehrreich wie ein Rosenzüchter-YouTube-Tutorial für die ältere Generation wirkt, steckt tatsächlich mehr dahinter als nur wunderschöne Rosenbilder, die man förmlich riechen kann. Es geht darum, dass in der heutigen Gesellschaft diejenigen, die den Anforderungen der Allgemeinheit nicht genügen, gnadenlos aussortiert werden, so wie Fred (Melan Omerta), der bei Madame Vernet seine Sozialstunden ableisten muss und zuvor von der Gesellschaft abgeschrieben wurde. Es war übrigens Omertas allererste Rolle und laut Regisseur Pierre Pinaud (Sag, dass Du mich liebst) war er quasi eine Knospe, die erblüht ist.
Offenbar hat der Regisseur eine Vorliebe für Metaphern und Symbolik, denn wenn er etwas sagt, dann sagt er es durch die „Blume“. Besonders die Frage der familiären Auslese hat es ihm angetan und die Thematik der familiären Verhältnisse samt der Weitergabe seiner besten Eigenschaften an die nächste Generation. Für Madame Vernet (Catherine Frot, Die Köchin und der Präsident) ist ihr Garten nicht nur ein Segen, sondern auch eine schwere Bürde, die sie tragen muss, um das Vermächtnis ihres Vaters weiterzuführen. So weit, so gut, die Symbolik stimmt schon mal und das Vorhandensein der tieferen Ebene ist zu offensichtlich, als dass man es nicht bemerken würde. Aber ist das Ganze auch gut umgesetzt? In gewisser Weise ja, denn optisch fällt der Film mit seiner äußeren Schönheit auf, mit Rosenreihen, die bis zum Horizont reichen, mit Gewächshäusern aus antik anmutenden Glaswänden im englischen Stil, die wunderschöne Rosenzüchtungen beherbergen. Jetzt kommt allerdings ein „aber“, denn bei aller Schönheit darf man nicht vergessen, dass ein Film mehr als ansprechende Bilder braucht. Teilweise wirkt Der Rosengarten von Madame Vernet zu lehrbuchhaft und lässt an der einen oder anderen Stelle Witze vermissen, obwohl ein „pädagogischer Ausflug zum Klauen“ an sich schon sehr witzig ist. Trotzdem ist es einer von den Filmen, die mit viel Charme und leiser Komik auskommen müssen.
Die Stärke des Films liegt definitiv nicht in der Geschichte, sondern in der prachtvollen Inszenierung der malerischen Natur. „Was wäre ein Leben ohne Schönheit?“ Und was wäre das Leben ohne Filme, die angenehm anzusehen sind? Das Interessante ist, dass die Hauptdarstellerin selbst keinen grünen Daumen hat, aber sich dennoch gerne in der Natur aufhält und es genießt. Das kam im Film gut zum Vorschein, sogar so gut, dass man im wahren Leben eine Rose nach Catherine Frot benannte. Es handelt sich dabei um eine weiße Rose mit einem mandarinenfarbenden Herz. Insgesamt ist der Film mit einer starken Botschaft versehen: Man sät die Pflanzen aus, man kümmert sich um sie und hofft, dass das Beste rauskommt. Nichts anders ist es bei den Kindern: Man gibt ihnen alles mit und wartet gespannt, was sie aus diesen Anlagen machen. Doch auch wenn sie noch nicht das Beste daraus machen, gibt es keinen Grund sie sofort aufzugeben, weil jeder eine zweite Chance im Leben verdient hat.