Inhalt
Auf einem Dachboden wird die erhängte Leiche eines fünfzehnjährigen Mädchens gefunden. Was zunächst nach Selbstmord aussieht enttarnt sich schon nach kurzer Ermittlungszeit als ein vertuschtes Gewaltverbrechen. Die Spur führte Inspektor Silvestri und Staatsanwältin Stori in das Kinderschänder-Milieu. Dort hat man etwas gegen Zeugen und lästige Spürhunde, was einen mit einem Beil bewaffneten Motorrad-Killer auf den Plan ruft…
Kritik
Neben dem Spaghetti-Western wurde das italienische Genre-Kino der 70er besonders durch drei weitere Sparten geprägt: Dem Poliziottesco, dem Giallo und dem gesellschafts- wie politisch-kritischen Thriller. Mit Der Tod trägt schwarzes Leder kreiert Regisseur Massimo Dallamano (Das Geheimnis der grünen Stecknadel) eine Art Hybrid aus allem, wobei sich sein Film noch am deutlichsten dem Poliziottesco – also einen Polizeifilm, der auf einen kleinen und gegen erhebliche Widerstände ankämpfenden Ermittlerkreis reduziert ist – zuordnen lässt.
Ein fünfzehnjähriges Mädchen wird nackt und erhängt in einer kleinen Dachwohnung gefunden. Zunächst ein Fall für den brummigen Inspektor Valentini (Mario Adorf; Deadlock), bis sich der vermeidliche Suizid als Mord entpuppt. Das Mädchen aus gutem Hause konnte sich zu Zeitpunkt des Todes noch gar nicht am Fundort befinden und weist darüber hinaus Spuren „uneingeschränkten Geschlechtsverkehrs“ aller erdenklichen Formen auf. Sein Freund und Kollege Silvestri (Claudio Cassinelli; Die weiße Göttin der Kannibalen) übernimmt und gräbt gemeinsam mit der zweiten Staatsanwältin Stori (Giovanna Ralli; Mercenario – Der Gefürchtete) das ungeahnte Doppelleben der nicht wirklich unschuldigen und behüteten Schülerin an die Oberfläche. Die anstrengende Kleinarbeit scheint in ein wahres Wespennest zu stoßen, denn plötzlich taucht ein in schwarz gekleideter Motorradfahrer auf, der mögliche Zeugen im wahrsten Sinne des Wortes zu Hackfleisch verarbeitet und schließlich auch die Ermittler ins Visier nimmt.
Obwohl zunächst hauptsächlich auf Befragungen und das Erschließen von Zusammenhängen fokussiert, reibt sich Der Tod trägt schwarzes Leder nicht an trockener Polizeiarbeit auf. Ohne großartige Action, Gewalt und Sleaze oder ein besonders erhöhtes Tempo gelingt ihm ein durchweg durch die Geschichte reizvoll wie spannend gestalteter Blick hinter die bröckelnde, gutbürgerliche Fassade, in deren Schatten das perverse Geschäft mit minderjährigen Callgirls fluoriert. Missbrauch, Prostitution und das Ausnutzen naiver, abenteuerlustiger Teenager zu Gunsten notgeiler Pädophiler und besonders den skrupellosen Strippenzieher im Dunkeln, ein zeitlos harter Tobak, den Massimo Dallamano dankenswerter Weise nicht als hemmungslosen Reißer verwendet. Respektvoll gibt es für das Genre nicht selbstverständlich relativ wenig nackte Haut und explizite Darstellungen zu sehen. Stattdessen wird die oftmals wesentlich effektivere Kunst des Kopfkinos verwendet. Speziell, wenn die sichtlich mitgenommenen Fahnder sich mit widerwertige Tonbandaufnahmen von „Kundenbetreuung“ auseinandersetzen müssen. Das geht unter die Haut, auch unter die des Zuschauers. Für den nicht ganz wegreduzierten Part der physischen Gewalt gibt es den (deutschen) „Titelhelden“ in schwarzer Kluft mit seinem Fleischerbeil.
In diesen auf die gesamte Laufzeit nicht dominanten Momenten mutet der Film tatsächlich kurzzeitig an wie ein typischer Giallo, nicht nur wegen der dann ausgeprägten Brutalität. Eine besonders ausgiebige und prägnante Szene spielt auf einem Parkdeck, die stark an eine vergleichbare Situation aus Sergio Martino’s Der Killer von Wien erinnert. Dieses Genre-Crossover gelingt erstaunlich gut, auch wenn sich Fans bloß nicht auf einen reinrassigen Giallo einstellen sollten. Am Ende – das leider etwas gestaucht und überhastet daher kommt, diesem Film hätten ausnahmsweise 10-20 Minuten mehr keinesfalls geschadet – gibt es gar deutliche Bezüge zum politischen Krimi seiner Zeit, wenn mal wieder das korrupte und intrigante System sich selbst und seine schwarzen Schafe vor der verdienten Schlachtbank bewahren will. Das hätte gerne noch etwas ausführlicher behandelt werden können, dann gebe es an Der Tod trägt schwarzes Leder – zumindest für Liebhaber dieser Filmgattung – kaum etwas zu bemängeln.
Fazit
Mit angemessener, aber nicht übertriebener Härte ausgestatteter Milieu-Thriller, souverän vorgetragen, kompakt und durchgehend spannend. Zudem mit prominenten Nebendarstellern veredelt. Neben dem Italien-erprobten Export Mario Adorf gibt es ein Wiedersehen mit dem sichtlich gealterten Hitchcock-Zögling Farley Granger. Kein Reißer, sondern ein (oft) im eh schon grausamen Realismus verankerter Poliziottesco, der sicherlich auch deshalb als einer der besten seiner Zunft bezeichnet werden kann.
Autor: Jacko Kunze