Im Jahr 2019 ist Dumbo längst jedem ein Begriff, der in seinem Leben auch nur ansatzweise bewusst oder unbewusst mit Filmen in Berührung gekommen ist. Der kleine Elefant mit den niedlichen Kulleraugen und den zu groß geratenen Ohren ist eine der ikonischsten Kreationen aus dem Hause Disney, die das außergewöhnliche Tier 1941 auf Grundlage der Geschichte von Helen Aberson und Harold Pearl als Zeichentrickfilm zum bunten Leben erweckten. Das 64-minütige Werk ließ den Babyelefanten in Windeseile in die Herzen der Zuschauer fliegen, während Dumbo, der fliegende Elefant im Hintergrund zumindest ansatzweise die unmenschlichen Bedingungen anprangerte, unter denen Zirkustiere zu dressierten Unterhaltungsgaranten gedrillt werden. Daneben war der Zeichentrickfilm aber auch eine typische Geschichte des ausgestoßenen Außenseiters, der es am Ende doch noch zu rührender Anerkennung und Akzeptanz bringt.
Mit keinem anderen Regisseur lässt sich das Außenseiter-Motiv derweil so stark assoziieren wie mit Tim Burton (Charlie und die Schokoladenfabrik), der dem Kino seit Jahrzehnten überwiegend phantastisch geprägte Geschichten über Außenseiter, dysfunktionale Familien und exzentrische Eigenbrötler schenkt. Für den im Jahr 2019 erscheinenden Disney-Realfilm Dumbo wurde dann auch niemand Geringeres als Burton für den Regiestuhl gewählt, um der Geschichte des traurigen Zirkuselefanten mit den überproportionalen Ohren auf der Suche nach seiner Mutter einen neuen Anstrich zu verleihen. Die Zeichentrickfilm-Vorlage, mit ihren 64 Minuten im Vergleich kaum mehr als ein kräftig coloriertes Malbuch voll mit großen Gefühle, füllt der Regisseur in seinem etwas unter zwei Stunden langen Film mit zusätzlichen Figuren und Nebengeschichten. Während in Dumbo, der fliegende Elefant die Tiere deutlich im Mittelpunkt standen, versieht Burton die Handlung als starker Humanist mit allerlei Menschlichkeit.
Im Zentrum seiner Neuauflage steht der Zirkus Medici, in dem sich so einige Attraktionen tummeln. Die gewünschten Einnahmen bleiben für Max Medici jedoch aus, weshalb der Zirkusdirektor nach einer neuen Attraktion in seinem Programm sucht. Ein Elefantenbaby soll die Massen anlocken, das sich kurze Zeit später als titelgebender Dumbo entpuppt. Um die zu großen Ohren soll sich der ehemalige Zirkusstar Holt Farrier kümmern, der gerade als Soldat aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist und einen Arm verloren hat. Ohne die Mutter, die an einer Krankheit verstorben ist, nehmen sich Hold und seine beiden kleinen Kinder Milly und Joe dem Wohl des Babyelefanten an, der früh von seiner Mutter getrennt und in der Öffentlichkeit von Spott und Häme überhäuft wird.
Gerade im illustren Figurenensemble von Burtons Realfilm spiegelt sich die Liebe des Regisseurs zu skurrilen Randfiguren ebenso wieder wie in den staunenden Augen der Kinderfiguren, die dieser immer wieder zum Strahlen bringt. Die Geschichte von Dumbo, der sich vom entstellten Kuriosum in den fliegenden Star der Zirkusmanege verwandelt, bleibt jedoch überwiegend im erzählerisch glattgebügelten Rahmen der Disney-Umzäunung gefangen. Zwischen Tricktechnik, die dem Film eine bisweilen störend auffällige Künstlichkeit verleiht, und Figuren, die sich viel zu leicht in das gewohnte Gut-/Böse-Schema eingliedern lassen, wird Dumbo zum gefällligen Abenteuer, in dem die markante Handschrift des Regisseurs zu oft von seichter Unterhaltung verdeckt wird. Wenn der hinterlistige Unternehmer V.A. Vandevere schließlich auf den fliegenden Elefanten aufmerksam wird und den tierischen Star mitsamt dem kompletten Zirkus Medici in seinen riesigen Vergnügungspark aufnehmen will, lässt sich Dumbo kurzzeitig auch als subversiver Meta-Film deuten, der Burtons eigenes Schicksal im Angesicht der strengen Disney-Richtlinien widerspiegelt.
Immer wieder kreiert der Regisseur dabei nach wie vor einzelne Bilder, in denen dessen ungestümer Gestaltungswille für die ganz großen Momente zur Geltung kommt. Die von Eva Green (James Bond 007 - Casino Royale) gespielte Trapezkünstlerin Colette, die von Vandevere wie ein Schmuckstück ausgestellt wird und später wesentlich tiefere Facetten zeigen darf, erweist sich in einigen berührenden Schlüsselszenen als emotionaler Anker der Geschichte. Ähnlich schön ist auch eine Einstellung gegen Ende des Films, in der Burton passenderweise das Kino selbst als innovative Erfindung zur Beglückung der Menschen feiert. Wie sehr sich der Regisseur in Dumbo aber trotzdem stets dem Unkomplizierten beugen muss, verdeutlicht zuletzt ein Vergleich mit der berüchtigten Pinke-Elefanten-Szene. Während die versehentliche Betrunkenheit von Dumbo im Zeichentrickfilm in eine überbordende Trip-Sequenz ausufert, in der der Elefant unter anderem auch von pinken Elefanten heimgesucht wird, muss Burton die Szene in seinem Realfilm als harmlose Zirkusnummer inszenieren, in der Dumbo zur Musik der tanzenden Seifenblasen-Elefanten fröhlich mitwippt.