Dass Harvard-Absolventin Natalie Portman ("Garden State“) eine begabte Dame ist, weiß man nicht erst seit sie 2011 den Oscar für die beste Hauptdarstellerin in Darren Aronofskys "Black Swan“ gewonnen hat. Und dennoch schwingt sich die Schauspielerin zu immer neuen Höhen auf und beweist Ehrgeiz in ihrem Schaffen. Das mag dann ab und zu in die Hose gehen ("Jane got a Gun“), beweist aber, dass die Halb-Israelitin in ihrem Job mehr versucht als nur über die finanziellen Runden zu kommen. Auch ihr neustes Werk "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ verdeutlicht diesen Ehrgeiz etwas mit dem Medium Film anfangen zu wollen, anstatt es nur als Geldmaschine zu benutzen. Vielleicht hat sich Portman hier sogar so viel vorgenommen wie nie zuvor: Zum einen übernimmt sie bei dem Drama sowohl Regie wie Drehbuch als auch Hauptrolle, zum anderen verfilmt mit dem biographischen Werk von Amos Oz einen äußerst komplexen wie feinfühligen Stoff, an den sich mit Sicherheit nicht viele Filmschaffende herangewagt hätten.
Aber Portman liegt dieses Projekt am Herzen, das wird in jedem Moment des Films absolut deutlich. Inhaltlich geht es um den jungen Amos Oz, der während des politischen Umbruchs im Völkerbundsmandat für Palästina die schwere Beziehung zu seiner Mutter beleuchtet. Eine Geschichte von Liebe und Finsternis jongliert also nicht nur vom Titel mit großen Begriffen, sondern befasst sich auch inhaltlich mit den ganz großen Emotionen rund um das Erwachsenwerden, Depression, Trauer, Umbruch und Verlust.
Verpackt hat Portman diesen autobiographischen Stoff in 95 extrem düsteren Minuten, die ihre Exposition vor allem auf visuelle Symbolik stützen. Zwar darf auch Amos Oz im Voice Over immer wieder erläutern, wo wir uns gerade in der Geschichte befinden, Portman will sich dem schweren Stoff aber vor allem über die dichte Atmosphäre des Films nähern und damit den einen Aspekt der Biographie in den Vordergrund schieben, den das Buch nicht behandeln konnte: Ihre Visualität. Ein bemerkenswerter Ansatz der Schauspielerin, macht sie damit doch schon zu Beginn klar, dass dieser Film eine eigene Version des Buches darstellt, der jeden Fan des Werkes, der sich hier eine äußerst getreue Verfilmung des Stoffes erwartet, direkt mal vor den Kopf stößt. Allein an diesem Ansatz merkt man aber wie viel Potenzial in Portman in Sachen Drehbuch und Inszenierung schlummert und wie mutig die Dame in ihrem ersten Werk direkt zur Tat schreitet.
Und gerade in puncto Visualität kann Eine Geschichte von Liebe und Finsternis absolut überzeugen. Portman verpackt ihren Film in düsteren Bildern, die von melancholischer Schönheit nur so strotzen. Ob Kamera, Kostüm oder Make-Up, der Film ist ungemein akribisch und detailverliebt inszeniert, voller einnehmender Kamerafahrten und tieftrauriger Symbolik. Man kann wirklich gespannt sein, was Natalie Portman in Zukunft für weitere Regiearbeiten übernimmt, denn ein Auge für besondere Bilder hat die in Jerusalem geborene Schauspielerin auf jeden Fall. Auch darstellerisch kann der Film überzeugen. Allen voran muss auch hier Natalie Portman genannt werden, die Amos‘ Mutter mit jeder Menge Hingabe verkörpert. Leider hängt damit aber auch eine erzählerische Unentschiedenheit die Hauptfiguren betreffend zusammen. Es wird in Eine Geschichte von Liebe und Finsternis nämlich nie gänzlich klar, wer nun die eigentliche Hauptfigur, der Fixpunkt der Geschichte sein soll. Amos als Erzähler und Junge verkommt viel zu oft nur zum narrativen Rahmen, der durch verschiedene Set-Pieces stolpert, ohne dass man die Figur dahinter wirklich kennenlernen kann. Der Rest der Figuren geht zudem gnadenlos neben Portman unter.
Sowieso schafft es die Regisseurin, so sehr sie in Sachen Schauspiel und Inszenierung punkten kann, nicht die Geschichte des Films einnehmend zu erzählen. Da reicht die dichte Atmosphäre des Stoffes, über die ein Großteil der Story übertragen werden soll, leider nicht aus, da der Film viel zu oft zwischen viel zu vielen Einzelszenen hin und herspringt. Das Innenleben der Figuren, gerade der Figur von Amos Mutter, wird nie wirklich deutlich, geschweige denn fühlbar und auch der politische Kontext der Geschichte wird viel zu oft nur angemerkt als spürbar gemacht. So sehr es hier um eine Figur geht, die versucht im poetischen Eskapismus den wirren des Krieges zu entfliehen, so wenig ist den Zuschauern diese Immersion vergönnt. Viel mehr trieft Eine Geschichte von Liebe und Finsternis von wahnsinnigem Pathos, der auf den Zuschauer abgefeuert wird und ihn emotional immer mehr von dem Geschehen distanziert.
Portman schafft es ab und zu ein paar sehr ergreifende Szenen auf die Leinwand zu bringen (gerade wenn es darum geht den Krieg als Miesere ohne Ausweg darzustellen), diese bleiben aber Stückwerk und wollen kein funktionierendes Ganzes ergeben. So wird er Zuschauer zum stummen Beobachter degradiert, die essentielle Immersion in die Emotion des Geschehens kann bei so einer unruhigen Erzählung einfach nicht funktionieren. Und das ist schade, wird es doch immer wieder deutlich wie sehr Portman dieses Sujet am Herzen liegt. Vielleicht wäre Weniger hier Mehr gewesen, vielleicht wäre es nötig gewesen diese Geschichte fokussierter zu erzählen, anstatt alles, was wichtig wirkt, irgendwie in den dünnen Rahmen des Films zu pressen. So verfehlt Portmans Drama letztendlich ihr Ziel und muss, in den Augen dieses Kritikers, leider als gescheitert gewertet werden.