Inhalt
1985 ist das Baskenland vom ETA-Konflikt gezeichnet. In einer kleinen, industriell geprägten Stadt erleben der radsportbegeisterte Marcos und seine Freunde José Antonio, Paquito und Toni die lang ersehnten Sommerferien und machen Bekanntschaft mit der ersten Liebe, Drogen und radikalem politischen Aktivismus.
Kritik
Gesehen beim Internationalen Filmfestival Schlingel 2022
Das Spielfilmdebüt des spanischen Regisseurs Manu Gómez bewegt sich unruhig zwischen Zeitporträt, Erinnerungskonglomerat und Jugendfilmdrama. Es war einmal in Euskadi erzählt sowohl von einer jungen, vierköpfigen Freundesgruppe als auch von deren Eltern und älteren Geschwistern, die in Nordspanien der 1980er Jahre ihrem Alltag nachgehen. Entstanden ist ein Potpourri aus zeitgemäßen und zeitlosen Themen, ein Schmelztiegel oberflächlich angerissener Konflikte und eine Ansammlung großer und kleiner Charakterdramen, in der sich Kinder- und Erwachsenenperspektive vermischen.
Ohne einen bestimmten Fokus zu setzen, springt der Film zwischen einzelnen Figuren des brodelnden Kleinstadt-Kosmos umher und jongliert mit allerhand Konflikten, denen es in überschaubaren hundert Minuten Spielzeit häufig an Tiefe fehlt. Es war einmal in Euskadi streift Demonstrationen und Anschläge der ETA, familiäre Probleme (bishin zur Vernachlässigung), die erste Liebe, eine Aids-Erkrankung und mindestens eine Handvoll weiterer Themen. Reizlos sind die einzelnen Verknüpfungen nicht, insbesondere das Motiv der Eltern, die den Draht zu ihren eigenen Kindern verloren haben, durch die anhaltende Sprunghaftigkeit und zumeist nur vagen Auseinandersetzungen aber nur wenig wirksam. Jene Oberflächlichkeit kostet nicht nur den Themen selbst, sondern auch den unter anderem von Asier Flores (Die Einöde), Vicente Romero Sánchez (Adiós - Die Clans von Sevilla, Wolfsbrüder) und Luis Callejo (Jeder gegen jeden, The Longest Night) dargestellten Figuren Teile ihrer Ausstrahlungskraft.
Manu Gómez zeichnet in erster Linie ein dem Jugendfilm angepasstes, überwiegend männlich zentriertes Gesellschafts- und Zeitbildnis. Gutenteils ziehen die detaillierte Ausstattung, eine farbkräftige Inszenierung und die Soundtrackwahl in das fiktionalisierte und vereinfachte Zeitgeschehen hinein, ohne nostalgischen Träumereien zu verfallen. Szenenübergänge wie Staffelstabübergaben und umklammernde Parallelmontagen schweißen einzelne Sinneinheiten zusammen, können die vielen, mitunter auch harten Brüche aber nicht verbergen.
Der Film sucht die Balance zwischen heiteren und ernsten Momenten in einer Spannweite zwischen heimlichen Pornokonsum, politischer Radikalisierung und Todesfällen. Einzelne Darsteller*innen erhalten kleine, intimere Momente, wenngleich die Ereignisdichte die Entfaltung vieler Figuren erschwert.. Allein deren Skizzen vermeiden jedoch eine triviale Einteilung von Gut und Böse. Kaum kommentierte Geschehnisse und Charakterbögen erhalten erst mit weiteren Hintergründen an Aussagekraft und verlangen nach einer zielgruppengerechten Nachbereitung.
Fazit
"Es war einmal in Euskadi" ist ein bis zum Rand gefülltes oberflächliches Zeitporträt, welches zwar viel zu erzählen hat, doch kaum einem Thema gerecht werden kann. Detailreich ausgestattet ist er weniger eine nachhaltige Milieus- und Zeitstudie als ein thematisch ambitionierter Einstieg im Gewand eines Jugendfilms.
Autor: Paul Seidel