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Inhalt

Jerry Lundegaard steckt in argen, finanziellen Schwierigkeiten und spinnt daher einen riskanten Plan: Er engagiert zwei Kleinkriminelle, um die eigene Ehefrau zu entführen. Damit will er seinen reichen Schwiegervater um 80.000 $ erpressen, die er dringend benötigt, um die durch Veruntreuung entstandenen Löcher zu stopfen. Dies setzt eine sehr blutige Kettenreaktion in Gang, um deren Lösung ausgerechnet die hochschwangere Kleinstadtpolizistin Marge Gunderson genötigt werden muss. So kurz vor der Niederkunft, mitten im Winter und zu so unmöglichen Uhrzeiten…

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Seit nunmehr 36 Jahren sind die Gebrüder Ethan & Joel Coen in der Filmlandschaft vertreten. Früher wurde immer Joel als der Regisseur und Ethan als der (Co)Autor verkauft, erst (ausgerechnet) nach dem ganz netten Auftragsremake The Ladykillers (2004) werden sie als gleichberechtigtes Duo gelistet. Eigentlich völlig egal, aber wiederum auch nicht. Die beiden sind mehr als nur eine familiäre Zweckgemeinschaft: Sie sind individuelle Genies. Welche sich nicht suchen mussten und sich wie kaum ein anderes Brüderpaar kongenial ergänzen, was über so einen langen Zeitraum nicht selbstverständlich sein muss (im Hause Gallagher wäre man vielleicht neidisch darauf). Fargo ist in ihrer qualitativ insgesamt wirklich einzigartigen Vita das Mittelstück der (hier inoffiziell zur solcher ernannten) Blood & Greed-Trilogie. Beginnend mit ihrem furiosen Debütfilm Blood Simple (1984), hin zu ihrem erstmals mit dem überfälligen Oscar als Bester Film ausgezeichneten No Country for Old Men (2007). Nicht, dass ihre Arbeiten dazwischen geringer bedeutend wären. Gott bewahre. Miller’s Crossing, Barton Fink, Hudsucker – Der große Sprung, The Big Lewobski, O Brother, Where Art Thou?, The Man Who Wasn’t There – da jagt ein Meisterwerk das nächste. Aber gerade diese drei Filme scheinen wie aus einem Guss.

Die Eröffnungssequenz könnte aus einem Italo-Western stammen, doch dann „reitet“ nur ein zweitklassiger Gebrauchtwagen durch die verschneite Prärie von North Dakota. Gesteuert von einem maximal zweitklassigen Gebrauchtwagenhändlers namens Jerry Lundegaard (William H. Macy, Shameless). In einer nicht mal drittklassigen Spelunke trifft er zwei schon auf den ersten Blick skurrile Typen: Der eine ist irgendwie „funny looking“ (Steve Buscemi, Reservoir Dogs), der andere wie der wortkarge Malboro Mann (Peter Stormare, John Wick: Kapitel 2). Über einen dubiosen Mittelsmann angeheuerte Knastvögel, die für ihn einen etwas merkwürdig klingenden Job erledigen sollen. Die eigene Ehefrau entführen, um das (mickrige) Lösegeld von 80.000 $ zu erpressen. Die Kohle zahlt er natürlich nicht selbst, blechen soll sein wohlhabender, ihm aber nicht sonderlich gut gesonnener Schwiegervater. Die einzige Methode für Jerry, um seinen Kopf doch noch aus der lange aufgebauten Schuldenschlinge zu ziehen und sogar vielleicht sein angepeiltes Investorenprojekt ohne fremde Hilfe an den Start zu bringen. Ein fingiertes Verbrechen, ohne Gewalt, eine ganz saubere Sache. Genau das tritt natürlich nicht ein, da alle Beteiligten furchtbar unprofessionell agieren und in Windeseile aus einer eigentlichen Mücke einen Elefanten machen, was in einem – total unverhältnismäßigen - Blutbad endet. Gott – oder Jesses – sei dank gibt es da noch die hochschwangere Kleinstadtpolizistin Marge Gunderson (Frances McDormand, Three Billboards Outside Ebbing, Missouri), die ganz entspannt die Ermittlungen aufnimmt und ohne hektische Bewegungen die Sache regelt.

Blood Simple war/ist schon genial, aber mit Fargo präsentieren die Coens eindrucksvoll ihren persönlichen Reifeprozess. Die Filme weisen so viele Parallelen auf, inhaltlich wie formell. Wieder wird der Highway der Finsternis zum schicksalsträchtigen Ort, statt im brütend heißen Texas diesmal jedoch im eiskalten Minnesota. Wieder spielt Frances McDormand die Hauptrolle, diesmal jedoch nicht als naives Objekt der Begierde, sondern als hochschwangere, tiefenentspannte Heldin in einer Welt voller wahnsinnig gewordener Mannsbilder, die sich an Unfähigkeit, Egoismus und Gier selbst übertreffen und dafür zurecht alle schlussendlich heftig leiden müssen. Die Story ist ähnlich böse und zynisch, diesmal aber verknüpft mit einem ganz wunderbaren, durchgehenden Humor, der den Tonfall eindeutig dominiert. Egal wie giftig und makaber Fargo im Grunde ist, nicht nur im Herzen ist es mehr eine herrlich schrullige Liebeserklärung an einen ganz besonderen Menschenschlag, ihre pointierten Eigenarten und eine ganze Region. Mit einem einzigartigen Gespür für Storytelling, Charakterdesign und dem Spiel mit Klischees gelingt es den Coens einen nahezu völlig autarken Wandteppich zu knüpfen. Grausame Gewalt und tiefschwarzer Humor zwischen Schwangerschaftsbeschwerden, Treffen mit alten Schulfreunden, All You Can Eat Buffets und Talkshows im Bett. Welten prallen aufeinander und verschmelzen dabei im Mikrokosmus der Coen’schen Chaostheorie zu einem leisen – im besten Sinne beinah beiläufigen - Urknall von Film.

Fazit

Ein stilles, unaufdringliches, aber umso prägnanteres Meisterwerk. „Fargo“ ist praktisch das seltene Exemplar eines perfekten Films. Spannend, überraschend, witzig, stimmungsvoll, clever, griffig, sarkastisch, herzlich, atmosphärisch, grandios inszeniert. Die Geschichte ist eigentlich schlicht, aber famos erzählt und angereichert mit so besonderen Figuren, dass die Symbiose daraus unnachahmlich ist. So gut, dass die angebliche Authentizität sogar für bahre Münze genommen werden könnte. So einen Irrsinn schreibt sonst wirklich nur das wahre Leben. Oder eben die Coens.

Kritik: Jacko Kunze

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