Inhalt
Zu Beginn seines neuen Abenteuers ist Dom Toretto (Vin Diesel) abgetaucht und geniesst mit Letty und seinem Sohn Brian das ruhige Leben auf dem Land. Doch Dom und Letty wissen sehr genau: Ihr friedliches Idyll ist ständig in Gefahr. Diesmal ist Dom durch eine neue Bedrohung gezwungen, sich seiner Vergangenheit zu stellen, wenn er die Menschen, die er am meisten liebt, beschützen will. Und so bringt er noch einmal seine Crew zusammen, um eine weltweite, extrem gefährliche Verschwörung zu stoppen, deren Anführer der skrupelloseste Auftragskiller ist, dem sie bisher begegnet sind. Und das ist noch nicht alles: Es handelt sich dabei um Doms verloren geglaubten Bruder Jakob (John Cena, Bumblebee).
Kritik
Jump the Shark
The beginning of the end. Something is said to have "jumped the shark" when it has reached its peak and begun a downhill slide to mediocrity or oblivion. It's said to have been coined by Jon Hein, who has a web site, jumptheshark.com, and now a book detailing examples, especially as applied to TV shows. It supposedly refers to an episode of the TV show "Happy Days" in which Fonzie jumps over a shark on water skis, which Hein believes was the point at which the series had lost its touch and was beginning to grasp at straws.
Quelle: Urban Dictionary
Keine andere Filmreihe hat Jump the Shark so sehr zur Kunstform erhoben und gleichzeitig pervertiert wie Fast & Furious. Momente, die bei anderen Filmen für den Abfall der Beliebtheitswerte sorgen würden, machten die Bleifuß-Reihe erst so richtig populär. Was einst als Quasi-Remake von Gefährliche Brandung begann, entwickelte sich nach einer kleinen Talfahrt mit den Teilen zwei und drei zu einem der lukrativsten Franchises aus Hollywood und zu einer Ansammlung von Szenen, die nicht nur der StVO, sondern auch der Physik mit großer Wonne den in ein Muscle Shirts gekleideten Mittelfinger entgegenstreckt. Nun, nach einer coronabedingten Wartezeit (das Virus, nicht das Bier), kommt der mittlerweile neunte Teil (bezieht man das Spin-off Fast & Furious: Hobbs & Shaw mit ein, sind es sogar schon der zehnte) in die Kinos und erneut stellt sich die Frage, was für aberwitzige Actionszenen die Macher dieses Mal auf die Leinwand ballern?
Die Antwort: Einige. Doch wer die Reihe kennt, weiß, dass sie auch immer versuchen mit anderen Facetten bei ihren Fans im Gedächtnis zu bleiben und so steht vor und nach jeder Blechschadenorgie immer auch das typische Fast-&-Furious-Drama. Hauptdarsteller, Produzent und mittlerweile wohl das Maskottchen der Reihe, Vin Diesel (Bloodshot), wird nicht müde immer wieder die Größe und Wichtigkeit der leisen Momente zu betonen. Wahrscheinlich weiß die zweitbeliebteste Glatze aus Hollywood (vermutlich ein Zitat von Dwayne Johnson) es selber und will es aus Marketginggründen nicht zugeben, aber dieses ganze Gestammel von wegen Familie wirkt nicht erst seit diesem Teil weitaus unrealistischer und aufgedunsener als die Action, die präsentiert wird. Die echten Jump-the-Shark-Momente sind schon längst nicht mehr die Massenkarambolagen oder die Tatsache, dass sich anscheinend noch nie jemand in den Filmen mit der Funktion eines Anschnallgurtes befasst hat, sondern die hölzernen Elemente einer Seifenoper, die hier ständig integriert werden.
Von diesen hat Fast & Furious 9 einige, denn hey, dieses Mal bekommt es die Familie mit Jakob, dem kleinen Bruder von Diesels Rolle, zu tun. Auch interessant, dass der kleine Toretto noch nie zuvor zur Sprache kam. So richtig verübeln kann man das aber nicht, denn Wrestler und Darsteller John Cena (Bumblebee) bringt zwar die notwendige Physis für einen guten Gegenspieler mit, doch so aufgepumpt seinen Nackenmuskulatur auch ist, so flach und schlaff bleibt sein Charakter. Da ist es umso schädlicher für den Film, dass die immer wieder zugesicherte Konfrontation zwischen den beiden Brüdern nach nicht einmal einer Minute und ohne nennenswerte Vorkommnisse absolut lieblos abgehandelt wird. Schon seltsam, dass Fast & Furious 9 gerade hier auf den Exzess verzichtet.
Jacob ist aber nicht der einzige Bad Guy in Fast & Furious 9. Insgesamt gleich drei Figuren, machen Vin Diesel und seiner Crew, pardon, Familie das Leben schwer. Dazu zählt auch die bereits in Fast & Furious 8 etablierte Cipher (Charlize Theron, Mad Max: Fury Road), die aber lediglich ein paar Auftritte absolviert und eigentlich nicht mehr tut, als schick gestylt in einer Glasbox zu sitzen und auf Queen of Exposition zu machen. Der andere Widersacher heißt Otto (Thue Ersted Rasmussen, Norskov) ist reich, europäisch und mehr gibt es über ihn auch nicht zu sagen.
Es ist schon irgendwie verständlich, dass Fast & Furious 9 gleich drei Schurken in den Film integriert, denn Diesels Familie platzt ja mittlerweile aus allen Nähten. Sehr gut bemerkbar ist das immer dann, wenn das Script von Daniel Casey (Kin) penetranten Fanservice abliefert und man sich irgendwann am Kopf kratzt und sich fragt, ob dieser und jener Auftritt jetzt wirklich notwendig gewesen ist? Mal ganz ehrlich: Hat jemand wirklich Shad Moss alias Lil Bow Wow aus The Fast and the Furious: Tokyo Drift vermisst? Was dem Franchise guttun würde, wäre kein Familienurlaub, sondern Urlaub von der Familie.
Zwei Rückkehrer dürften Fans der Reihe aber wahrscheinlich wirklich freuen. Einer davon ist Sung Kang (Code 8) als Han. Dank der Chronologie des Franchise, die eindeutig zu viel Corona intus hat (das Bier, nicht das Virus), tauchte dieser im dritten Teil erstmals auf und starb dort gleich. Macht nichts, denn in den Teilen fünf und sechs war er ja noch unter den Lebenden und kehrt nun von den Toten zurück. Damit sollte auch die Frage geklärt sein, was die Reihe von gutem Storytelling hält. Für das Wiedersehen sind die Fans verantwortlich, die jahrelang Hans Auferstehung forderten. Nun ist er wieder da und das war es auch schon. Ganz ehrlich, das Wiedersehen mit dieser Figur wirkt selbst für Fast-Verhältnisse inkonsistent, vor allem weil mit großem Zwang versucht wird, ein Mysterium aufzubauen. Wenn dann aber die Erklärung kommt, bleibt der große Aha-Effekt aus. Es ist ein bisschen so, als ob ihr ein Feuerwerk zündet und wenn die Lunte dann endlich abgebrannt ist, macht es nicht Zisch und Boom, sondern einfach nur Poof.
Mehr geglückt ist da schon eher die Rückkehr von Regisseur Justin Lin (Star Trek Beyond). Der gute Mann lieferte zwar mit Tokyo Drift klar das absolut Lowlight der Reihe ab, rehabilitierte sich aber schnell mit dem vierten Teil und drehte mit Fast & Furious Five nicht nur den besten Vertreter des Franchise, sondern auch einen klaren Primus des modernen Actionfilms. Nachdem er die letzten zwei Filme seinen Kollegen James Wan (Aquaman) und F. Gary Gray (Gesetz der Rache) überlassen hatte, kehrt er nun zurück und das merkt man in den Actionszenen deutlich. Lin und seine Stuntcrew zaubern in Fast & Furious 9 echte, überproportionale Spektakel auf die Leinwand. Schon die erste große Actionszene bietet Minenfelder, einstürzende Hängebrücken oder ein Auto das auf Tarzan macht. Das ist in seiner der Schwerkraft spottenden Überheblichkeit ein ziemlich großer Spaß.
So richtig auf Touren kommt Lin aber im Finale. Wer dachte, dass Michael Bay in seinem nervenden Netflix-Happening 6 Underground Magnete schon effektiv einsetzte, der sollte sich Fast & Furious 9 ansehen. Wer ein Herz für Action hat, die einzig und alleine auf einen Überwältigungseffekt aus ist und sich zu keiner Zeit darum bemüht sich an die sklavischen Vorgaben irgendeiner Logik zu halten, der wird hier bestens bedient. Wäre da halt nicht das Problem, dass es um die Action herum ja noch diese dünne Geschichte mit diesen öden Figuren gibt, die immer wieder Dinge sagen die sehr eindeutig in Grenze zum Cringe überschreiten.
In Fast & Furious 9 fällt es wirklich schwer diese Makel auszublenden. Die Balance stimmt einfach nicht. Da hilft es auch nicht, dass Roman (Tyrese Gibson, Death Race) und Taj (Ludacris, Gamer) endlich dort hingehen, wo die Reihe bislang noch nicht ihre Späße mit den Naturgesetzen gemacht hat. Wer nicht weiß, was gemeint ist und sich diesen Moment nicht nehmen lassen will, der überspringt den kommenden Absatz besser.
Ja, in Fast & Furious 9 ist es endlich so weit. Zunächst waren es die Nörgler, die sich über die Reihe lustig machten, irgendwann griffen die Fans es auf und nun ist das Meme filmische Realität geworden: Roman und Taj verschlägt es in den Weltraum… mit einem Auto. Das sollte sehr wahrscheinlich der ganz große Moment des neunten Teils sein, doch eigentlich verkommt es mehr zu einer Randnotiz. Die ganze Szenerie wirkt auch seltsam befremdlich und weitaus weniger befriedigend als gedacht. Echte Freude am Jump-the-Shark-Moment kommt nicht auf. Wie auch? Oben im All sieht man keine Raubfische mehr im Wasser. Hier rächt es sich einfach, dass uns die Reihe seit Jahren diese Over-the-Top-Momente serviert. Wir haben uns ganz einfach überfressen. Daran ändert auch Lachgaseinspritzung im Orbit nichts.
Aus diesem Grund ist es schon eine gute Neuigkeit, dass Teil zehn und elf die letzten Filme sein sollen. Ja, okay, es ist ein Sequel zu Hobbs & Shaw geplant, Widersacherin Cipher soll auch ein Prequel erhalten und mal ganz ehrlich, so richtig glauben tut es wohl niemand, dass Vin Diesel seine Familie nach elf Filmen ziehen lassen wird. Keiner sollte überrascht sein, wenn eines Tages doch noch ein Fast & Furious 12 aus der Garage von Universal kommt. Das wäre Jump the Shark in absoluter Reinkultur. Gleichsam zelebrierungswürdig wie sträflich bescheuert. Ein waschechter Fast & Furious eben.
Fazit
Durch die geringwertige Dramaturgie leidet „Fast & Furious 9“ erheblich an Kolbenfresser. Es rächt sich mittlerweile zunehmend, dass die Reihe so exorbitant durch Nichtigkeiten aufgedunsen ist, dass sie nur noch in wenige Parklücken passt. Wenn Regisseur Justin Lin es aber krachen lässt, dann ordentlich, mit Schmackes und mit voller Freude an der Missbilligung der Naturgesetze. Trotz allem kann auch die neunte Lackschicht nicht mehr wirklich verschleiern, dass die Reihe in einer Sackgasse liegen geblieben ist.
Autor: Sebastian Groß