„I'm beautiful in my way 'cause God makes no mistakes
I'm on the right track, baby, I was born this way
Don't hide yourself in regret, just love yourself, and you're set
I'm on the right track, baby, I was born this way (born this way)“
Lady Gaga
(Übersetzung: „Ich bin schön auf meine Art, denn Gott macht keine Fehler
Ich bin auf dem richtigen Weg, Baby, ich wurde so geboren
Verstecke dich nicht in Reue, liebe dich einfach und du bist bereit
Ich bin auf dem richtigen Weg, Baby, ich wurde so geboren (so geboren)“)
Wenn Joe Bell, verkörpert von Mark Wahlberg (Plötzlich Familie), dieses Lied während seiner Selbstfindungsreise durch Amerika einstimmt, dann weiß man, dass er es ernst meint. Aus dem knallharten gefühllosen Vater ist ein Mensch geworden, der beginnt seinen Sohn zu verstehen. Er ist noch lange nicht am Ende seiner Reise angelangt und viele Erkenntnisse liegen noch vor ihm, aber er ist schon mal auf dem richtigen Weg, denn der Mensch, der er mal war, hat aufgehört zu existieren und ein neuer verständnisvoller Mensch kam zum Vorschein. Doch was veranlasste ihn seine Einstellung zu ändern und sich auf einen Fußmarsch durch den USA zu begeben? Das Leben...
Joe Bell erzählt die wahre Geschichte eines Vaters, der eine beschwerliche Reise auf sich nimmt, um auf die Folgen und Gefahren von Mobbing aufmerksam zu machen. Er redet bei verschiedenen Veranstaltungen darüber, wie schmerzhaft es ist, wenn Menschen andere Menschen schikanieren, weil sie anders sind und, wie wichtig es ist seinen Kindern zu sagen, dass man sie liebt, egal wie sie sind. Wenn Joe Bell auf die Bühne steigt, dann sieht man einen gebrochenen Menschen und keinen perfekten Redner vor sich. Genauso wird er auch von Mark Wahlberg verkörpert, mit viel Feingefühl und Stärke. Er spielt einen Menschen, der es nicht gewohnt ist vor Publikum zu sprechen und der sich jedes Mal überwinden muss, wenn er seine äußerst wichtige Botschaft verkündet.
„Viele glauben, dass schwul zu sein eine Entscheidung ist...“ Joe Bell selbst dachte früher nie an seinen Jungen, sondern nur an sich selbst. Man sieht es eindrucksvoll in den Rückblicken, in denen er das Schwulsein seines Sohnes nur als eine vorübergehende Phase sah und ihm nie sagte, dass „es ok ist“, sondern es vielmehr peinlich fand. Während sein Sohn durch die Hölle ging, verwehrte er ihm die Unterstützung als Vater und erst auf seiner Reise begann er sich damit auseinanderzusetzen. Von Schuldgefühlen geplagt übernahm er die Verantwortung für all das, was seinem Sohn widerfahren ist. Er sprach öffentlich darüber, dass Mobbing schon zu Hause beginnt und wie wichtig es ist seine Kinder so zu akzeptieren wie sie sind.
Doch warum hat man eigentlich bei diesem Drama so wenig Raum für diese Reden gelassen? Zuerst hält man es für die Schwäche des Films, weil man glaubt, dass die guten Filme nun mal so ablaufen, dass ein großartiger geläuterter Redner die Bühne betritt und alle mit seiner Rede sofort überzeugt. Man schwenkt dann mehrmals ins Publikum und sieht verständnisvolle, wissende Menschen, die von der Botschaft so mitgerissen wurden, dass sie just in dem Augenblick ihr ganzes Leben umkrempeln. Das alles sucht man bei Joe Bell vergebens. Man möchte sich dieser sensiblen Thematik viel subtiler annähern, ohne Close-ups vom Publikum und ohne perfekt ausgearbeitete Reden, die einen auf Knopfdruck weinen lassen.
Stattdessen zeigt der Film nur einen einzigen Menschen, dessen Leben Joe Bell zum Besseren verändert hat. Dieser Mensch ist ein Symbol dafür, dass es sich lohnt für die Menschen einzustehen, die anders sind und, wenn man nur einen einzigen Menschen damit erreicht, dann hat man seine Aufgabe erfüllt. In den vom christlichen Glauben stark geprägten USA ist es sicherlich keine Seltenheit, dass die Menschen an ihren starren altmodischen Wertvorstellungen hängen, deswegen trafen die Macher des Films definitiv die richtige Entscheidung, als sie sich dafür entschieden, mit Joe Bell schonungslosen Realismus und kein Hollywood-Märchen abzuliefern. Joe Bell prangert sogar direkt ohne Umschweife die Kirche an, die predigt, dass alle Schwulen in die Hölle kommen.
Mit dieser wahren Geschichte trifft Joe Bell den Nagel auf den Kopf, denn er zeigt die Hilflosigkeit des Vaters, als er das Gefühl hatte nichts gegen Mobbing tun zu können, weil die Schulleitung seinem Sohn nicht helfen wollte. Genauso fühlt er sich, als er ein paar homophoben Männern seine Karte dalässt, mit der er auf Gefahren des Mobbings aufmerksam machen möchte. Das ist jedoch schon alles, was er tut, weil er einfach nicht mehr tun kann, schließlich kann er nicht jeden homophoben Menschen in den USA verprügeln. Joe Bell weiß, dass seine Aufklärungsarbeit mühevoll ist und man sieht, dass er daran zweifelt, ob es genug ist...
Innere Zerrissenheit, Schuldgefühle und Wut sind die ständigen Begleiter seiner Reise. Aus den Gesprächen mit seinem Sohn weiß man, dass Joe Bell immer noch nicht seinen Frieden fand und man zweifelt daran, dass er ihn jemals finden wird. Der Film befasst sich überwiegend mit den Gefühlen eines Vaters, doch er zeigt in den Rückblicken auch die Hilflosigkeit von Jaden als er dem Mobbing ausgesetzt ist. In seinem Aufsatz schreibt er: „Es ist schrecklich von Leuten umgeben zu sein, die dich hassen, aber nicht einmal kennen... Manchmal liege ich nachts wach und frage mich wie ich es ertragen soll. Dann hoffe ich, dass am nächsten Tag alles besser wird, doch das wird es nie...“ Reid Miller verkörpert mit Bravour einen jungen Mann, der in der Schule gequält wird und von niemandem Hilfe bekommt. Genauso hilflos lässt der Film den Zuschauer zurück, weil man keinen glatten Film vor sich hat, der einem die Lösung für alle Probleme dieser Welt bietet, sondern nur eine Anleitung, wie man es richtig machen sollte und es liegt an jedem Einzelnen selbst, ob er sich dafür entscheidet zu lieben oder zu hassen.