Inhalt
Der ausgebrannte Superheld Hancock (Will Smith) fliegt nur noch mit Whiskeyflasche zum Einsatz. Wegen einigen misslungenen Heldentaten und seinen unkonventionellen Methoden ist die Stadt L.A. auf ihren Helden nicht gut zu sprechen. Der PR-Berater Ray (Jason Bateman) möchte Hancocks Image aufpolieren.Nun verliebt sich Hancock in Rays Frau Mary (Charlize Theron) und das Chaos nimmt seinen Lauf...
Kritik
Diese Kritik bezieht sich auf die 98-minütige Extended Version.
Jeder kleinere und größere Junge hegt in seinem Leben doch irgendwann einmal den Traum, mit den gewaltigen Attributen eines waschechten Superhelden ausgestattet zu sein. Ob es das volatile Reaktionsvermögen der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft, „Spider-Man“, ist, oder die unbändige Omnipotenz drei explodierenden Sonnen, wie sie „Superman“ in sich birgt. Wie uns all diese grafischen Novellen sowie deren hochbudgetierte Adaptionen für die Kinoleinwand aber in der Vergangenheit bewiesen haben, folgt mit großer Kraft zwangsläufig auch große Verantwortung – Und wer hat schon noch Lust auf Verpflichtungen? Auf das Ausfüllen einer allgemeinen Vorbildfunktion? Eben. Und da kommt „Hancock“ von Peter Berg („Lone Survivor“) ins Spiel, ein Superhero ohne Comic-Vorlage, dessen Fähigkeiten sich aber natürlich dennoch in einem imposanten Ausmaß über den gesamten Bildschirm entladen können. Das Problem an der Sache ist nur: Hancock (Will Smith, „Das Streben nach Glück“), hat nur selten wirklich Lust dazu, den Menschen in Not aus der Misere zu helfen.
Los Angeles steht inzwischen Kopf und feuert schäumende Hasstiraden von sich, wenn Hancock zur Sprache kommt. Kann sich der – auf dem Papier als ein solcher verifiziert – Superhelden nämlich aufraffen, hinterlässt er aufgrund seines exzessiven Alkoholkonsums eine Schneise der Zerstörung: Die Kollateralschäden schweben in Höhenlagen von über neun Millionen Dollar, da wo Hancock helfen will, bleibt nur Chaos. Was ihm fehlt, ist ein Imagecouch, der an Hancocks Wechselwirkung mit der Öffentlichkeit feilt und ihn zu der Person macht, wie es seine Bestimmung von ihm nun einmal verlangt. Mit dem idealistischen PR-Berater Ray Embrey (Jason Bateman,„Sieben verdammt lange Tage“) steht ihm dieser dann auch zur Seite, blöd ist da dann aber nicht nur, dass Hancock sich wenig einsichtig zeigt und Embreys Frau Mary (Charlize Theron, „A Million Ways To Die In The West“) eine offensichtliche Aversion gegen Loser Hancock pflegt. Was dennoch logischerweise folgt, ist eine Domestizierung des unflätigen Raufbolds und damit eben auch eine obligatorische Integrationsgeschichte.
„Hancock“ folgt einem naiven Gedanken: Jeder, egal ob Otto Normalbürger oder Superheld, wird irgendwann seinen Platz in der Gesellschaft finden – manchmal brauchen sie nur den rechten Anstoß, um in ihre vorgesehene Form zu passen. Das mag unter konservativen Gesichtspunkten vielleicht eine nette Schlussfolgerung zu sein, ist für „Hancock“ aber Sand im Getriebe und würgt das über fünfzig Minuten tadellos funktionierende Narrativ vehement ab. Der Spaß keimt aus der anarchischen Tonalität, aus dem kodderigen Gebaren seines Hauptdarstellers, der seiner Vorsehung die Alkoholfahne ins Gesicht rülpst und keinerlei Interesse daran besitzt, sein sich in der Allgemeinheit zusehends verschlechterndes Bild irgendwie abzufedern. Tritt Charlize Therons Rolle deutlich präsenter in Erscheinung, wird „Hancock“ braver, was dramaturgische Schlaglöcher umso deutlicher macht und ist in seiner auf familiäre Werte fokussierten Sichtweise vor allem eine grobmotorische Verschwendung jedes satirischen Potenzials, welches im ersten Akt der Handlung zeitweise aufflackern durfte. Was hätte hier nur entstehen können, wenn ein Matthew Vaughn das Projekt übernommen hätte.
Fazit
In der ersten Hälfte ist „Hancock“ ein unheimlich amüsante und mit einem herrlich desinteressierten Will Smith tatsächlich gut besetzte Superhelden-Parodie, die in ihrer anarchischen Taktung durchaus satirische Möglichkeiten aufblitzen lässt. Wächst Charlize Therons Rolle, schränkt „Hancock“ sein turbulentes Maß heftig ein und wächst heran zum kreuzbraven Biedermeier, der sich auf konservative Werte verlässt, wo doch so viel Subversion hätte existieren können.
Autor: Pascal Reis