Inhalt
Als die Ruhe des Inselreichs Atlantis von WissenschaftlerInnen gestört wird, greifen dessen Nachkommen zu den Waffen, um blutige Rache an allem und jedem zu nehmen.
Kritik
Es gibt Filme, die aufgrund ihrer eklatanten Mängel eigentlich schlecht sein müssten, jedoch auf wundersame Weise trotzdem einen hohen Unterhaltungswert bieten. Filme wie Plan 9 From Outer Space, Die Hölle der lebenden Toten, The Room oder aber Zombi 3 sind beispielsweise deutlich unterhaltsamer, als sie es eigentlich sein dürften. Sie sind gekennzeichnet von wirren Stories, mäßiger Effektarbeit, bescheidenem Schauspiel und vielen weiteren Schwächen. Nüchtern betrachtet, dürften diese Filme beim Publikum überhaupt nicht funktionieren. Aber irgendwie schaffen sie es, dass sich ihre Unzulänglichkeiten nicht nur auf magische Weise gegenseitig aufheben, sondern regelrecht zu Stärken transformieren. Ganz nach dem Motto „so bad that it’s good“. Ebenfalls in diese Kategorie fällt der von Ruggero Deodato mit knappem Budget realisierte Atlantis Inferno. Deodato war zudiesem Zeitpunkt schon ein durchaus erfahrener Regisseur, der mit Werken wie Waves of Lust, Der Schlitzer oder Hercules, Prisoner of Evil bereits zahlreiche Filmgenres bedient hatte. Insbesondere sein in rund 40 Ländern verbotener Exploitation-Schocker Cannibal Holocaust gilt gemeinhin als einer der besten Kannibalenfilme überhaupt.
Mit von der Partie sind bei Atlantis Inferno u. a. Ivan Rassimov (Spasmo), Michele Soavi (Opera), Christopher Connelly (Cobra Mission) sowie Tony King (Jäger der Apokalypse). Besonders die letzten beiden scheinen viel Spaß an den Dreharbeiten gehabt zu haben, denn sie zeigen sich äußerst spielfreudig. Wer ebenso einen guten Job macht, sind die philippinischen Stuntleute, die sich im Laufe des Films für so manche waghalsige Sequenz verantwortlich zeigen. Weit weniger bemerkenswert ist das Drehbuch. Wobei dies so gar nicht stimmt. Denn erstaunlich ist es auf seine Art schon. Zumindest im Hinblick darauf, wie kurios und verwirrend die „Story“ ausfällt. Angeblich soll Deodato selbst gesagt haben, dass am Set vieles schlichtweg improvisiert wurde. Das will man ihm gerne glauben. Denn wieder und wieder stolpern wir über Momente, die nicht so recht Sinn ergeben wollen. Dabei ist es vollkommen egal, ob der Film auf Englisch oder Deutsch geschaut wird. Zwar werden im Deutschen nicht wenige Aussagen sinnentfremdet, wodurch z. B. Hintergründe verfälscht werden, allerdings ist die dargebotene Geschichte im Englischen letztendlich nicht minder abstrus.
Das mag nun erst einmal überhaupt nicht gut klingen, tatsächlich fällt dies aber absolut nicht negativ ins Gewicht. Ganz im Gegenteil. Es ist sogar so, dass entsprechende Szenen den Film tonal regelrecht unterstützen. Atlantis Inferno bietet nämlich ohnehin eine ordentliche Portion (unfreiwilliger) Komik. Da passen die zahlreichen unlogischen Momente geradezu perfekt ins Bild. Auf manche unnötig in die Länge gezogene Szene am Anfang hätte man aber dennoch gerne verzichten können. So zum Beispiel auf einen schier nicht enden wollenden Helikopterflug. Dieser dürfte dem zu kurz geratenen Drehbuch geschuldet sein, das Nachdrehs nötig machte, um den Film auf eine akzeptable Länge zu strecken. Aber keine Angst. Sobald wir die gar nicht mal so lange Exposition von Atlantis Inferno überstanden haben, geht alles Schlag auf Schlag. Doch zuvor will ein russisches Atom-U-Boot vom Grund des Meeres geborgen werden. Beim Versuch wird versehentlich das sagenumwobene Inselreich Atlantis zutage gefördert. Die Nachkommen von Atlantis sind über dieses unfreiwillige Auftauchen der Insel indes so gar nicht begeistert. Ihrem Unmut verleihen sie dadurch Ausdruck, dass sie die Bevölkerung der nächstgelegenen Stadt rücksichtslos massakrieren.
Das Erscheinungsbild der Nachkommen Atlantis‘ sieht dabei gänzlich anders aus, als man dies wohl erwarten würde. So bekommen wir Leder, Masken, Schminke, Motorräder mit teils ulkigen Aufsätzen sowie bunte Haare zu sehen. Bewaffnet sind die AtlantInnen mit Macheten, Pfeil und Bogen, Schwertern, aber auch allerlei Schusswaffen. Selbst ein Flammenwerfer ist mit von der Partie. Eben all das, was in der Postapokalypse (zumindest laut Filmen wie z. B. Mad Max 2) tagtäglich zum Einsatz kommt. Diesem Umstand dürfte es geschuldet sein, dass Atlantis Inferno wiederkehrend im Kanon der Endzeitfilme auftaucht, obwohl er de facto überhaupt nicht in der Postapokalypse angesiedelt ist. Die Entscheidung, dennoch danach aussehen zu wollen, dürfte auf den finanziellen Erfolg von Werken wie Mad Max oder Escape from New York zurückzuführen sein. Als ProtagonistInnen dienen uns bei Atlantis Inferno jene WissenschaflterInnen, die versehentlich Atlantis an die Meeresoberfläche befördert haben sowie zwei gut gelaunte Ex-Soldaten mit reichlich feschen Sprüchen auf den Lippen, die gerade zufällig mit einem Motorboot in der Nähe unterwegs waren.
Als die Gruppe an Land geht, wird ihnen gewahr, wie sehr die AtlantisianerInnen gewütet haben. Das Städtchen wurde derart in Mitleidenschaft gezogen, dass die Kulisse, passend zum Kleidungsstil der AngreiferInnen, regelrecht endzeitlich anmutet. Atmosphärisch weiß die Mischung aus verlassenen oder zerstörten Gebäuden mit einigen lodernden Feuern sowie dicken Rauchschwaden selbstverständlich absolut zu gefallen. Alles eingebettet in ein tropisches Inselsetting, von dem wir im Verkauf des Films noch deutlich mehr zu sehen bekommen werden. Schließlich sind Aufnahmen in der Natur mit weniger Kosten verbunden, was (nicht nur) italienische Regisseure erfreut. Da friedliche Annäherungsversuche unserer bunten Gruppe gegenüber den AtlantiatInnen (wenig) überraschend mit Blutvergießen beantwortet werden (ist ja nicht so, als wäre zuvor eine ganze Stadt ausradiert worden), entbrennt ein bleihaltiges Gefecht. Zeitweise erwächst daraus ein Szenario, das stark an John Carpenters Assault on Precinct 13 erinnert. Ansonsten setzt sich die Handlung über weite Strecken hinweg aus fight and flight, flight and fight sowie kill and die zusammen. Spannend ist dies zwar nicht, dafür aber höchst unterhaltsam, da es gleichermaßen kurzweilig wie actionreich zugeht.
Anspruch hat das natürlich alles keinen. Dafür aber viele Feuergefechte, die den Bodycount ordentlich in die Höhe treiben, was wiederum mit der ein oder anderen blutigen Szene einhergeht. Eine längere motorisierte Verfolgungsjagd darf ebenfalls nicht fehlen. Mit unnötigem Ballast wie Figurenentwicklung, einem Näherbringen der atlantischen Kultur, dem Erläutern von Zusammenhängen oder ganz allgemein dem Vermitteln von Hintergrundinformationen hält man sich bei Atlantis Inferno gar nicht erst auf. Die geführten Dialoge sind passend dazu meist wenig geistreich, machen aber trotzdem Spaß und stellen eine amüsante Bereicherung dar. Ähnlich gelagerter Italo-Trash wie etwa Endgame oder The Riffs - Die Gewalt sind wir wird, was das alles angeht, mühelos in die Tasche gesteckt. Unterlegt ist Atlantis Inferno mit einem herrlich stimmungsvollen Score, der mal rockiger und mal synthesizer-lastiger erklingt. Erst gegen Ende drückt Deodato (leider) etwas aufs Gaspedal, was dem Film erwartungsgemäß weniger guttut. Im Gegenzug dürfen sich die Helden dafür innerhalb eines auf der atlantischen Insel gelegenen Gebäudes, das wie eine Mischung aus futuristischem Bunker sowie im "Indiana Jones-Stil" gehaltenen Tempel anmutet, mit gewieften Fallen herumschlagen. Na, wenn das mal nix ist?!
Fazit
Wer Trashfilme liebt und sich für endzeitlich angehauchte Filme begeistern kann, ist bei Ruggero Deodatos „Atlantis Inferno“ goldrichtig. Hier ergibt zwar vieles nur wenig Sinn, aber bei all den umherfliegenden Kugeln hat man meist sowieso keine Zeit, um nach der Logik zu fragen. Vielmehr ist es sogar so, dass gerade manches Logikloch den Spaßfaktor des ohnehin schon (unfreiwillig) amüsanten Films noch in die Höhe treibt. Wer für Quatsch allerdings nichts übrig hat, sollte von einer Sichtung vielleicht besser Abstand nehmen. Denn in dem Fall kann selbst das zumeist hohe Tempo des Films nichts mehr rausreißen und Frust ist quasi vorprogrammiert.
Autor: Constantin Wieckhorst