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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Drei Menschen, die vom Weg abgekommen sind, treffen mit schicksalhafter Zufälligkeit aufeinander: Thomas (Benno Fürmann), jung, stark, wortkarg, ein ehemaliger Soldat, unehrenhaft aus der Armee entlassen; Ali (Hilmi Sözer), vom Leben schon ein wenig mitgenommen, aber immer noch leutselig, ein türkischer Unternehmer in Deutschland, der sich von den Betreibern seiner Imbissbuden nicht betrügen lassen will; Laura (Nina Hoss), eine Frau mit Vergangenheit, schön, aber in der Ehe mit Ali ein wenig unscheinbar geworden. Thomas, Ali und Laura hüten sich und ihre Geheimnisse voreinander. Sie suchen nach Liebe, aber ebenso sehr nach Sicherheit. Sie sind voneinander abhängig, doch das, was sie voneinander wollen, ist nur um den Preis des Verrats möglich.

Kritik

Christian Petzolds Jerichow handelt von Menschen, die innerhalb ihrer Existenzen unterschiedliche Leben führen, weil sie sich dazu gezwungen sehen. Am Anfang des Films kehrt der Soldat Thomas unehrenhaft aus dem Afghanistan-Krieg entlassen in das Haus seiner verstorbenen Mutter zurück, wo er von einem Gläubiger schon erwartet wird. Dass er im Garten Geld versteckt hat, um das Haus renovieren zu können, obwohl er angibt, nichts geerbt zu haben, fliegt schnell auf. Von einem Hieb niedergestreckt liegt er im Gras, ohne Geld, ohne Orientierung und ohne Perspektive auf ein Leben in der Heimat, in die er als wortkarger, gebrochener Mann zurückgekehrt ist. Petzold inszeniert diesen Auftakt mit unauffälliger Bestimmtheit, bei der Worte auf das Nötigste reduziert sind, während die Körpersprache und die Gesichter der Figuren das erzählen, was ansonsten unausgesprochen zwischen den Bildern flimmert. 

Der türkischstämmige Ali, den Thomas aus einer misslichen Lage rettet, bei der dieser sein Auto betrunken in eine Uferböschung gefahren hat, bietet ihm wenig später einen Job an. Nachdem er erneut von der Polizei betrunken am Steuer erwischt und ihm der Führerschein endgültig entzogen wurde, soll Thomas für Ali als Fahrer arbeiten. Ali ist der Pächter von insgesamt 45 Imbissbuden, die er täglich abfährt, um Kontrollen durchzuführen, Bestellungen aufzunehmen und abzuliefern oder Einnahmen abzukassieren. Behilflich ist ihm als Buchhalterin dabei seine Frau Laura, von der Thomas seine Augen kaum mehr abwenden kann, nachdem er die hübsche Blondine zum ersten Mal erblickt. Was folgt, ist die klassische Geschichte einer brisanten Dreiecksbeziehung, zu der Petzold durch James M. Cains Roman Wenn der Postmann zweimal klingelt inspiriert wurde. 

Auch wenn es Thomas gelingt, langsam das Vertrauen von Ali zu gewinnen, der von Natur aus äußerst misstrauisch ist und wie von Paranoia angetrieben selbst seiner eigenen Frau immer wieder nachspioniert, beginnt der Ex-Soldat eine Affäre mit Laura hinter dem Rücken seines Arbeitgebers. Dabei ist Jerichow neben der sich immer dramatischer zuspitzenden Geschichte über Geheimnisse, die die Schlüsselfiguren (zu) lange voreinander verbergen und hoffungsvolle Lebensträume, die von der bitteren Realität im Keim erstickt werden, nach Aussage des Regisseurs selbst ein deutscher Film, in den das ausgeträumt Amerikanische Einzug gefunden hat. Verlassen und wie ausgestorben wirken die Landstriche, die Petzold mit der Kamera einfängt, während die meiste Zeit über kaum andere Menschen als die zentralen drei Hauptfiguren zu sehen sind. Die weitläufigen Autobahnen, die lediglich an vereinzelten Tankstellen und Supermärkten entlang führen, erinnern an amerikanische Highways und können doch nie ihren lokalen Charakter der ostdeutschen Provinz überschatten, in der sich der Regisseur seinen vom Kapitalismus gebeutelten, seelisch verkrüppelten Individuen widmet. 

Als ebenso nüchterne wie verzweifelte Kernaussage bleibt in diesem Zusammenhang der von Laura unter Tränen geäußerte Satz in Erinnerung, dass man sich nicht lieben kann, wenn man kein Geld hat. Wie eine unheilbare Krankheit hat die finanzielle Abhängigkeit von den Figuren in Petzolds Film längst Besitz ergriffen. Von Ali, der sich als ausländischer Geschäftsmann in einem fremden Land in erster Linie durch sein Vermögen definieren muss, von Thomas, dem direkt zu Beginn von Jerichow körperlicher Schaden wegen einem Bündel Geldscheine zugefügt wird, und von Laura, die weiteren körperlichen Schaden an sich selbst verhindern will und erst spät im Film gesteht, dass das Geld als Schuldenfluch auf ihr lastet. Gespielt werden diese drei Hauptfiguren von hervorragenden Schauspielern wie Benno Fürmann (Gespenster) und Nina Hoss (Der Vulkan). Zur Höchstform läuft aber vor allem Hilmi Sözer (Das Phantom) auf. 

Der Darsteller, den viele vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Tom Gerhardt (Siegfried) in Brachialkomödien wie Ballermann 6 kennen dürften, verkörpert Ali grandios als ambivalenten, undurchsichtigen Charakter, der zwischen sanftem Zeitgenossen, bedrohlichem Psychopathen und kalkulierendem Geschäftsmann kaum wiederzuerkennen ist. Im Vergleich zur inspirierenden Romanvorlage, die auf eine mörderische Intrige zusteuert, findet Petzold hingegen zuletzt zu einer verblüffenden Wendung, die den Zwiespalt aus vergeblicher Sehnsucht und unerfüllter Liebe noch einmal auf einen besonders tragischen Höhepunkt führt. Ein finaler Knall schickt die Figuren schlussendlich abermals auf den ostdeutschen Highway, der erneut in die absolute Leere zu führen scheint.

Fazit

Mit kontrollierten Bildern, in denen die Körpersprache und die Gesichter der Figuren oftmals bewusste Leerstellen ausfüllen, erzählt Christian Petzold in „Jerichow“ auf großartige Weise und unterstützt durch fantastisch aufspielende Darsteller von drei Menschen, die in der kalten Realität des Kapitalismus schicksalshaft zusammengeführt werden. Die daraus entstehende Dreiecksbeziehung nutzt der Regisseur für eine Studie von Individuen, die selbst in gemeinsamen Momenten voneinander isoliert zu sein scheinen, während die titelgebende Stadt in Sachsen-Anhalt als Sinnbild für geplatzte Lebensträume und desillusionierende Realitäten fungiert.

Kritik: Patrick Reinbott

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