Greenland war eine Überraschung. Kein durchweg positive, die dafür sorgte, dass der Film einen überwiegend dafürsprechenden Status erreichte. Es hatten einfach nur die wenigsten damit gerechnet, dass es in dem Werk von den Machern von Angel Has Fallen gar nicht mal so viel Krawall gibt und sie sich durchaus Mühe gegeben haben, die Frage, was nach einer verheerenden Katastrophe wie einem interstellaren Kometeinschlag passiert, durchaus ernst zu nehmen. Dass Kandahar, der neue Film von Regisseur Ric Roman Waugh sowie Darsteller Gerard Butler nun auch erneut einige verdutzen wird, sollte also gar nicht mehr so verwunderlich sein. Wobei die Produktion im Marketing durchweg als knallharter Actionreißer beworben wird.
Doch davon ist die bislang dritte Zusammenarbeit zwischen dem RocknRolla und dem früheren Stuntman weit entfernt. Die Geschichte eines CIA-Agenten, dessen Tarnung auffliegt und der sich mithilfe eines Dolmetschers in die titel gebende afghanische Stadt retten muss, funktioniert wesentlich besser als Spionage- und Überlebensdrama, statt als Actionfest. Das soll nicht heißen, dass es keinerlei Action zu bestaunen gibt. Doch die wirkt weitestgehend mehr zweckmäßig. Selbst wenn ein ganzer Helikopter aus dem Himmel geholt wird, sind diese Momente stets weit entferne von Eskapismus und Epik. Kandahar ist die meiste Zeit sehr geerdet sowie bodenständig. Die Action erscheint wie eine Pflichterfüllung. Das Ergebnis ist ausreichend, dient letztlich aber nur dazu, Erwartungshaltungen rudimentär und zielstrebig zu erfüllen.
Im Kern geht es Ric Roman Waugh und seinem Star und Mitproduzenten Gerard Butler um etwas anderes. Ihnen geht es nicht darum, eine normative Heldengeschichte zu erzählen. Stattdessen sind sie sehr ausgiebig an Graustufen interessiert. Denn in Kandahar gibt es wenn nur eine einzige Figur, die sich wirklich als Held eignet und das ist der von Navid Negahban (The Old Man) gespielte Dolmetscher Mohammed, genannt Mo. Alle anderen Charaktere sind wie Marionetten von größeren, mehrheitlich nie wirklich sichtbaren Puppenspielern. Ob nun Militär, Revolutionsgarde oder Geheimdienst, das Script von Mitchell LaFortune macht sehr deutlich, dass niemand wirklich eine weiße Weste hat. Niemand kämpft wirklich für das Gute. Jedes Scharmützel dient nur für das eigene Überleben und etwaigen Raumgewinn für höhere Mächte, die Menschen nutzen als wären diese Bauern auf einem Schachbrett. Es ist eine zutiefst pessimistische Sicht auf Weltmächte und ihre Mechaniken. Mechaniken, die der Film ohne großes Zucken im Pulverfass zwischen Iran, Pakistan und Afghanistan spielen lässt. Dabei ist er manchmal erstaunlich aktuell (etwa wenn die Taliban versuchen moderner zu wirken), hier und da schießt er aber auch mal am Ziel vorbei.
Vor allem mit Darsteller Ali Fazal als Killer Kahil. Besteht Kandahar meist auf athenischen Impressionen, wirkt Kahil wie ein Fremdkörper, wenn er mit seinem schwarzen Motorrad durch die Wüste fegt, bei einem Treffen mit Islamisten Dating-Apps benutzt oder in der Wüste einem Kind empfiehlt, den Koran zu lesen. Diese Figur wirkt wie aus einem anderen, einen weit aus exploitieren Film entnommen und fügt sich nie so richtig in die Grundstimmung ein. Auch wenn nicht verschwiegen werden sollte, dass Ali Fazal (Tod auf dem Nil) durchaus ausdrucksstark ist und der dadurch klar aus dem Portfolio der Figuren heraussticht, zu denen auch der aus Vikings bekannte Travis Fimmel gehört. Das Script überlädt die Geschichte regelrecht mit Personen und Parteien. Das lässt erahnen, welche Schwierigkeiten es im Konflikt in Afghanistan gibt, doch für den Film an sich ist das einfach zu viel und die Inszenierung tut sich merklich schwer eine funktionierende Gewichtung zu finden.
Da tauchen schon mal Figuren auf, die unheimlich wichtig erscheinen, nur um sie nach 20 Minuten regelrecht zu vergessen und sie dann kurz vorm Abspann in die eh aus allen Nähten platzende Gesamthandlung zurück zu integrieren. Das ist alles lieb gemeint, tut der Erzählung aber nicht gut. Ein wenig Entschlackung wäre eine wohlwollende Politur gewesen. Es bleibt aber dabei, dass der Film im Kontext zu dem, was erwartet wurde und welchen Ruf sich vor allem Gerard Butler in den letzten Jahren erlangt hat, eine wirklich positive Überraschung ist.
Abschließend noch ein paar Worte zu Gerard Butler. Der gute Mann hat einfach eine Leinwandvisage. Vollbärtig, verschwitzt und mit Furchen im Gesicht, besitzt er frühere Schönling mittlerweile eine wirklich tolle Patina aus Alter, Erfahrung und Testosteron. Er passt einfach zu diesen B-Movies, die kurz davor sind, die Schwelle zur DVD-Premiere zu durchbrechen. Sind das Werke für die Ewigkeit? Bestimmt nicht. Aber es sind Filme wie Plane oder jetzt eben Kandahar, die zeigen, wie wohltuend es sein kann, dass es auch Produktionen zwischen hoch budgetierten Milliardengeschäften und einzig und alleine für Grabbelkisten erstellten DVD-Ramsch geben (muss und) sollte.