Inhalt
Der arbeitslose Ex-Soldat (und einstige Auftragskiller) Jay und seine Frau Shel haben Geldsorgen, unter denen die junge Ehe zu zerbrechen droht. Bei einem gemeinsamen Abendessen macht sein bester Kumpel Gal (ebenfalls Auftragskiller) Jay ein Angebot, das die finanzielle Situation der Familie entscheidend verbessern könnte: drei weitere “Hits”, die der Auftraggeber geradezu fürstlich entlohnt. Jay merkt schnell, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Todesliste handelt; und als sich bei einer Zielperson eine Kiste mit Snuff-Filmen findet, gerät seine Welt aus den Fugen und trudelt unaufhaltsam in den Untergang.
Kritik
Mit Ausnahme des unsäglichen Hitchcock-Remake Rebecca hat sich der britische Filmemacher Ben Wheatley in den letzten Jahren dank Filmen wie Sightseers, High-Rise oder A Field in England einen durchaus guten Ruf erarbeitet. Der Durchbruch gelang ihm bereits 2011 mit seinem zweiten Spielfilm Kill List, welcher sich zum echten Independent-Geheimtipp entwickelte. Er stieß dabei allerdings hier und da auch auf Unverständnis und zwiespältige Meinungen. Wobei das eigentlich nur dafür spricht, dass man es hier mit einem Werk zu tun bekommt, dass einiges an Diskussionspotential bereithält und sehr wohl einen Bruch der vermeidlich an ihn gesteckten Erwartungshaltung bewusst in Kauf nimmt; sogar ziemlich deutlich forciert.
Die Ehe von Jay (Neil Maskell, Die Mumie) und Shel (MyAnna Buring, The Descent – Abgrund des Grauens) steckt in einer schweren Krise. Die Streitigkeiten werden immer zahlreicher und heftiger. Hauptgrund dafür ist die Antriebslosigkeit von Jay und die damit einhergehende Existenzangst. Der Ex-Elitesoldat verdiente sich seit dem Militärdienst sein Geld als Auftragskiller, gemeinsam mit seinem besten Freund Gal (Michael Smiley, Rogue One: A Star Wars Story). Bis zu einem traumatischen Auftrag in Kiew vor 8 Monaten. Was auch immer dort geschehen ist, es hat tiefe Spuren bei Jay hinterlassen, der seitdem keinen Job mehr angenommen und somit auch kein Geld mehr mit nach Hause gebracht hat. Nachdem bei einem Pärchen-Abend die Lage eskaliert, bietet Gal seinem Kumpel einen Job an. Gemeinsam sollen sie für finanzstarker Hintermänner drei Menschen töten. Warum ein Priester, ein Bibliothekar und ein Politiker sterben sollen, wissen sie nicht und interessiert sie auch gar nicht. Nur das Geld steht im Vordergrund. Jay nimmt notgedrungen an – und verliert zusehend die Kontrolle.
Kill List ist ein, im besten Sinne, wahrhaft unangenehmer Film. Schon zu Beginn geprägt von einer angespannten, brodelnden Atmosphäre, die wie die Ruhe vor einem Sturm wirkt, an dessen Ende nur noch Leid und Verwüstung stehen kann. Ben Wheatley konzentriert sich zunächst sehr auf die Charakterzeichnung seiner Hauptfigur und schafft somit ein Verständnis für deren ausweglos scheinenden Lage, obgleich er nur so viele Informationen liefert wie zwingend erforderlich. Dabei erzeugt er nicht unbedingt Sympathie für ihn, darum geht es auch gar nicht. Das Publikum soll Jay nicht mögen, nicht gutheißen was er tut, nur sein Handeln aus seiner Perspektive nachvollziehbar machen. Das gelingt, aber noch viel entscheidender ist, dass dabei trotzdem eine Bindung zu dieser schwierigen und alles andere als liebenswerte Figur entsteht, was immens wichtig für den weiteren Verlauf der Handlung wird. Inwiefern sich das entlädt, darf an dieser Stelle auf keinen Fall verraten werden. Zu sehr stellt Ben Wheatley das Geschehen zum Finale hin auf den Kopf und erschafft damit einen beinah nihilistischen Genre-Hybriden, dessen rohe Kompromisslosigkeit einen bis ins Mark erschüttert. Nicht nur aufgrund seiner verblüffenden Wendungen, sondern bereits lange vorher. Kill List erweist sich unter diesem Aspekt nicht nur als reine, ungemein bösartige Genre-Kost. Ihm gelingt eine durchaus vielschichtige Metapher über toxische Beziehungsgeflechte, unterdrückte Traumata und daraus resultierende, ekstatische Gewalteruptionen, die ihren Höhepunkt in einem wahrhaft albtraumhaften Schlussspurt finden, dessen purer Zynismus einem heftigen Schlag in die Eingeweide gleichkommt.
Fazit
Mit minimalem Aufwand zelebriert Ben Wheatley einen verstörenden wie knüppelharten Höllenritt, der gekonnt mit Erwartungshaltungen spielt und einem mit seiner kompromisslosen Vorgehensweise ein ums andere Mal eiskalt erwischt. Eine echte Perle, die nicht umsonst ihre Schöpfer zum neuen Hoffnungsträger im Genre-Bereich werden ließ. Und trotz einiger Achtungserfolge muss man bis jetzt feststellen: so radikal und effizient wie hier war er seitdem nicht mehr.
Autor: Jacko Kunze