6.7

MB-Kritik

Kleine Morde unter Freunden 1994

Crime, Thriller – UK

6.7

Kerry Fox
Christopher Eccleston
Ewan McGregor
Ken Stott
Keith Allen
Colin McCredie
Victoria Nairn
Gary Lewis
Jean Marie Coffey
Peter Mullan
Leonard O'Malley
David Scoular
Grant Glendinning
Victor Eadie
Robert David MacDonald
Frances Low

Inhalt

Die Krankenschwester Juliet, der Buchhalter David und der Journalist Alex suchen für seine WG einen vierten Mitbewohner. Die Drei entscheiden sich für den mysteriösen Hugo, den sie am nächsten Tag prompt nach einer Überdosis tot in seinem Zimmer finden - einen Koffer voller Geld neben ihm. Nach langem Hin und Her beschließen sie, das Geld zu behalten und die Leiche zu vergraben. Weil dies leichter gesagt als getan ist, wird in der Folge die WG-Freundschaft auf eine mörderische Probe gestellt.

Kritik

Mit einer rasanten Kamerafahrt durch die Straßen von Glasgow (obwohl der Film eigentlich in Endinburgh spielen soll), unterlegt von treibenden Technobeats von Underworld, beginnt der spätere Oscar-Preisträger Danny Boyle (Slumdog Millionär) sein Spielfilmdebüt Kleine Morde unter Freunden, sehr vergleichbar zu seinem direkt darauffolgenden Durchbruchs-Films Trainspotting – Neue Helden, obgleich sie in der Folge eine völlig andere Ausrichtung nehmen sollen. Denn statt einer - trotz all dem offensiv zur Schau getragenen Sarkasmus - lebensbejahenden Antithese eines Lost Generation-Portraits, ist dies eine kleiner, perfider Thriller mit deutlichen Hitchcock-Anleihen, der aber auch schon die Schattenseiten der ach so smarten und unkonventionellen Generation X süffisant beleuchtet und damit ihre unreflektierte Selbstgerechtigkeit bitterböse bloßstellt.

Vertreten wird diese 90er-Hipster-Schicht durch die kesse Jungärztin Juliet (Kerry Fox, Intimacy), den arroganten Zeitungsjournalisten Alex (Ewan McGregor, Christopher Robin) und den vergleichsweise eher spießigen (aber dadurch besonders in "Zugzwang" stehenden) Buchhalter David (Christopher Eccleston, 28 Days Later), die einen vierten Mitbewohner für ihre WG suchen. Das Auswahlverfahren gleicht mehr einer Casting-Show, bei der die potenziellen Bewerber*innen alle der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Damit wird das Trio als nicht gerade sympathisch, in ihrem Wesen aber schon sehr präzise dargestellt: alles ein großer Spaß, solange niemand dafür die Konsequenzen tragen muss. Bis sich Juliet spontan für den mysteriösen Hugo als neuen Mitbewohner entscheidet. Dieser überlebt aber nicht mal die erste Nacht aufgrund einer Überdosis. So weit, so lästig und all das wäre für die drei auch nicht mehr als ein verplemperter Nachmittag wert, wenn da nicht das inspizierte Gepäck wäre. Dort finden sie eine exorbitante Summe Bargeld. Genug, um Hugo einfach so verschwinden zu lassen. Doch dafür müssen nun wirklich mal Taten folgen und vor allem sollten deren Auswirkungen gründlich überdacht werden. Nun, das Eine fällt ihnen schon schwer genug, dass das Andere diesbezüglich nur ganz gewaltig in die Hose gehen kann, muss wohl kaum erwähnt werden…

Nicht umsonst werden die Protagonisten*in bereits zu Beginn als überhebliche und herablassende Arschgeigen dargestellt, die zwar meinen sich aufgrund ihrer gehobenen Bildung über andere hinwegsetzen zu können, gleichzeitig aber in ihrem Leben auch noch nichts erreicht haben, dass sie auch nur annährend abgesichert hat. So wird ihre Motivation verständlich, aber noch viel mehr entsteht eine moralisch entscheidende Komponente: das Publikum sieht das drohenden Unheil kommen (ein klassischer Hitchcock), allerdings erhofft es nicht, dass sie das unbeschadet überleben. Ihr verdorbenes und egoistisches Handeln muss zu einer Bestrafung führen und das diese erfolgen wird, verwandelt sich zum eigentlichen Spannungspunkt des Plots. Nicht das Was, sondern das Wie und Wodurch überschattet die Handlung, die ab einem gewissen Punkt schon auserzählt sein könnte, ab dann aber erst richtig Fahrt aufnimmt. Dies geschieht mit einer für eine Debütwerk überraschenden Abgebrühtheit, die ansatzweise an den Debütfilm der GebrüderCoen (Blood Simple) erinnert. Am Ende fehlt es sicherlich noch am gewissen Feinschliff, denn diverse Momente hätte man noch etwas subtiler und eleganter regeln können, nichtsdestotrotz verblüfft ein bescheidenes Erstlingswerk wie Kleine Morde unter Freunden schon durch ein feines Gespür für Figuren- und Plotentwicklung, sowie eine gekonnte Inszenierung, die Danny Boyle – wie seine Hauptdarsteller*innen - auch für den großen Markt interessant machte.

Fazit

An Moral und Freundschaft hängt ein Preisschild, sobald die Summe nur groß genug ist. Ein kleiner, fieser und entlarvender Thriller über verkorkste Empathie, Gier und Paranoia, versehen mit einem sarkastischen Unterton auf die heuchlerische Identität einer angeblich so smarten Generation von Wannabes. Ein moderner Hitchcock von einem der (einst) besten Regisseure seiner Generation.

Autor: Jacko Kunze
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