Inhalt
Édouard Manet pries ihn als „Maler aller Maler“, Salvador Dalí nannte ihn den „Ruhm Spaniens“ und Pablo Picasso widmete seinem „großen Idol“ eine eigene Gemäldereihe – aber wer war Diego Velázquez (1599-1660) wirklich? Mit „Die Hoffräulein“ schuf der Hofmaler des spanischen Königs eines der einflussreichsten Gemälde aller Zeiten, malte Porträts der royalen Familie, des Papstes, aber auch des einfachen Volkes und hinterließ ein über 200 Gemälde umfassendes Lebenswerk. Trotz dieser Prominenz bleibt Vieles um Velázquez bis heute nebulös. Woher stammt seine unerreichte Beherrschung von Licht und Schatten, die seinen barocken Porträts subtile Töne und eine lebendige Atmosphäre gibt, und die erst ein Jahrhundert später im Impressionismus salonfähig wurde? Wie verlieh er seinen Porträts diesen beispiellosen Realismus?
Kritik
Diego Velázquez gilt als einer der bedeutendsten Maler des spanischen Goldenen Zeitalters. Mit Werken wie Las Meninas oder seinen eindringlichen Porträts am Hof von König Philipp IV. hat er Kunstgeschichte geschrieben. Seine meisterhafte Behandlung von Licht, sein realistischer Blick auf Macht und Menschlichkeit sowie sein Einfluss auf nachfolgende Generationen von Künstlern – von Goya über Picasso bis Bacon – machen ihn zu einer Schlüsselfigur der Malerei. Ein Film über diesen Giganten der Kunst sollte daher nicht nur informieren, sondern auch die Leidenschaft für seine Bildsprache entfachen.
Genau hier liegt jedoch das Problem von Das Geheimnis von Velázquez von Regisseur Stéphane Sorlat. Die Dokumentation, im Original gesprochen von Titane-Darsteller Vincent Lindon, richtet sich fast ausschließlich an Zuschauerinnen und Zuschauer, die bereits eine tiefe Faszination für Velázquez mitbringen. Für ein unvorbereitetes Publikum erweist sich der Zugang dagegen als überaus schwierig. Fakten, Zitate und kunsthistorische Analysen werden zwar in großer Fülle präsentiert, doch der Tonfall bleibt durchweg trocken, beinahe akademisch. Leidenschaft oder ein Funken Inspiration sind kaum zu spüren.
Inszenatorisch zeigt sich der Film erstaunlich konventionell. Längere Passagen mit Experteninterviews, nüchterne Bilder von Gemälden und ein Erzählrhythmus, der selten variiert, lassen die Darstellung bieder und altmodisch wirken. Was als Reise durch Leben und Werk eines visionären Künstlers gedacht ist, verkommt so zu einer didaktischen Darbietung, die eher an eine Unterrichtsstunde erinnert als an ein Kinoerlebnis. Dass gerade ein so kraftvoller Maler hier ohne emotionale Resonanz bleibt, ist bedauerlich.
Einige Momente lassen immerhin erkennen, welche Dimension Velázquez’ Werk tatsächlich besitzt. Wenn etwa Regisseur und Maler Julian Schnabel (Schmetterling und Taucherglocke) von seiner persönlichen Begegnung mit den Gemälden erzählt oder Archivmaterial von Francis Bacon zeigt, wie stark er sich an Velázquez abarbeitete, dann blitzt die Größe des Künstlers auf. Diese Einschübe wirken wie kleine Fenster in eine faszinierende Welt, die der Film insgesamt jedoch kaum zu öffnen vermag. Statt Leidenschaft bleibt nüchterne Bewunderung auf Distanz.
Für Kenner und Kunstinteressierte mag Das Geheimnis von Velázquez dennoch von Nutzen sein. Wer bereits mit der Bedeutung des spanischen Malers vertraut ist und Lust hat, bekannte Fakten aus kunsthistorischer Perspektive noch einmal aufbereitet zu sehen, könnte hier einige Anregungen finden. Für ein breites Publikum, das vielleicht zum ersten Mal mit Velázquez in Berührung kommt, bietet der Film allerdings kaum einen Grund, sich auf die eher spröde Präsentation einzulassen.
Fazit
Eine spröde Dokumentation, die vor allem Kennern etwas bietet, während ein allgemeines Publikum kaum Zugang findet, da "Das Geheimnis von Velázquez" große Kunst eher trocken als begeisternd vorstellt. Anders ausgedrückt: Schulstoff aufbereitet fürs Kino.
Autor: Sebastian Groß