Inhalt
Drei junge Menschen im Großstadtdschungel. Ein lockenköpfiger Spanier, eine bildhübsche Belgierin und ein geheimnisvoller Fremder suchen in der vibrierenden Szene Ost-Londons nach dem Vater, dem schönsten Liebeslied, dem Mann bzw. der Frau fürs Leben. Vera ist an die Themse gekommen, um ihre letzte Liebe zu vergessen, Axl will den Papa zur Rede stellen. Beide finden in einem Haus voller ausgelassener Künstler Unterschlupf, wo Musik den Alltag bestimmt und verrückte Partys gefeiert werden.
Kritik
Axl (Fernando Tielve) kann sich nicht erinnern. Nicht an seinen Vater, der ihn vor Jahren verließ und nicht an die letzte Nacht, die er wieder in einer anderen Wohnung verbrachte. In London sucht der junge Spanier seinen Vater. Was der Mittelpunkt von Alexis Dos Santos Figurenensemble findet, sind ein unterhaltsamer Haufen anderer rastlosen Menschen. Vera (Deborah Francois) ist aus Belgien gekommen, um in London eine unerfüllte Liebe zu vergessen und bei der Gelegenheit vielleicht eine neue zu finden. Dafür hat sie einen gedankenvollen Fremden ins Auge gefasst. Zwar haben beide geschworen keine persönlichen Details auszutauschen, aber er heißt wie ein Comicheld: Röntgen-Man (Michiel Huisman). Wenn man der Melange aus Situationskomik, Ironie und nachdenklichen Tönen etwas vorwerfen muss, dann das nie ein Satz fällt wie: „Mit meinen Röntgenstrahlen werde ich euch besiegen, Schurken!“ Die Londoner Nächte ziehen die drei chaotischen Protagonisten in einen Strudel aus Musik, Alkohol und Vergessen.
Eines Nachts treffen sie in der quirligen Wohngemeinschaft von Mike (Iddo Goldberg) aufeinander. Zwischen Komödie, Musikfilm und Romanze wandelt seine Episodengeschichte ziellos umher wie die Figuren durch das schummerige Setting. Ihnen bei der schlafwandlerischen Odyssee zuzusehen bringt sicher keine tiefere Erkenntnis, dafür aber Spaß und einige Aussprüche, die man gerne wiederholen wird. „Ich denke, es ist okay, ein Buch im falschen Regal stehen zu haben.“Aufatmen! Solche Bemerkungen verknüpft Dos Santos auf kuriose Weise mit einem kleinen Stück Lebensweisheit, was seine Tragikkomödie stets vor der Trivialität bewahrt. Die Bücher im falschen Regal, sagt Vera, gäben den Leuten die Chance, etwas Unerwartetes zu entdecken. So wie Vera über Bücher scheint der Regisseur und Drehbuchautor über Filme zu denken. Diese durchwachten Nächte und das Flair der Großstadt sind das pulsierende Zentrum der Handlung. Die Szenerie lockt mit Unangepasstheit und pittoresker Verranztheit. Darin treiben sich vier junge Erwachsenen aus unterschiedlichen Ländern herum und lassen sich treiben.
Alle sind sie auf der Suche, doch wonach genau, wissen sie nicht wirklich. Macht nichts, ihre Aktionen und Konversationen sind trotzdem vergnüglich und vermitteln oftmals das Gefühl, direkt mit dabei zu sein statt – wie es oft in blank polierten Standardkomödien der Fall ist – außen vor. Ein wenig nervig wird es nur, wenn Dos Santos bekannte literarische Zitate umformuliert und als eigene Weisheit ausgibt. Jeder Mensch sei für ihn wie ein Planet, sagt Vera über ihren Partner. Zwei Planeten könnten nie einer werden. Das stand schon bei John Donne, der schrieb: No man's an island. Liebe wird freundschaftlich geteilt, zu zweit oder mehreren. Zuneigung ist unbeständig und Unzufriedenheit unbestimmt. Aber eines steht dafür fest, nämlich das ein bisschen traurig gucken chic ist. Droht die dünne Handlung sich gänzlich aufzulösen, wird ein Song eingespielt. Die Konflikte der Figuren driften in solchen Momenten weit weg und scheinen bedeutungslos zu werden. Am Ende bleiben einige Handlungsstränge in der Luft hängen. Doch zu einem Film mit diesem Titel hätte wohl ein zu aufgeräumter Ausgang gar nicht gepasst.
Fazit
Die Story versinkt im verlockenden Halbdunkel der Bars und nächtlichen Straßen. Nichts gewinnt scharfe Konturen, auch nicht die Motive und Ziele der Protagonisten. Trotz kleiner Schwächen ein formidabler Film für Nachtschwärmer.
Autor: Lida Bach