7.5

MB-Kritik

Die letzte Nacht in Mailand 2023

Drama, Thriller

7.5

Pierfrancesco Favino
Linda Caridi
Antonio Gerardi
Francesco Di Leva
Martin Francisco Montero Baez
Fifi Wang
Carlo Gallo
Mauro Milone
Katia Mironova
Mauro Negri
Chandra Vivian Perkins
Fabrizio Rocchi
Camilla Semino Favro
Yang Shi
Edoardo Spina
Ilaria Matilde Vigna

Inhalt

Der Polizist Franco Amore hat in seinen ehrenvollen 35 Dienstjahren kein einziges Mal auf einen Menschen geschossen. Doch in der Nacht vor seiner Pensionierung wird seine Welt auf den Kopf gestellt. Oder hat sich sein Umfeld inzwischen so sehr verändert? Amores Frau weiß sehr viel besser als er, dass man im Leben Kompromisse machen und mitunter schwere Entscheidungen treffen muss.

Kritik

Weit spannender als der glatt polierte Plot Andrea Di Stefanos (The Informer) temporeichen Thrillers ist dessen desillusionierte Dekonstruktion einer Exekutive, deren professionelle und private Integrität ökonomische Zwänge aushöhlen. Titelcharakter Franco Amore (Pierfrancesco Favino, Nostalgia) ist so ein Aushängeschild der Mailänder Polizei, für die er seit 35 Jahren im Dienst ist. Trotzdem chauffiert er mit seinem langjährigen Kollegen (Francesco Di Leva, Ein ruhiges Leben) sogar während der Dienstzeiten die kleinkriminelle Verwandtschaft seiner jungen Gattin Viviana (Linda Caridi, Nome di Donna). Das bringt natürlich Ärger. 

Selbiger kommt ausgerechnet in Francos letzter Nacht vor der Pensionierung, die seine Kolleg:innen und Viviana in der Eröffnungsszene feiern. Da steckt gewaltscheue Gesetzeshüter, der während seiner gesamten Laufbahn nie eine Schuss gefeuert hat, bereits bis zum Hals in einem blumigen Schlamassel. Selbiges gefährdet nicht nur seine Pension, die zu verlieren für den Vater einer erwachsenen Tochter bereits fatal wäre. Der wirtschaftliche und physische Tod liegen nah beieinander in der auf eine Nacht konzentrierten Handlung.

Letzte umgeht ihre selbstgesetzten Zeitvorgaben mittels Rückblenden, die bisweilen zu schnell fehlende Teile des präzise gestochenen Puzzles liefern. Nach diesem Muster wird auch der pragmatische Grundsatz des im Herzen idealistischen Sittengemäldes verbal eingehämmert: Geld ist des Teufels Bruder. Und der angekratzte Held zwingt nicht als Einzigen akuter Mangel daran zum Überdenken seiner Prinzipien. Die, an denen er trotz allem festhält, gelten als Schwäche in einer sozialdarwinistischen Filmwelt, in der die Arbeiterklasse buchstäblich ums Überleben kämpft.

Fazit

Auch wenn sich das systemkritische Potenzial in Andrea Di Stefanos kompetenten Korruptionskrimis nie vollends entfaltet, steigert es die psychologische Komplexität und Dynamik der Figuren. Allerdings gilt das nur für die männlichen Akteure der stringenten Story. Diese verrät ihren eigenen Underdog-Ethos nicht nur mit der eine Spur zu edlen Hochglanz-Optik, sondern vor allem einer Tendenz zu chauvinistischen und rassistischen Stereotypen. Auch das Narrativ eines kriminogenen Kapitalismus ist geneigt, das klassistische Vorurteil einer kriminalitätsanfälligen Unterschicht zu bestätigen.

Autor: Lida Bach
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