5.0

MB-Kritik

Musik 2023

Drama

5.0

Aliocha Schneider
Agathe Bonitzer
Marissa Triandafyllidou
Argyris Xafis
Frida Tarana
Ninel Skrzypczyk
Miriam Jakob
Wolfgang Michael
Stamatis Baknis
Eleni Chalastani
Konstantinos Lainas
Giannis Trouboukis

Inhalt

In einem nächtlichen Sturm wird ein neugeborener Junge geborgen. Sanitäter Elias bringt ihn zu seiner Frau, die beiden nennen ihn Jon und ziehen ihn auf. Als junger Mann wird Jon überfallen und macht sich des Totschlags schuldig. Das Opfer ... Die Gefängnisbeamtin Iro und er werden ein Paar.

Kritik

Es ist Teil des Bildungsbürgerkinos, dessen selbstfixierten Manierismus Angela Schanelec (Marseille) mit ihrem filmischen Schaffen quintessential verkörpert, dass es sich selbst erklärt. Es soll ja nicht passieren, dass die Zielgruppe arrivierter Akademiker:innen sich düpiert fühlt, weil sie die Abfolge maximal stilisierter Szenen, die voll Pathos in die Landschaft oder oder ins Leere starrenden Figuren sowie die entweder minimalistisch reduzierten oder sich im Wortschwall ergießenden Monologe nicht versteht. Immerhin guckt ja niemand das hier zum Spaß.

Dramatik, Spannung, mitreißendes Schauspiel und visueller Genuss, von all dem ist auch im jüngsten Werk der Hauptvertreterin der Berliner Schule nichts vorhanden. Genauso wenig Humor. Wobei sich die Autorenfilmerin womöglich köstlich amüsiert beim Gedanken, dass sie als Berlinale-Dauergast dort dieses Jahr sicher wieder einen Preis einheimst. Die sich in phlegmatischen Positur-Szenen unendlich zäh voran quälende Geschichte orientiert sich diesmal am Ödipus-Mythos, was bereits die Synopsis verrät. Selbst das Bisschen Literaturkenntnis wird den Zuschauenden somit abgesprochen.

So kann also niemand an den zu Beginn stets blutigen Füßen des Hauptcharakters (Aliocha Schneider, Vampires) herum interpretieren, oder am Vornamen seiner Partnerin und Kindesmutter Iro (Agathe Bonitzer, Comme une actrice) oder Schlüsselworten wie „Spiegel“ und „Traum“. Die Verlagerung der Griechischen Tragödie in die biedere Beschaulichkeit des gutbürgerlichen Milieus ist geradezu aberwitzig in seiner ironiefreien Selbstverklärung. Dennoch ist diese Überhöhung der eigenen bourgeoisen Belange zur konservativ-kleinbürgerlich definierten Höchstform der Weltdramatik die konsequente Fortsetzung der filmischen Vollendung akademischer Arriviertheit.

Fazit

Die überwiegend klassischen Kompositionen, die Angela Schanelecs eklektische Etüde mal aus dem Off begleiten, mal direkt von den Akteur:innen vorgetragen durchschwingen, sind das einzig Kunstvolle an einer Inszenierung, gelähmt von lethargischer Langsamkeit, toter Theatralik und selbstzweckhafter Stilisierung. Beraubt aller dramatischen und szenischen Kraft, bietet der klassische Stoff dem Cast kaum Ausdrucksmöglichkeiten. Ihre maskenhaften Minen dienen als Folie hineinprojizierter Tiefgangs. Davon ist die abstrakte Adaption, deren heteronormative Strukturen queerphobe Ausscherer festigten, denkbar weit entfernt.

Autor: Lida Bach
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.