Wenn in einem gottesfürchtigen Western-Kaff Alkohol, Prostitution und Glücksspiel verboten werden, ist das scheinbar ein Segen. Nur der Totengräber Patrick sieht aufgrund des Leichenmangels seine Existenz bedroht und ist deshalb nicht ganz unglücklich, als mit dem finsteren Dutch Albert wieder Gesetzlosigkeit in das Örtchen einreitet. Als der Bösewicht und seine Schergen jedoch immer näher an seine Familie heranrücken, muss Patrick eine verhängnisvolle Entscheidung treffen: Entweder er nimmt weiterhin das Blutgeld an, das er verdient, um die Opfer des Mörders zu bestatten. Oder er lässt Blei sprechen.
Die Stadt Garlow befindet sich in der eisernen Hand der Kirche. Pike, der hiesige Reverand (Danny Webb, Residue), hat den Sheriff (Tim Ahern, …denn zum Küssen sind sie da) durch seine christliche Doktrin weitestgehend wirkungsunfähig gemacht und hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit für wertlos erklärt. Garlow soll ein leuchtendes Beispiel für ganz Amerika darstellen, eine wahrhaft gottesfürchtige Gemeinde, in der Gewalt, Alkohol und Prostitution zur Sünde erhoben wurden – und wer sich blasphemisch verhält, ist hier nicht länger willkommen. Dass es sich hierbei natürlich nicht wirklich um den Himmel auf Erden handelt, beantwortet Never Grow Old gleich in seiner ersten Einstellung: Eine zerfledderte Amerikaflagge weht dort trostlos vor sich hin. Ein Bild wie eine bittere Vorwegnahme der Einsicht, die den Bestatter Patrick Tate (Emile Hirsch, Killer Joe) noch einholen wird.
Dieser nämlich hat sich als irischer Einwanderer auf die sich allseits verbreitende Mär des amerikanischen Traumes verlassen und ist in Garlow auf eine neue Heimat gestoßen, die ihn nur dann als vollwertiges Mitglied akzeptiert hat, nachdem er zum Christentum konvertiert ist. Die moralische Zwickmühle für Patrick aber offenbart sich an einer ganz anderen Stelle: Wie soll er als Bestatter an das nötige Geld gelangen, um seine Familie zu versorgen, wenn sich die Gegebenheiten an diesem Ort gegen jede Form von Mord, Gier und Vergnügen aussprechen. Wen soll er begraben? Man könnte es als Wink des Schicksals begreifen, dass alsbald drei berittene Outlaws, angeführt von Dutch Albert (John Cusack, Maps to the Stars), in die Stadt einkehren und den Saloon wieder richtig auf Vordermann bringen: Feuerwasser, Huren, Schießereien.
Regisseur und Drehbuchautor Ivan Kavanagh (The Canal) lässt aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Zeichen hier auf eine Katastrophe deuten. Eine Katastrophe, die zwangsläufig durch das Duell zwischen Patrick und Dutch besiegelt wird. Einen klassischen, allen Konventionen verpflichteten Western aber bekommt man mit Never Grow Old trotzdem nicht geboten. Vielmehr versucht sich Kavanagh daran, ein greifbares Gefühl für das Amerika Endes des 19. Jahrhunderts einzufangen und verabschiedet sich dabei gezielt von Siedlerromantik und Gründermythos. Der Film beschäftigt sich vor allem damit, die sich verselbstständigende, unausweichliche Wirkung von Gewalt zu beschreiben und gleicht diese immer weiter mit den Idealen eines unscheinbaren Familienvaters ab, der gleichermaßen Profiteur und Leidtragender des Blutvergießens ist. Dabei sehnt sich Patrick nur nach einem Leben abseits ständiger Existenzängste. Nach genau dem Leben, welches Amerika ihm versprochen hat.
Ivan Kavanagh gelingt es dabei außerordentlich stimmungsvoll und stilsicher, die allgegenwärtige Düsternis jener historischen Tage anschaulich zu visualisieren. Nicht nur versinkt das oftmals nebelverhangene Garlow in Schlamm und Regen. Never Grow Old setzt zudem durchweg auf eine entsättigte, erdige Farbpalette, die höchstens durch das flackernde Leuchten der Fackeln aufgehellt wird. Vor allem aber ist es natürlich der starke Auftritt von John Cusack, der das Szenario durch seine diabolische Gleichgültigkeit mit einer ungemein bedrohlichen Präsenz ausstaffiert. Sein Dutch Albert ist ein kompromissloser Manipulator – und seine ständigen Begleiter sind die alles durchdringende Angst und die kaltblütige Grausamkeit. Schön zu sehen, dass der Mann, der sich mit seiner Rollenauswahl zuletzt nicht gerade mit Ruhm bekleckern konnte, endlich wieder einen Filmemacher gefunden hat, der ihn gekonnt in Szene zu setzen weiß.
Fazit
Kein Ausnahmewerk des Genres, aber ein stimmungsvoll und stilsicher inszenierter Western, der sich weniger für die klassischen Konventionen des Genres interessiert, sondern vielmehr ein greifbares Gefühl für das Amerika Ende des 19. Jahrhunderts einfängt. John Cusack darf als kaltblütiger Manipulator endlich wieder überzeugen, während Emile Hirsch ohnehin immer eine gute Wahl ist.
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