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Quelle: themoviedb.org

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Robert Eggers NOSFERATU ist eine Geschichte von Obsession, deren alles verzehrende Leidenschaft unvorstellbares Grauen entfacht.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Robert Eggers (The Northman), ein Regisseur, dessen pedantischer Drang, ob bei dem spätpuritanischen Horrormär The Witch oder dem Seefahrergrusel The Lighthouse, auf historische Akkuratesse in Verbindung mit einer einzigartigen inszenatorischen Strenge, ihn zu einem der Aushängefiguren der gegenwärtigen Genre-Szene aufstiegen lies, greift nun zu Höherem, inzwischen sogar zu dem ganz großen Traum: Schon in der High-School inszenierte er den legendären Horror-Urtext Nosferatu, basierend auf Bram Stokers Roman Dracula, als Theaterstück und bereits nach seinem besagten Debüt The Witch verkündete Eggers entschlossen, an einer neuen Adaption des Stoffes um den finsteren, blutgierenden Graf Orlok zu arbeiten. Damals scherzte er, wie „hässlich und blasphemisch“ es sei, dass er schon am Anfang seiner Karriere sich an einen solchen Stoff wagen würde. 

Nosferatu wurde schließlich Eggers vierter Film und seine Worte sollten sich dennoch bewahrheiten: Nicht der Versuch, sondern sein Nosferatu selbst ist hässlich und nahezu blasphemisch. Jedes Frame und jede Einstellung der zu 133 Minuten aufgeblasenen Laufzeit erstickt unter Eggers Drängen auf die verzweifelte Behauptung eines Stils. Nosferatu verliert nicht nur die historische Signifikanz von Stokers Vorlage aus dem Blick, sondern lässt auch jeglichen mystischen Grusel aus vorherigen Adaptionen, allen voran natürlich F.W. Murnaus Stummfilmmeilenstein Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens, welchem Eggers in Fanboy-Allüren permanent huldigen versucht, aber sich nie gegen diesen behaupten kann, vermissen. Blutleer ist nicht nur der Vampir, sondern der Film, der ihn umgibt, das größte Grauen in Eggers Film dessen eigene Nabelschau. 

Aus was besteht besagter Stil? Nun, da wären zunächst die Massen an Nebelschwaden, die selbst Interiorszenen zu umhüllen scheinen. Tonnen an bildschönen Landschaftsaufnahmen rahmen das ländliche Deutschland des 19. Jahrhunderts. Altertümliche, graue Setbauten bevölkern jedes Bild und auf dem Weg nach Transsylvanien kreuzen tanzenden Barbaren, die auch direkt aus The Northman importiert wirken, den Weg des selbstgerechten Immobilienverkäufers Martin Hutter (Nicholas Hoult, Mad Max: Fory Road). Der Prolog, die Reise von Hutter zu dem mysteriösen Graf Orlok (Bill Skarsgard, Es) in dessen Schloss, die ihn vom heimischen Eheleben in die eiskalte Höhle des Blutsaugers bringt, betont jenes immenses Worldbuilding in seinem Exzess und exorbitanten Detailtreue. Eggers Arbeit wird jeden Historien- und Gothicfan zufrieden stellen, aber dennoch an der wichtigsten Frage scheitern: Wozu? Wozu eine Ausstattungsshow sondergleichen abhalten, wenn die klaffende Inhaltslosigkeit seiner Interpretation bei einer puren Nacherzählung bleibt. Warum gelingt es den Bildern nie, diesem zuhauf erzählten Mythos auch nur irgendetwas eigenständiges abzugewinnen? Warum nährt sich dieser Nosferatu nur am Blut seiner Vorgänger? 

Das Wort „Interpretation“ fühlt sich schon fast wie ein unverdientes Lob an. Viel eher sollte man den Begriff „Neuverfilmung“ wählen, so uneigenständig ergibt sich Eggers Film, so wichtig sind ihm seine geheiligten Vorbilder. Das größte Problem seines Filmes ist die Schwäche des Drehbuchs in Kombination mit der Enthemmtheit seines visuellen Exzesses. Während Murnaus über 100 Jahre alte Verfilmung demensprechend an Opulenz etwas knapper ausfiel, diesen Umstand aber durch meisterhafte Inszenierung und tonale Überwältigung mehr als wieder wett machte, oder auch Werner Herzogs Nosferatu zumindest eine überambitionierte Anomalie darstellt, bringt Eggers nichts selbst auf den Tisch und so erscheint sein Film wie das Werk eines Erstsemester Theaterstudenten, der gerade zum ersten Mal King Lear für sich entdeckt hat. Eggers Drehbuch beißt mit Fangzähnen in den mythologischen Horrorstoff und saugt jede Ambivalenz, Feingefühl und letztendlich auch jede Atmosphäre aus dieser heraus. 

So effektiv sich das Worldbuilding sich auch gestaltet, so wenig scheint der Film Wert auf seine Geschichte zu legen. Man muss Eggers zugutehalten, dass sich narrative Themen und Motive gemächlich und langsam durch seinen Film strecken. Ähnlich wie ein Motiv des gigantischen Schattens einer Hand, der sich langsam über die Häuser bewegt, wird Orloks Geist die geziemte Bürgerlichkeit heimsuchen, die, wenn man nur ein bisschen besser aufpasst, bereits von Anfang an völlig verrotten und verkommen ist. Bald werden Ratten die Straßen bevölkern, die Pest wird heimisch. Bald auch sucht die Plage die Wohlhabendsten der Stadt heim, allen voran Hutter selbst und dessen junge Frau Ellen (Lily-Rose Depp, Yoga Hosers), wie auch das befreundete Ehepaar Friedrich (Aaron Taylor-Johnson, Kick-Ass) und Anna (Emma Corrin, Deadpool & Wolverine). Das Korsett der Bürgerlichkeit kommt erstmals zum Vorschein, als während eines Männergesprächs Friedrich mit der Geburt seines dritten Kindes prahlt, weil er doch seine „Finger nicht von Anna lassen“ könnte. Unterdessen bleiben Martin und Ellen kinderlos, letztere verstrickt in dämonische Alpträume, in denen sie das Verderben aller ihrer Geliebten erleben muss und dem „Tod persönlich“ ins Auge sehen muss, aber gleichzeitig „sich noch nie so glücklich gefühlt habe.“

Ellens, von Depp sehr bemüht gespielt, Geständnis über ihren Traum gleich zu Beginn injiziert nicht nur eine sich wie ein Fremdkörper anfühlende verbale Ebene in diesen Film, sondern buchstabiert dessen Text gleichzeitig unnötig aus. Ellen ist es nämlich, die zur Obsession von Orlok werden wird, ihre Unterdrückung als Hausfrau mutiert zum Kabinett der verbotenen Gelüste. Während die Männer mit ihrer Sexualität prahlen, erschrecken sie schließlich vor dem erblühenden weiblichen Begehren. Nur leider ist dies in Eggers Film kein bloßes Motiv des vampir-esken Schreckens, sondern bereits eine explizite Deutung und keine Originelle obendrein. Der Vampir als Symbol der verdrängten Lust ist ein Motiv, das diesem Charakter seit der Erfindung der Psychoanalyse anhaftet. Statt mit solchen Deutungen zu arbeiten reproduziert Eggers sie als reine, polierte, aber dennoch abgegriffene, Facetten, bis Ellen irgendwann Martin Sätze an den Kopf wirft wie „Du könntest mich nie so befriedigen wie er!“ Man kann dies als einen weiteren Auswuchs von Eggers Dasein als historischer Fanboy verbuchen, dass er inhaltliche Interpretationen wie referenzielle Verweise behandelt. Was in Murnaus Film und anderen Interpretationen noch klaffender Subtext war, wird hier zu dröhnendem, inhaltslosen, bloßen Text.

Letzten Endes scheitert Eggers auch an dem Versuch einer Modernisierung, falls dies jemals seine Ambition gewesen sei. Zu vernarrt ist sein Film in das Alte, zu unaufgeschlossen gegenüber neuen Ideen, ein Umstand, der sich auch in der Besetzung widerspiegelt. Es ist schwer zu bestimmen, woran genau das Problem bei dem Cast liegt. Während etwa Depp sich dem Verfall in Wahnsinn ihrer Figur hemmungslos hingibt, overacted und sogar in einer Szene Linda Blair in Der Exorzist verbal imponieren darf, erschafft sie nie einen Charakter mit demensprechender Fallhöhe, welcher erst das Korsett der Bürgerlichkeit abwerfen muss. Das ist nicht Depps Schuld, sondern eher die Danklosigkeit des Drehbuchs, welche dementsprechende Wandlungen für gegeben nimmt. Ein ähnliches Schicksal trifft Hoult und Taylor-Johnson. Obwohl beide gewohnt adrett agieren, wirken ihre standhaften Figuren wie aus einem Historiensketch entlaufen und können dem Film und dessen Detailfetisch nie entgegenkommen. Man atmet auf, wenn mit Willem Dafoe (Spider-Man) als schnapstrunkener Dr. Wilhelm Sievers endlich jemand auftritt, der das Period Setting beherrscht und seinen Spaß mit diesem hat, statt zu versuchen das Ego des Regisseurs weiter zu befriedigen. 

Was uns zu dem Monster im Zentrum bringt: Das Bill Skarsgard weder über die Exzentrik (zum Glück, sei hier gesagt) eines Klaus Kinski, noch über das Charisma und die markante Erscheinung eines Max Schrecks verfügt ist weder neu noch eine Schande. Skarsgard hat sich nicht nur als Clown Pennywise als zuverlässiger Go-to Schauspieler für ikonengrenzende Charaktere des Horrorgenres erwiesen. Im Falle von Nosferatu hat man die lobenswerte Entscheidung gewählt, die Erscheinung von Graf Orlok in keinem Trailer vorzeitig zu enthüllen. Erblickt man Skarsgard doch schließlich in voller Vampir-Montur, fragt man sich, ob diese Entscheidung nicht etwa aus Angst vor voreiligen negativen Reaktionen getroffen wurde. Orloks Erscheinung lässt sich poetischerweise nur als Brundlefly-Mix aus einem gezähmten Golgothan und Ned Flanders beschreiben. Skarsgard selbst verschwindet so sehr unter dieser Maske, dass man ich bis zum Ende des Filmes nicht sicher ist, ob er wirklich in diesem Kostüm steckte, so bedeutungslos und undankbar erweist sich diese Interpretation und dennoch stellt sie wahrscheinlich die interessanteste Anomalie eines Filmes dar, der jederzeit „too cool for school“ ist. So unpassend Orloks Aussehen als wortwörtliches Monster für diesen selbstbetrunkenen Streifen auch sei, markiert es doch die einzige wirkliche Ambition dieses mehrfach abgesicherten Fahrgestells von einer Gothic-Verfilmung.

Der Rest des Filmes vegetiert in seiner eigenen Ambitionslosigkeit. All die Detailgetreue der Inszenierung und die für Eggers bekannt markante altertümliche Sprechweise kann nur wenige Minuten darüber hinwegtäuschen, dass sich sein Nosferatu nichts traut. Tragischerweise verwechselt der Film seine imposanten Setbauten und Kameraarbeit mit Atmosphäre, sodass der Film nie den Schmutz, den Dreck dieser Zeit, nie das Grauen der Finsternis nachempfinden kann. Wer glaubt, wir befänden uns gegenwärtig in den Hochzeiten des Genres, in diesem Fall Horror, der irrt sich gewaltig. Nosferatu ist ein weiteres Beispiel dafür, wie selbst unantastbare Urtexte und Meilensteine einer Gattung zum Designerkatalog heruntergedämpft werden. Während Murnau Handwerk meisterte, Herzog seine Exzentrik hinzugab und Francis Ford Coppola, dessen Dracula Verfilmung in all seiner sexuellen Enthemmtheit und detailreichen Finesse noch wusste, wie genüsslich Exzess auf der Leinwand funktioniert, verbleibt Eggers bei einem hochgestylten Kostümball.

Fazit

Dieser „Nosferatu“ ist trunken an seinem eigenen Blut. Robert Eggers ambitionierter Horrorfilm erstickt von der ersten bis zur letzten Minute an den Schatten der filmischen Vorbilder und an dem inszenatorischen Ego seines Regisseurs. Was an Spektakel auf der Leinwand zu sehen ist gestaltet sich als verspielt und detailgetreu aber dient letztendlich nur einem Grusel vom Ausmaß eines Gothic Accessoire-Katalogs. Tod und blutleer!

Kritik: Jakob Jurisch

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