Inhalt
Piratenfilm von Roman Polanski aus dem Jahr 1986. Captain Red (Walter Matthau) und Frog (Chris Campion) treiben auf einem Floß übers weite Meer. Sie werden von einer spanischen Galeone gerettet, doch, einmal an Bord, sofort in Ketten gelegt. Aber Red schmiedet schon neue Pläne - schließlich befindet sich ein äußerst wertvoller Thron an Bord.
Kritik
Nach seinem oscarprämierten Kostümdrama Tess (1979) wurde es still um Starregisseur Roman Polanski (Chinatown), zumindest auf beruflicher Ebene. Seine medial spektakulär ausgeschlachtete Flucht nach Europa während eines laufenden Verwahrens wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen zwei Jahre zuvor machte ihn natürlich nach wie vor zu einer heiß diskutierten Person und aus genau diesem Grund zu einem ebenso heißen Eisen für Produzenten. Als erster wagte sich der Tunesier Tarak Ben Ammar wieder an diese Persona non grata, der Polanski nach sieben Jahre (Zwangs)Pause wieder zu einem Projekt verhalf. Piraten war ein nicht nur wegen der umstrittenen Personalie Polanski ein gewagtes Werk, schließlich waren klassische Piraten-Film Mitte der 80er völlig aus der Mode geraten und nach einem Comeback hatten wohl die Wenigsten auch nur verschämt gefragt. Ein wirklich großer Erfolg wurde der Film beim Publikum wie der Kritik auch nicht, obgleich er dennoch das Comeback für seinen verschmähten Regisseur bedeutete. Wer weiß, ob Polanski es je wieder zurück auf die große Kinoleinwand geschafft hätte, ohne diesen mutigen Vorstoß.
Man kann und darf über Roman Polanski aufgrund der bis heute zwiespältigen Geschehnisse sicher denken was man will, über seine herausragenden Fähigkeiten als Filmemacher kann es jedoch kaum zwei Meinungen geben. Und selbst ein Piraten untermauert das mitunter beeindruckend. Dieser Film sieht so unverschämt fantastisch aus, und nicht nur wegen der mehrfach preisgekrönten Ausstattung und den spektakulären Sets, für die das Schiff „Neptun“ (fahrtüchtig!) in Originalgröße gebaut wurde. Piraten ist von seiner handwerklichen Präsentation ganz, ganz großes Kino und lässt das beinah schon antik wirkende Seeräuber-Genre in einer Pracht erstrahlen, bei der Errol Flynn bestimmt neidisch von seiner Wolke herabgeblickt hat. Dazu mit einem Walter Matthau (Der Glückspilz) in der Hauptrolle des Captain Red, der vor Spielfreude nur so strotz. Roman Polanski gelang 1967 mit Tanz der Vampire bereits eine großartige Melange aus meisterlich inszeniertem Genre-Film und dessen gleichzeitiger, respektvollen Parodie und in diese Kerbe hätte auch dieser liebevolle Seemannsgarn schlagen können, wenn er denn über ein besseres Drehbuch verfügen würde.
Der Auftakt, er fällt enorm flott und vielversprechend aus. Der schiffbrüchige Freibeuter Red zettelt gezielt eine Meuterei an Bord einer spanischen Galeone an, um in den Besitz eines wertvollen, aztekischen Throns zu gelangen. Daraus entsteht ein amüsantes Gerangel um die Vorherrschaft zwischen ihm und seinem Widersacher Don Alfonso (Damien Thomas, Draculas Hexenjagd), was jedoch nicht den gesamten Plot tragen kann. Im Anschluss gehen dem Skript deutlich die guten Ideen aus und man hält sich eigentlich nur durch die famose Inszenierung immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Da wird schon deutlich, dass dies ein Film ist, der in erster Linie nur seinem Regisseur die Möglichkeiten gewähren soll, seine Fähigkeiten mal wieder der Welt zu präsentieren. Der nicht seinem gewohnten, inhaltlichen Niveau entspricht, der aber auch eines ganz klar in den Fokus stellt: ohne ihn würde man heute vermutlich gar nicht mehr über dieses Werk reden. Nicht nur wegen dem Namen Roman Polanski, sondern wegen der inszenatorischen Klasse, die er hier in knapp 2 Stunden auffährt. Egal, wie sehr Piraten im Mittelteil sein vorher angedeutetes Potenzial dann doch nicht vollständig zu nutzen weiß, strahlt er doch nur so von Energie, Talent und der unbändigen Leidenschaft für das Kino und das Filmemachen, der man sich kaum entziehen kann. Es ist kein bedeutender und in gewisser Hinsicht vielleicht sogar ein belanglos anmutender Film, dennoch ist er so schön und wichtig zugleich.
Fazit
Man muss „Piraten“ nicht zwingend gesehen haben, dafür ist das im Kern eben nicht mehr als eine amüsante Genre-Hommage, die dahinsichtlich ihren Zweck anständig erfüllt. Von seiner grandiosen Inszenierung und der hier präsentierten Leidenschaft ist es aber mehr als nur beachtlich und nicht weniger als das bis heute leicht belächelte bis vergessene Comeback eines der begabtesten Filmemacher aller Zeiten, das ihm erst wieder die Tür zurück zu alter Stärke öffnete. Von seinem Stellenwert daher eigentlich unverzichtbar.
Autor: Jacko Kunze