MB-Kritik

Salve Maria 2024

Drama, Thriller

Oriol Pla
Giannina Fruttero
Laura Weissmahr
Magali Heu
Sam Avtaev
Belén Cruz
Julie Maes

Inhalt

Maria, eine vielversprechende junge Schriftstellerin und junge Mutter, stößt auf eine erschreckende Schlagzeile: Eine Französin hat ihre 10 Monate alten Zwillinge in der Badewanne ertränkt. Die grausame Tat fesselt Marias Fantasie und wird zu einer Obsession. Warum hat sie es getan? Von diesem Moment an steht das Gespenst des Kindsmordes als quälende Möglichkeit über Marias Leben.

Kritik

In ihren ähnlich sarkastisch betitelten Werken Three Days with the Family und We All Want What’s Best for Her zeigte Mar Coll bereits ihr filmisches Faible für unscheinbare Frauenfiguren, die von den als Fürsorge getarnten Anforderungen eines kurzsichtigen Umfelds zu emotionalen Extremen getrieben werden. In einem ebenso demaskierenden wie diffizilen Drama, das im Wettbewerb von Locarno seine Premiere feiert, gehen die Regisseurin und ihre Co-Drehbuchautorin Valentina Viso noch einen Schritt weiter mit ihrer herausfordernden Hauptfigur. 

Von Laura Weissmahr (Cross the Line) mit zurückgenommener Intensität verkörpert, entspricht jene auf den ersten Blick dem irreführenden Ideal einer glücklichen Mutter mit fürsorglichem Partner (Oriol Pla, Animals) und gesundem Kind. Dessen Reflux-Syndrom besorgt Maria, deren Bedenken indes weder die Mutter-Kind-Therapeutin, noch ihr Mann oder der Kinderarzt ernst nehmen. Schon gar nicht als Alarmsignal Marias eigener psychischer Labilität. Die manifestiert sich in ihrer Fixierung auf den durch die Medien gehenden Fall einer frisch gebackenen Mutter, die ihre Zwillinge ertränkte. 

Das Motiv der durch die Perspektive der Hauptfigur gefilterten Kindstötung schafft eine prägnante Parallele zu Alice DiopsSaint Omer, im Gegensatz zu dem die Täterin bei Coll jedoch unsichtbar bleibt. Stattdessen konzentriert sich die investigative Inszenierung auf Marias inneren Kampf mit Apathie und Aggressionen gegenüber ihrem Baby. Diese sie selbst verstörende Ablehnung ist einerseits so verbreitet, dass Maria sie in anderen Müttern spürt, andererseits so tabuisiert, dass sie ohne Anlaufstelle dem Abgrund immer näher taumelt.

Fazit

„Mutterschaft ist so unterrepräsentiert“, bemerkt Mar Coll in einem Regie-Kommentar, der trotz seiner faktischen Unrichtigkeit im Kontext ihres provokanten Psychogramms Sinn ergibt. Realistische Mutterschaft, mit ihren zahlreichen Schattenseiten, ist nahezu gänzlich verdrängt durch ein süßliches Stereotyp. Auf diese irreale Ikonographie verweist der Originaltitel. Dessen religiöse Anklänge sind indes eher fehlleitend angesichts des in kühle Farbnuancen eingebetteten Realismus der Handlung, die mit starken Darstellungen und frei von Verurteilungen ein wortwörtlich totgeschwiegenes Thema in beklemmendes Licht rückt.

Autor: Lida Bach
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