Inhalt
Christian tötet aus Notwehr einen Unbekannten, der in das Motel-Zimmer eindringt, in der er und seine neue Flamme Barbara es sich gerade gemütlich machen wollen. Kurz danach ist die Leiche jedoch plötzlich verschwunden und es geschehen noch weiter merkwürdige Dinge, die Christian langsam an seinem Verstand zweifeln lassen…
Kritik
„Sie sind zwar hier eingedrungen, aber jetzt sind Sie meine Gäste. Klingt merkwürdig, nicht wahr?“
Definitiv (wenn man das Vorangegangene gesehen hat noch viel mehr), aber das ist bei Weitem nicht mal das Merkwürdigste, was bei Spasmo speziell in der ersten Hälfte so vom Haken gelassen wird. Der gesunde Menschenverstand oder nur das geringste Verständnis für die Handlungen der Figuren ist komplett auf Stand-By geschaltet, die Suche nach Logik oder halbwegs vernünftigen Plausibilitätsketten könnte auch keine rausgesprungene Sicherung mehr schützen, da wäre Kabelbrand und Totalschaden angesagt. Es scheint selbst für hoffnungslos romantische Zweckoptimisten bereits nach einer halben Stunde nicht mehr vorstellbar, wie der Giallo von Umberto Lenzi (der wenige Jahre zuvor mit Mondo Cannibale ein ganz anderes Sub-Genre mitbegründete, wenn auch nicht sonderlich gelungen) noch irgendwie die Kurve kriegen kann, dafür läuft augenscheinlich rein gar nichts in der Spur.
Selbst die besten Gialli legten oft wenig Wert auf eine glaubhafte Geschichte oder ausgetüftelte Narration, gut ausgearbeitet Dialoge oder bestechende Darstellerleistungen. Vieles davon toppt Spasmo jedoch mühelos. Figurenzeichnung und Plotentwicklung wirken chaotisch, jede der handelnden Personen scheint ein weltfremder Spinner mit einem gewaltigen Sprung in der Schüssel zu sein, praktisch keine derer Verhaltensweisen scheint auch nur im entferntesten Sinn zu haben. Das sorgt für eine Mischung aus Kopfschütteln, Erheiterung aufgrund diverser völlig absurder Gespräche („-Und du hast den Schlüssel?“ –„Nein, aber man kann leicht einbrechen.“) und massiver Irritation, was das Ganze denn nun beabsichtigen soll. Daraus zieht der Film allerdings jetzt schon – noch bevor sich später zumindest einiges im Gesamtkontext schuldmindernd relativiert – eine nicht zu leugnenden Form von Grundinteresse. Denn wenn Spasmo eins nicht ist, dann vorhersehbar und somit tatsächlich irgendwie spannend. Statt des üblichen Serienkillerfilms mit Fokus auf Gewalttaten versucht sich Umberto Lenzi an einem undurchsichtigen Suspense-Thriller, der trotz vieler Unzulänglichkeiten mit fortlaufender Zeit sogar überraschend als solcher funktioniert. Nicht etwa wie ein guter Hitchcock (Frenzy), obwohl insgeheim sicher daran orientiert.
Eine Art Trash-Suspense, dessen konfuse Handlung sich gen Ende grob als kalkuliert erschließt. Nicht jeder der sonderbaren Momente ist so sinnlos wie vermutet, großzügig betrachtet könnte man den Film beinah unterstellen, er würde den Zuschauer geschickt manipulieren um seine eigentliche Geschichte erst spät zu enttarnen. Teilweise ist das sogar der Fall, übrig bleibt dennoch ein eher haarsträubender Unfug, der allerdings nicht schlechter ist als in den meisten Gialli, dafür um einiges individueller und aufgrund seiner selbstbewussten Herangehensweise fast schon wieder ein wirklich erwähnenswerter Beitrag zum Sub-Genre. Umberto Lenzi schafft es zweifellos einen Giallo auf die Beine zu stellen, den man so nicht alle Tage gesehen hat. Der größtenteils auf Gewalt und Bodycount verzichtet, sich nicht für eine dicke Portion Blödsinn zu schade ist. Trotzdem als kruder Spannungsfilm recht ordentlich aufgeht, da er sich wirklich nie richtig in die Karten gucken lässt und eine deutliche Abwechslung im oftmals sehr ähnlichen Mikrokosmus der wunderbaren Welt italienischer Kinosonderlinge darstellt. Interessante Pointe und Schlusseinstellung übrigens, bei der einem unweigerlich ein Klassiker des US-Slashers in der Sinn kommt, der wenige Jahre später erst entstehen sollte.
Fazit
Sicherlich nur für erprobte Giallo-Fans empfehlenswert und auch das nur eingeschränkt. Etwas Durchhaltevermögen und guter Wille sollte mitgebracht werden, rückwirkend betrachtet kann „Spasmo“ dann durchaus als klitzekleine Bereicherung des Genres angesehen werden. Kann, nicht muss. Für 08/15 eindeutig zu speziell, nach oben wie nach unten, aber niemals langweilig und auf den letzten Metern sogar sehr erinnerungswürdig.
Autor: Jacko Kunze