Als Darstellerin hat es Sarah Polley (Dawn of the Dead) nie zum ganz großen Durchbruch geschafft, vielleicht liegen ihre eigentlichen Stärken an anderer Stelle. Bereits mit An ihrer Seite konnte sie als Regisseurin/Autorin großes Lob einheimsen, mit Take This Waltz bestätigt sie dieses eindrucksvoll. Wie wunderbar sie den gängigen Lovestorys aus Hollywood hier demonstriert, was so ein kleiner Film mit der entsprechenden Hingabe und Ehrlichkeit bewirken kann, ist jeden Preis der Welt wert.
Wer sich bei dem Schlagwort Lovestory reflexmäßig in Igelstellung zusammenrollt, dem sollte man es kaum verübeln. Das liegt nicht am Stoff per se, Gott bewahre, wäre ja schlimm. Liebe und Tod sind wohl die universellsten Themen in der Kunst, sei es Literatur, Musik, Malerei oder eben Film. Damit muss sich jeder Mensch sein ganzes Leben oder zumindest irgendwann auseinandersetzen, kann eine Beziehung dazu aufbauen und Emotionen nachempfinden. Nur auf die gängige Art der erfolgreichen Liebesfilme aus den USA können viele Menschen getrost und ohne schlechtes Gewissen verzichten. A-Hörnchen findet B-Hörnchen, dazwischen viel Trouble, dümmliche Klischee-Figuren stehen belastend im Weg rum, sei es der verlogen-untreue Partner oder der schmierig-unsympathische Balz-Konkurrent. Wer hier die Guten und die Bösen sind ist genau so klar wie das Ende, nur wer auf verklemmten Humor und pubertäre Kicherei steht kann daran seine Freude haben. Genau das ist Take This Waltz nicht, genauer gesagt der direkte Gegenentwurf. Ein Liebesfilm für ein erwachsenes Publikum, dabei trotzdem nicht zentnerschwer und im Kern doch tragisch. Hier wird der wichtige Konsens spielend leicht gefunden, wo oft eher die vernichtende Sollbruchstelle negativ zu Tage tritt.
Sarah Polley kreiert echte, nachvollziehbare Charaktere, mit allen Ecken und Kanten, die nicht wie aus einer Daily-Soap oder dem kindlichen Traum kleiner Mädchen entsprungen wirken. Margot - hinreißend, umwerfend gespielt von Michelle Williams (Blue Valentine) - ist eine extrem unsichere, bald schon ernsthaft krankhafte Figur, die nicht nur „normale" Bestätigung braucht, sie sehnt sich nach etwas, das sie eigentlich durchgehend hat. Einem Partner, der ihr Seelenverwandter ist, sie nicht nur befriedigt, sondern in jeder Situation auffängt und stützt. Nur ihrem labilen Charakter ist es wohl zuzuschreiben, das sie dennoch nicht die liebevolle (normale) Monotonie eines Ehealltags zu schätzen weiß, die kleinen, verspielten Liebesbeweise ihres Partners nicht mehr entsprechend wahrnimmt, sondern sich lieber nach dem neuen, aufregenden Abenteuer mit dem spontan-fluffigen Stecher von nebenan sehnt. Das ist einerseits verständlich - der Alltag kann der schlimmste, weil schleichenste Beziehungskiller sein - andererseits so verwerflich, da ihr Mann (Seth Rogen, Bad Neighbors) sie niemals vernachlässigt, sie konsequent liebt und das mit rührender Hingabe täglich bestätigt. Gut, gegen Gefühle lässt sich schwer ankämpfen, genau das schildert Sarah Polley sehr eindringlich und enorm authentisch. Und stell dabei weniger eine moralische, sonder mehr eine emotionale Frage.
Ihren Figuren werden großartige, teils leicht bizarre Dialoge in den Mund gelegt, die sich weit vom üblichen Einheitsbrei entfernen und gerade dadurch so erfrischend, frech und unglaublich unterhaltsam funktionieren. Take This Waltz ist mindestens so heiter wie melancholisch, eine perfekte Mischung aus nachdenklich-stimmenden Gefühlskino und wunderbar unverkrampften Humor. Das Gefühl von Sarah Polley für das (eigene) Skript ist sensationell. Da gibt es locker ein Dutzend Szenen (wenn nicht mehr) die in diesem Moment merklich besser sind, als ein kompletter, verlogen-sülziger Love-Buster für die ganz große Leinwand. Schon erstaunlich, was ein(e) Regisseur(in) ausdrücken kann, wenn alles stimmt. Es gibt Situationen, in denen nichts erklärt oder nur ein einziges Wort gesprochen werden muss, allein die Chemie, die reine Konzeption und die punktgenaue Erfassung aller Faktoren sagt mehr aus, als es verbal nur ansatzweise möglich wäre. Dazu - bevor es unterschlagen wird - kommt ein wunderbar harmonischer Soundtrack und ein teilweise erstaunlich virtuoses Einsetzen der Kamera (für den Rahmen einer solchen Produktion speziell, aber auch generell).