Inhalt
Die Lebenswege dreier selbstbewußter Frauen und eines jungen Musikers kreuzen sich in der schizophrenen Welt der iranischen Hauptstadt Teheran. Sex, Korruption, Drogen und Prostitution gehen in dieser brodelnden Metropole einher mit strengen religiösen Gesetzen. Das Umgehen von Verboten wird zum Alltagssport und der Tabubruch zur individuellen Selbstverwirklichung.
Kritik
Iran ist eines der konservativsten Länder des nahen Ostens. Ehebrechern droht die Todesstrafe durch Steinigung, Sünder werden öffentlich zur Schau gestellt und ausgepeitscht und selbst zaghafte Berührungen mit dem anderen Geschlecht gelten in der Öffentlichkeit als Verpönt und stehen unter Strafe. So sieht zumindest das Bild aus, welches die Regierung Irans nach außen projiziert. Der aufstrebende Animationsexperte und Regisseur Ali Soozandeh zeigt nun, 8 Jahre nach seiner letzten Regiearbeit, dass hinter der konservativen Fassade eine Generation von jungen Menschen heranwächst, die sich mit allen Mitteln gegen die festgefahrenen Werte jener Welt wehren.
Den ersten Einblick in diese Welt, die uns Europäern recht befremdlich erscheint, erhält der Zuschauer direkt in der ersten Minute. Pari, eine alleinerziehende Mutter, ist mit ihrem stummen Sohn auf den Weg ins Gefängnis, um sich von ihrem inhaftierten Mann Formulare unterzeichnen zu lassen. Ohne Einkommen ist sie gezwungen, für die Taxifahrt gewisse körperliche Dienste anzubieten. Zeitgleich echauffiert sich der Taxifahrer, welcher ohne zu zögern auf das Angebot der jungen Mutter eingeht, über die Jugendlichen, welche scheinbar keinerlei Anstand mehr hätten. Eine gefährliche Doppelmoral, die man im Film an jeder Ecke findet. Pari scheint zunächst das Sinnbild für die Unterdrückung der Frauen, in der konservativ islamischen Welt, darzustellen. Zur Prostitution gezwungen, darf sie, ohne die Einwilligung ihres inhaftierten Ehemannes, weder einen Job annehmen, noch ihren Sohn auf eine behindertengerechte Schule schicken. Zeitgleich weigert sich der örtliche Richter ihre Ehe aufzulösen, schließlich benötigt auch dieser Schritt die Einwilligung ihres Gatten. Pari ist jedoch eine durchweg lebensbejahende Frau, die ihre Weiblichkeit in vollen Zügen genießt. Ganz anders ergeht es da Sara, eine junge Frau, die glücklich verheiratet ist und bald ihr ersten Kind erwartet. Sara stellt den Archetypen der wohlerzogenen jungen Dame dar, die sich vornehm im Hintergrund hält, während der Mann die Hosen im Haus anhat. Dies wird besonders in Gesprächen mit ihrer Schwiegermutter deutlich, welche diesen Lebensstil gerne an die jüngere Generation weitergeben möchte. Doch wie so oft blicken wir in Teheran Tabu hinter die Kulissen und entdecken eine Frau, die von Selbstverwirklichung träumt und nicht bloß nettes Beiwerk seien möchte. Unsere letzte Geschichte entführt uns in einen Nachtclub, in dem der verarmte Musiker Babak die hübsche Donya kennen lernt. Trotz striktem Alkoholverbot im Iran verläuft die Nacht feucht fröhlich und schon bald landen die Beiden in der Kiste. Was in Europa bestenfalls für einen peinlichen Anruf am nächsten Morgen, samt passendem Kater sorgen würde, stellt die Liebhaber vor riesige Probleme, denn Donya ist verlobt und ihr Ehemann erwartet selbstredend eine Jungfrau in der Hochzeitsnacht. Zu Beginn sprachen wir bereits von der Doppelmoral, die im Iran gelebt wird und auch in dieser Geschichte wird deutlich, dass hinter der eisernen Fassade aus Recht und Ordnung die Menschen gelernt haben, sich den Gegebenheiten anzupassen. So kann man im örtlichen Krankenhaus mit ein paar Stichen und ein bisschen Tierblut das Jungfernhäutchen ganz leicht wieder flicken, gegen einen gewissen Aufpreis versteht sich. Die Routine, mit der dieser Vorgang kommuniziert wird lässt einen innerlich schmunzeln, da es die Frauen faustdick hinter den Ohren haben. Wer bei dem Film also ein staubtrockenes Gesellschaftsdrama erwartet, der wird angenehm überrascht sein, denn auch wenn der Tonfall eher betrübt ist, gibt es immer wieder heitere Momente, die einem Hoffnung machen.
Kommen wir zuletzt zum Aushängeschild des Filmes, dem Zeichenstil. Wie eingangs erwähnt arbeitet Ali Soozandeh vornehmlich ans Animationsexperte und dementsprechend gut sieht Teheran Tabu aus. Der Film erinnert mit seinem leicht verwaschenem Stil an Titel wie Waltz with Bashir, entstand jedoch durch die Technik der Rotoskopie, welche bereits vor über 100 Jahren benutzt wurde. Soozandeh nutzt die Technik nicht nur, um wunderschöne Bilder zu erschaffen, sondern auch als Stilmittel. Die realen Schauspieler verstecken ihr Gesicht hinter einer Maske der Anonymität, welche die Animation ihnen bietet. Die gleiche Maske, die all jene jungen Menschen im Iran tagtäglich aufsetzen müssen, um nicht gegen die Regeln ihrer Regierung zu verstoßen.
Fazit
"Teheran Tabu" ist wahrlich keine Leichte kost, auch wenn der deutsch-iranische Filmemacher Ali Soozandeh sich Mühe gegeben hat, die traurigen Geschichten mit einer starken Portion Witz und Zuversicht zu garnieren. Seine Botschaft verliert der Regisseur dabei jedoch nie aus den Augen. Der Film zeigt die Welt, wie sie wirklich ist. Ungeschminkt, radikal und hochgradig politisch.
Autor: Sebastian Pierchalla