Hochgestochene Feuilletonisten beherrschten es aus dem Effeff, die Nase zu rümpfen, wenn der Diskussionszirkel auf den italienischen Filmemacher Dario Argento (Terror in der Oper) zu sprechen kam. Oft genug musste sich Argento Zeit seines Schaffens anhören, dass seine Werke letzten Endes doch nur auf primitive Gewaltspitzen und seifigen Sleaze spekulierende Schundware wären – von den küchenpsychologischen Konklusionen einmal ganz zu schweigen! Inzwischen hat sich der ehemalige Meisterregisseur tatsächlich jedweden Tadel verdient, wie ungeheuerliche Streifen der Marke The Card Player, Giallo und ganz besonders Dracula 3D belegen. In den 1970er und 1980er Jahren allerdings glich es einem Anflug reinrassiger Kunstverachtung, Dario Argento für seinen (sicherlich gerne mal fragwürdigen) Inhalt zu verurteilen, galten die technischen Aspekte doch als seine unzweifelhafte und oftmals unnachamliche Kernkompetenz.
Und genau darauf verließ sich Argento zusehends, was ihm ermöglichte, mehrfach Filmgeschichte zu schreiben. Allerdings gehen jene geballten Misstöne der Kritiker nicht gänzlich spurlos an einem Künstler vorbei, vor allem dann, wenn sie so harsch, vehement und verblendet formuliert werden, wie es bei Argento Gang und Gäbe war. Wenn man so möchte, dann darf man Tenebrae als eine Reaktion auf all den Gegenwind verstehen, der Argento aus diversen Intelligenzblättern fortwährend entgegenwehte. Im Zentrum des Films steht der amerikanische Schriftsteller Peter Neal (Anthony Franciosa, City Hall), der nach Rom reist und dort mit einer Mordserie in Verbindung gebracht wird, die nach dem gleichen Muster verläuft, wie die Morde in seinem neusten Romane. Allein anhand dieser Beschreibung wird schon deutlich, dass Dario Argento eine Verknüpfung von Kunst und der Persönlichkeit dahinter forcieren möchte.
Wie diese Verknüpfung letztlich ausfällt, bleibt ein Teil der Whodunit-Dramaturgie, die einige Finten schlägt, sich dem Sujet gerecht aber auch die ein oder andere Absurdität nicht verkneifen kann. Tenebrae, Dario Argentos Rückkehr zum klassischen Giallo, aber ist selbstredend ein Film geworden, der herkömmliche Erzählparameter kategorisch ablehnt. Obgleich sich hier immer noch eine Abrechnung mit den Mäklern Argentos herauslesen lässt, genauso wie eine (Selbst-)Reflexion über das Wesen der Kunst, so entlädt Tenebrae seine Stärken im Zusammenspiel der auditiven und visuellen Ebenen. Besonders augenfällig ist hierbei, dass Argento die grelle Farbpalette des italienischen Subgenres keinesfalls ausreizt oder überstrapaziert, sondern auf ein klinisches Kolorit setzt, welches einzig und allein durch das großzügige Vergießen des roten Lebenssaftes aufgebrochen wird. Die farblichen Kontraste also bleiben bestehen, sie werden jedoch radikalisiert, was die bisweilen viehische Gewalt in ihrer Wirkung noch ein Stück weit verstärkt.
Der deutsche Beititel, Der kalte Hauch der Todes, jedenfalls trifft den Nagel ziemlich genau auf den Kopf. Für Dario Argento wird Rom von weißen Nächten heimgesucht. Von Feuer, Wasser und Blut, welche in Kombination einen traumwandlerischen Cocktail des Wahnsinns ergeben. Wenn sich gegen Ende alle Hinweise dann schließlich verdichten (und letztlich auflösen), werden die tumben Psychologismen des Drehbuchs zwar offen ausgestellt, Tenebrae aber lenkt dieser naiven Herleitung von Motiven entschieden entgegen, indem er einen Bezug zum Hund von Baskerville bemüht und aufweist: Das Unmögliche mag versponnen und wirklichkeitsfremd erscheinen, doch die Wahrheit ist immer möglich. Den Rest erledigt eine majestätische, von Goblin exakt untermalte Kranfahrt, die die Architektur eines Hauses dermaßen akkurat inspiziert, dass es umso erschreckender erscheint, wie clever es Argento in dieser Szene gelingt, den Zuschauer zum Mittäter zu erklären.