Erwähnungen
The Cleaners (2018)
- Start 17.05.2018
- 88 Min Dokumentarfilm
- Regie
- Drehbuch Georg Tschurtschenthaler
- Cast Mark Zuckerberg
Inhalt
Kritik
Mehr als 3 Milliarden Menschen sind mittlerweile durch soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder YouTube miteinander verbunden. Dies bedeutet vor allem eines: Millionen Daten in Form von Bildern, Videos und Texten. Doch wer kontrolliert dies? Wer filtert bei den größten Tech-Konzernen die Postings und löscht den Müll des tiefsten menschlichen Abgrundes wie Kinderpornografie, Gewalt oder Hass? Genau dieser Frage sind die Autoren und Regisseure Hans Block und Moritz Riesewieck in ihrer eindringlichen Dokumentation The Cleaners nachgegangen und wurden schließlich in Manila fündig. In einer Firma, die eigentlich gar nicht existiert, einer Welt voller Geheimnisse, einer wahren Schattenindustrie der Zensur. Und die Antworten, die sie dabei finden, sind genauso unbequem wie wichtig. Die Botschaft die sie vermitteln zudem dramatischer denn je. Wir befinden uns scheinbar in den schwierigsten Jahren unserer Demokratie. Wo Content Moderatoren zur Entscheidern der weltweiten politischen und gesellschaftlichen Bühne werden, wo Daten gelöscht werden, die vielleicht Satire, Journalismus oder eine historische Bewandtnis besitzen. Zusammen mit dem Blick auf eine Welt, die mehr und mehr von Angst und Hass bestimmt, ist dies ein Plädoyer für kritisches Denken. Sogar bei der eigenen Dokumentation.
Im Fokus von The Cleaners stehen dabei die sogenannten Content Moderatoren, die in Manila von Facebook, Twitter oder YouTube outgesourct wurden und den Job machen, der im alltäglichen Posting im Verborgenen bleibt. Denn was wird gelöscht, was nicht? Wo täglich bis zu 25 Tausend Bilder pro Tag von einer Person durchgeklickt werden (ignorieren oder löschen), stellt sich natürlich schnell die Frage, was alles auf der Strecke bleibt. Doch hier beginnt The Cleaners erst seine allumfassende Reise in die digitale und politische Welt. Denn wo in Manila der Wunsch nach Hilfe im Vordergrund steht – „das Gesund machen“, „das Dreck wegmachen“ – und der Wächter als nobler Beruf angesehen wird (die Alternative dazu wäre Müllsammler oder -sammlerin), hat dies Auswirkungen auf Milliarden Menschen und schließlich die ganze Welt. Hans Block und Moritz Riesewieck liefern hier mit einer regelrecht bedrohlichen Inszenierung auch viele Beispiele: So wird Kunst und Satire zum Objekt von Zensur, egal ob beabsichtigt oder nicht. Denn, und dies wird relativ schnell klar, hinter der Löschung stehen Menschen. Menschen mit subjektiven Eindrücken, einem politischen (oder unpolitischen) Weltbild und Erfahrungen. Fehler sind bei einer Qualitätssicherung von gerade einmal 3 % an der Tagesordnung.
Doch liegt die Schuld daher in Manila? Oder liegt die Verantwortung in Silicon Valley? Hier zeigt sich The Cleaners doch recht eindeutig: Zusammen mit etlichen Interviews und einigen Senat-Anhörungen wird der Zeigefinger direkt in eine bestimmte Richtung gelenkt. Und ja, mit Beispielen wie die Zensur oder dem Geoblocking in der Türkei, dem aufkeimenden Hass in den USA mit der Trump-Regierung, dem barbarischen Drogenkrieg auf den Philippinen – wo die Beschäftigten in Manila ebenfalls zum Politikum werden – oder dem Blick nach Myanmar, wo Hassreden gegenüber den Rohingya die meisten Likes generieren, liefert uns der Film viele Argumente dafür, dass die Verantwortung klar verteilt ist. Mit China oder Russland wäre sogar noch mehr möglich gewesen. Allerdings macht es sich der Film genau da doch etwas zu einfach: Die Frage nach kritischem Denken wird gestellt und die Filterblase wird zur Gefahr für Gesellschaft und Demokratie. Doch die Verantwortung liegt auch beim Nutzer selbst. Solange Fake-News und populistische Meinungen das Tagesgeschäft bestimmen und nicht Nachfrage und Selbstreflektion, scheinen soziale Netzwerke eher wie ein Katalysator. Einer, der aktuell in eine deutlich finstere Zukunft steuert.
Die eigene Wahrheit, die eigene Realität gerät in den Vordergrund, während alles andere ausgeblendet, eben gelöscht wird. „Ich konzentriere mich auf die guten Dinge, ich will die schlechten von mir fern halten“ – sagt einer der Content-Moderatoren während er versucht den Abgrund zu vergessen. Doch genau dieser verfolgt die Beschäftigten vor Ort rigoros. Und wo The Cleaners im Mittelfeld etwas den eigentlichen Start aus den Augen verliert, kehrt die Dokumentation am Ende sensibel zu den Menschen zurück. Denn die, die täglich mit dem Alptraum des Internets kämpfen, bekommen ihre Narben. Welche, die am Ende sogar selbst zu solchen führen und daher wird auch Selbstmord nicht tabuisiert. Genau hier zeigt sich der Film auch am stärksten: Wenn es um die Menschen geht. Um Wahrheit, Satire, Kunst, Botschaften, Kriegsberichterstattung, Datensicherung und dem kritischen Denken. Wo nur noch gelöscht wird und Nutzer wie Profit im Vordergrund stehen, weil Staaten die rechtliche Verantwortung auf private Unternehmen übertragen, sollten wir selbst uns bewusster werden, dass wir uns mehr und mehr in einem Zeitalter der digitalen Diktatur wiederfinden könnten. Eine Gefahr, die von Jahr zu Jahr größer wird.
Fazit
Mit viel Geschick und einer wirklich hervorragend politischen wie menschlichen Ebene, ist es den Regisseuren Hans Block und Moritz Riesewieck gelungen ein Plädoyer für kritisches Denken zu erschaffen. In Zeiten von Hass, Fake-News und einem erstarken von faschistischen Bewegungen, ist es umso wichtiger hinzuschauen. Auf Silicon Valley, auf die sozialen Netzwerke und den Content, aber auch unser eigenes Verhalten. Am Ende sind es zurzeit die Content Moderatoren die im verborgenen alles Leid und jeden Hass auf der Welt in sich aufsaugen und dafür Sorge tragen müssen, dass solches beim alltäglichen Besuch auf Facebook ausgeblendet wird. Doch ist dies der richtige Weg? Gerade diese Frage macht aus "The Cleaners" eine der wichtigsten und eindringlichsten Dokumentationen unserer Zeit und liefert einen hervorragenden Beitrag zu einem Diskurs, der endlich verstärkt geführt werden muss.
Kritik: Thomas Repenning
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