Für Western-Fans ist der August 2024 ein echter Wonnemonat. Zwei Wochen bevor am 22. August das erste Kapitel von Kevin Costners eher konservativer Saga Horizon in den deutschen Kinos erscheint, startet mit The Dead Don’t Hurt Viggo Mortensens zweite Regiearbeit. Auch dieser Film ist ein Western, jedoch nur auf den ersten Blick ein klassischer. Die Geschichte von Tischler Olsen und der Franko-Kanadierin Vivienne bietet auf dem Papier alles, was das ur-amerikanische Genre auszeichnet: Saloons, Schießereien, Pferde. Doch wie Mortensen, der auch im Alleingang das Drehbuch verfasste, dies nutzt, ist weit davon entfernt, irgendeine Form des romantischen Eskapismus zu evozieren. Sein Western-Drama interessiert sich mehr für das Innenleben seiner beiden Hauptfiguren als für erwartbare Schauwerte.
Das meist trockene, staubige Setting fängt Mortensen stets solide ein, und auch seine Nebenfiguren hat er als Erzähler gut unter Kontrolle. Etwas Eingewöhnungszeit benötigt allerdings sein Umgang mit verschiedenen Zeitebenen. Wirklich komplex oder kompliziert ist das alles nicht, aber es sorgt öfters dafür, dass der erzählerische Rhythmus ins Stottern gerät. Dafür verfügen Olsen und Vivienne über genügend charakterliche Reibungspunkte, die ihrer Beziehungsdynamik immer wieder wohltuende Spannungen verleihen. Als Paar wirken sie daher authentisch, eben weil sie sich nicht immer einig sind. Umso herzlicher ist es dann, wenn sie sich liebkosend im Dreck wiederfinden.
The Dead Don’t Hurt ist jedoch nicht nur eine Liebes- oder Beziehungsgeschichte, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Kalifornien angesiedelt ist. Eingebettet ist das Ganze in eine eher erwartbare, aber nicht unspannende Handlung rund um Korruption und machthungrige Männer und ihre Revolver. Das ist stellenweise so klassisch, dass es zu teils absurden Kontrasten kommt, etwa wenn Vivienne sich träumerisch an ihre Kindheit zurückerinnert. Doch gerade diese Kontraste verleihen dem Film seinen Reiz, den Mortensen auch mit seinen teils brillanten Dialogen erschafft. Besonders Vivienne, die große Teile des Films als alleiniger Fixpunkt agiert, meistert ihre Aufgabe problemlos.
Vivienne, hervorragend gespielt von Vicky Krieps (Der Seidene Faden), ist eine hochgradig facettenreiche Figur. Sie ist stark, aber auch fehlbar, und oft steht sie resolut für sich selbst und ihre Liebsten ein, ohne Schwächen und vor allem Schmerz auszusparen. In einem der besten Momente zeigt sich ihr Kampfeswille dadurch, dass sie nicht aufgibt und stattdessen mit der Weiterführung ihrer Arbeit ihrem Peiniger die Zähne zeigt.
Das ist, wie alles in dem Film, von eher schroffer und elegischer Natur. Mortensen forciert kein hohes Tempo bei der Erzählung der Geschichte. Er lässt sich Zeit und fordert damit von seinem Publikum, sich darauf einzulassen. Wer das kann, wird mit einem Film belohnt, der durchzogen ist von Natürlichkeit und Melancholie. Ein Western-Drama, das weder bestimmend noch frech versucht, sich gegen allzu abgeschmackte Klischees zu behaupten. Stattdessen folgt es sehr stur, aber auch stilsicher seinem eigenen Rhythmus. Damit hat The Dead Don’t Hurt dann doch etwas gemeinsam mit Horizon.