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Die Leidenschaft von Sam Fabelman ist das Filmemachen – ein Interesse, das seine kunstbegeisterte Mutter Mitzi schätzt und fördert. Sams Vater Burt  hingegen, ein erfolgreicher Ingenieur, befürwortet Sams Arbeit zwar, hält sie aber für nicht mehr als ein Hobby. Doch die Faszination für bewegte Bilder lässt den jungen Sam nicht mehr los. In immer aufwendigeren Filmproduktionen setzt der Nachwuchsregisseur seine Schwestern und Freunde in Szene. Doch als die Fabelmans umziehen und es zu Turbulenzen innerhalb der Familie kommt, muss sich Sam mehr denn je auf seine Liebe zum Kino und die Macht der Filme besinnen, um seine Träume nicht aus den Augen zu verlieren.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Manch einer fühlt sich in letzter Zeit im Zuge der nicht enden wollenden Reihe an Autofiktion-Werken, also Filme, in denen Filmemacher*Innen sich und die eigene Lebensgeschichte thematisieren, fast dazu angehalten, den Stellenwert besagter Filmemacher*Innen in der allgemeinen Filmgeschichte erst einmal zu prüfen, um so abzuwägen, wie viel Nutzen an derartigem Selbsttherapie-Kino wirklich besteht. Diesem sehr pragmatischen Ansatz folgend würden dennoch wenige abstreiten, dass wenn jemand Bedarf an der Aufarbeitung des eigenen Lebens hat, Steven Spielberg (E.T. – Der Außerirdische, Der Soldat James Ryan) wohl noch zu denen gehört, bei denen sich so etwas noch angebracht anfühlt. In der Kinogeschichte und in der des modernen Blockbusters, welches er mit Der Weiße Hai für immer besiegelte und welches spätestens durch seinen Kollegen und Freund George Lucas mit Star Wars nie wieder wegzudenken war, ist Spielberg selbst schon ein eigenständiger Charakter: Jemand, dessen Name bereits Kino ausstrahlt und dessen thematische Eigenschaften wie das Streben des Guten gegen das Böse, das Träumen von anderen Welten und die ewige Suche nach der verlorenen Kindheit zu Eckpfeilern in der Ideologie des Massenkinos wurden. Eine Autobiografie seinerseits hätte in diesem Kontext fast zu einer Art Urtext werden können, zur Erklärung wie die Elemente seines Lebens zu den Bestandteilen der popkulturellen, filmischen Landschaft wurden. Das ist der entstandene Film nur am Rande, wenngleich Spielberg definitiv mit seiner Selbstverkultung spielt, im Kern aber singt er hier einen Abgesang auf die Konflikte und Hoffnungen seiner fiktionalisierten Familie, welche er den märchenhaften wie Namen The Fabelmans gegeben hat. 

Spielberg stellt die bittere Realität des Auseinanderdriftens besagter Familie an dieselbe Stelle wie die erwachenden Träume seines Alter Egos Sammy Fabelman (Mateo Zoryon Francis-De Ford als Kind, Gabriel La Belle als Jugendlicher) von der großen Leinwand, die zum ersten Mal das Licht der Welt erblicken, als ihn seine Eltern in Cecil B. DeMillesThe Greatest Show on Earth mitnehmen: Von der Heimfahrt bis zum Einschlafen kann Sammy nicht mehr aufhören, an die im Film dargestellte Zugkollision zu denken und muss die Szene prompt mit der eigenen Modell-Eisenbahn, die ihm sein Vater, der hart arbeitende Computer-Ingenieur Burt (Paul Dano, There Will Be Blood), geschenkt hatte, nachspielen. Von hier ist es nicht mehr weit bis zur eigenen 16mm-Kamera und bald wird aus dem Hobby Filmemachen eine Berufung. Doch das Erblühen dieser Leidenschaft entsteht in einer Zeit der Veränderung, geprägt von zahlreichen, der Arbeit von Burt bedingten, Umzügen der Familie vom heimischen Ohio zum aufreibenden Kalifornien, sowie unausgesprochener Familiengeheimnissen. Langsam aber sicher zerfällt dieses Familien-Idyll und bis es so weit ist muss Sammy seinen Platz in der Welt gefunden haben. 

In der Vaterfigur Burt enthüllt Spielberg einen der offensichtlichsten Archetypen seiner späteren Filmografie, den des abwesenden Vaters, der seine Arbeit und das Wohlergehen seiner Familie über die Zeit, die er mit ihr verbringt, stellt. Er ist es auch, der Sammy zu Beginn auf den Weg gibt: „Es ist nicht genug etwas zu lieben, du musst dich auch darum kümmern,“ ohne zu begreifen, dass er sich selbst diesen Satz zu Herzen hätte nehmen sollen. Die zweite Figur, auf die sich dieser Satz indirekt bezieht, ist Mutter Mitzi (Michelle Williams, Blue Valentine), eine verhinderte Pianistin, die ihre Konzertträume für die Familie aufgeben musste und ebenfalls einem gewohnten Archetypen entspricht, nämlich der der aufopfernden Mutter, die zwischen entschlossener Hingabe für ihre Kinder und unerfüllter Selbstverwirklichung zerrissen ist. Die Gewohnheit dieser Figurenzeichnung gibt spätestens dann ihre Methodik zu erkennen, wenn Onkel Boris (Judd Hirsch, Uncut Gems), ein alternder Schauspieler, in seinem Ein-Szene-Auftritt scheinbar nur in den Film geschleust wird, um Sammy einen Monolog darüber zu halten, dass Kunst immer Leidenschaft bedeutet. 

So viel Herz Spielberg und dessen Drehbuchautor Tony Kushner (die zweite Kollaboration der beiden nach West Side Story) auch in diese Konstellation stecken, selten können sie der Familiengeschichte eine benötigte Dringlichkeit verleihen. Wie gewohnt sich alles anfühlt mag zwar im Kontext von Spielbergs Autofiktion Sinn ergeben, lässt den Film aber auch an Originalität mangeln. Dies ist nicht weiter verwerflich, aber das Ergebnis bleibt hin und her gerissen zwischen ehrlicher Selbstverarbeitung und nostalgischem Wohlfühl-Kitsch. Letzteres lässt sich auch in den zahlreichen, eingebauten Verweisen auf Spielbergs eigene Filme finden. Wenn etwa ein kleiner Junge Angst hat an den Strand zu gehen, weil dort ja Haie umherschwimmen würden, so vermag man fast Spielberg selbst zwinkernd durch die Leinwand erkennen zu können. Verweise auf die Filme anderer Regisseur*Innen sind da etwas cleverer: In einem bizarren Einfall huldigt Spielberg niemand anderem als Michelangelo Antonioni und dessen Film Blow Up (man könnte die Szene jedoch auch auf Brian De Palma und Blow Out beziehen), wenn Sammy beim wiederholten Abspielen eines von ihm gedrehten Urlaubsfilmes im Hintergrund ein erschütterndes Geheimnis entdeckt. Es ist ein Moment und eine daraus folgende Storyline, in denen die Aufarbeitung der Familie endlich konkret wird, welche sonst zu sehr an dem, an Spielberg oft kritisierten, Drang zur Gefälligkeit leidet. Der gewählte Name „Fabelman“ gibt auch Aufschluss über den verfolgten Ansatz des Filmes: Fabel und Mensch, ein Märchen von echten Menschen, welches aber in dieser Mischung aus überhöhter Magie und schmerzhafter Realität nur selten wirklich Fuß fasst. 

Die zerreißende Balance zwischen Nostalgie und Realismus, zwischen Kinosehnsucht und Familienkrise, mag zunächst wie perfekt geeignet für eine Figur wie Sammy Fabelman wirken, ist dessen Werdegang abseits der Familie auch irgendwann hin und her gerissen zwischen früher, künstlerischer Erfüllung als Regisseur, wenn er schließlich mit all seinen Freunden im  Amateur-Stil (Sand-Katapulte bei Schusstreffern) seinen ersten Kriegsfilm dreht, und hartem Schultag, geprägt von dem antisemitischen Mobben halbstarker Mitschüler. Das ihn eine junge Katholikin bald aufgrund eben jener jüdischen Identität fetischisiert und anhimmelt nimmt er hingegen lieber in Kauf. In seiner zweiten Hälfte wendet sich Spielbergs Film zum angenehmen Panorama des großbürgerlichen Schulmilieus und verschafft dem Bildungsroman seines Protagonisten deutlich mehr Erdung. Leider wird spätestens hier die vielleicht größte Schwäche des Filmes offensichtlich, nämlich das Sammy Fabelman als Charakter nahezu ohne Schnörkel, Schwächen oder Fehler auskommt und nichts dazu lernen muss. Die Bildung in diesem Bildungsroman scheint rein auf dieses Alter-Ego bezogen bereits nach wenigen Filmminuten abgeschlossen zu sein, was The Fabelmans irgendwann mehr wie die Origin-Story eines Superhelden anmuten lässt. 

Das man selbst zwischen zerbrochenen Familienidyll, bösen Schulbullies und Filmträumen einfach man selbst sein muss und mit reinem Herzen in die Welt schreiten muss, ist eine weitere Erkenntnis, die Spielberg und sein Gefolge seit Jahren in ihren Filmen predigen und es ergibt vielleicht Sinn, dies hier erneut anzuwenden, wenn auch die Methodik einer solchen Aussage weniger dem Realismus und mehr dem Märchen angehört und wahrscheinlich als weiterer Leckerbisse für das nostalgische Kinoliebhaber-Publikum dient. Gerade letzteres ist es auch, welchem Spielberg die letzte Szene seines Filmes widmet. Besagter Moment sei hier konkret vorenthalten, es sei aber gesagt das in dieser finalen Konklusion, die Sammy mit einem seiner größten Idole vereint, sich die Essenz dieses Filmes versteckt, wenn Spielberg augenscheinlich sein eigenes Schaffenswerk der Anekdote eines (offenbar seiner eigenen Ansicht nach) besseren Filmemachers unterordnet. Ein Moment, unfassbar süß gestaltet und als Leckerbissen für ein cinephiles Publikum nahezu unwiderstehlich, aber hinter ihm verbirgt sich keine Erkenntnis, die über einen Fanboy-Moment hinauskommt. Genauso ist The Fabelman selbst ein gewohnter Trip-down-Memorylane mit der immersiven Kamera eines Janusz Kaminski (Schindlers Liste), der sentimental-ikonischen Musik von John Williams (Jäger des verlorenen Schatzes) und der gewohnt überzeugenden Regie von Spielberg so gewöhnlich, das nur wenig bleibt, außer ein paar netten Erinnerungen.

Fazit

Steven Spielbergs Herzensprojekt „The Fabelmans“ bewegt sich zwischen cinephiler Fanboy-Allüre und herzhaftem Abgesang auf die Fehler und Glücksmomente des eigenen Heranwachsens und gestaltet sich als erwartbar nostalgischer Erinnerungstrip mit leicht therapeutischem Ansatz. Jedoch darf weder Spielbergs Alter-Ego mehr sein als eben jenes, noch darf irgendein anderes Familienmitglied oder Lebensetappe eigenständig fungieren, und vor allem darf nichts über sich hinaus wachsen oder anecken, sodass der Film nicht mehr und nicht weniger als den Charme einer Märchenstunde bei Opa und Oma verspürt.

Kritik: Jakob Jurisch

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