Es gibt im Grunde nichts, was nicht schon über die Live-Action-Remakes von Walt Disney gesagt wurde. Rudimentär kann das Urteil gefällt werden, dass diese Neuverfilmungen erfolgreicher sind, je klarer und enger sie sich an ihre Vorlage halten. Die neue Arielle, die Meerjungfrau ist gut 50 Minuten länger, als das Original, welches Weihnachten 1990 in die deutschen Kinos kam. Dies unterstützt die Annahme, dass uns hier mehr geboten wird, als die bekannte Geschichte nur wieder technisch aufwendig, aber narrativ wenig umfang-, bzw. facettenreich aufzuwärmen. Ein wenig lässt sich die erhöhte Laufzeit durch vier neue Lieder erklärt werden, bei denen Hamilton-Mastermind Lin-Manuel Miranda involviert gewesen war.
Doch leider gibt es wenig Neues bei diesem Remake zu entdecken. Es wurde sogar die ein oder andere Szene entfernt, wie etwa, wenn Krabbe Sebastian von Koch Louis gejagt wird. Dies bescherte dem Original durchaus amüsante Minuten. Deren Wegfall unterstreicht nur, dass sich die 2023-Variante weit weniger für humorvolle Momente interessiert. Es gibt immer noch freudvolle Szenen und Figuren, aber in Gänze wirkt die neue Little Mermaid unter der Leitung der Mary Poppins' Rückkehr-Macher (Regisseur Rob Marshall und Drehbuchautor David Magee) weit weniger heiter, als das Original. Das bot auch viele düstere Szenen, kompensierte diese aber wesentlich effizienter. Für die ganz jungen Kinogänger könnte diese Arielle also vielleicht ein wenig überfordernd sein.
Zurück zu den Unterschieden zwischen Original und Remake. Nein, diese Arielle Die Meerjungfrau fügt keine essenziellen Dinge neu hinzu, mal abgesehen von Updates in Sachen Diversität und Emanzipation, die der Geschichte letztlich aber auch keine wirklich neuen Perspektiven verleihen. Genau wie Der König der Löwen von 2019 ist auch diese Disney-Neuverfilmung meist nicht mehr als eine Dublette. Wer sich beim CGI-Simba daran schon nicht gestört hat, könnte auch hier wieder eine schöne Zeit im Kino verbringen. Wer andere Ansprüche an ein Remake hat, dürfte beim Original besser aufgehoben sein. Es ist abwechslungsreicher und erzählerisch verdichteter. Ganz zu schweigen vom zeitlosen Look. Der wirkt bei der neuen Arielle mehr wie eine Technik-Demo, die durchaus beeindruckend geraten ist. Doch so richtig überzeugend sind die aufwendigen Unterwasseraufnahmen nicht. Gerade im Vergleich mit Avatar: The Way of Water, wobei wir es hier mit komplett animierten Wesen zu tun hatten.
Es ist nicht das Uncanny Valley, was so viele Szenen befremdlich macht. Es ist schwer zu beschreiben, aber wenn Halle Bailey (wird demnächst auch im The Color Purple-Remake zu sehen sein) als Arielle oder Javier Bardem (No Ocean for Old Men) als ihr Vater, König Triton, durch das düstere Nass gleiten, will sich nie so richtig das Gefühl von Echtheit einstellen. Es wirkt wie reale Gesichter, die auf hochwertige, fotorealistische Körper montiert wurden. Auch der Übergang zwischen echtem und animierten Haar wirkt manchmal diffus. Da kommt es Melissa McCarthy (Spy - Susan Cooper Underwater) zugute, dass sie als Seehexe Ursula, wie das Original, Kurzhaarfrisur trägt. Sicherlich werden sich gerade bei den digitalen Welten des Films die Gemüter spalten. Es wäre falsch und unfair, die Effektarbeit als gescheitert oder schwach zu bezeichnen, aber zumindest der Autor dieser Zeilen empfand die digitale Unterwasserwelt als seltsam. Kein guter Ort um zu verweilen und das nicht nur wegen des fehlenden Sauerstoffes.
Ab der zweiten Hälfte wechselt die Erzählung wie bekannt aufs Land. Doch dort oben tummeln sich ähnlich blasse Charaktere wie unterhalb des Meeresspiegels. Jonah Hauer-King (Little Women) als Prinz Erik kann gut schmachtend von der Sehnsucht nach Abenteuer singen, aber eine wirkliche Ausstrahlung besitzt dieser Prince Charming nicht. Ein Makel, der die meisten Figuren der Neuverfilmung trifft. Lediglich Melissa McCarthys Performance sticht hervor. Alles in allem mal wieder ein Remake, das keine wirklichen erzählerischen Risiken eingeht und so elendig auf Sicherheit konzipiert ist, dass es mittlerweile langweilig ist, sich über diese Ödnis zu echauffieren. Es riecht nach Fisch.