4.5

MB-Kritik

Die Geschichte meiner Frau 2021

Romance, Drama

4.5

Léa Seydoux
Gijs Naber
Louis Garrel
Sergio Rubini
Jasmine Trinca
Luna Wedler
Josef Hader
Ulrich Matthes
Udo Samel
Tulián Aczél
Oscar Bennett
Ralph Berkin
Romane Bohringer
Beniamino Brogi
Simone Coppo
Paula Donner

Inhalt

Jakob Störr, ein hartgesottener niederländischer Schiffskapitän, schließt in einem Café die Wette ab, die erste Frau zu heiraten, die das Lokal betritt. Nichtsahnend kommt Lizzy zur Tür herein...

Kritik

Jakob Störr (Gijs Naber, Black Book) singt sein Seemannslied aus tiefster Brust. Er singt es mit der Sehnsucht, die nur eine Distanz von Meeren hinauf zu beschwören weiß, die am Grunde liegt, während die Oberfläche in stoischer Harmonie vor sich hinschunkelt. Und er bekommt Applaus - von angesehenen Männern, von schönen Frauen. Nicht jedoch von Lizzy (Léa Seydoux, Blau ist eine warme Farbe), seiner zufällig erwählten Ehefrau, die zur Liebe seines Lebens wurde. Diese ist nicht einmal im Raum, während er mit ausgebreiteten Armen zu Klaviertönen auf und abstolziert. Diese Szene, die man erst spät im dreistündigen Die Geschichte meiner Frau antrifft, charakterisiert die Paradoxie der Beziehung beider Charaktere eindringlich: Während es Jakob ist, der Lizzy bei seinen langen Schiffsreisen zurück lässt, ist es Lizzy, die diesen mit seinem konservativen Gestus alleine lässt, wodurch dieser eitel, aufgeblasen, hilflos wirkt.

Regisseurin Ildíko Enyedi (Körper und Seele) kommuniziert diesen Gegensatz auch erzählerisch, indem sie einen pathetisch aufgeblasenen Liebesepos hervorbringt, der jedoch von intensiven Spitzen durchzogen ist. Der Kontrast gipfelt in einem Machtspiel: seine beharrliche Geduld gegen ihren beharrlichen Willen, mit dieser zu brechen. In den schönsten Momenten: seine Treue gegen ihr Freiheitsstreben. In den hässlichsten: seine Eifersucht gegen ihre Schadenfreude. Entstanden sind einprägsame Szenen, die von freundschaftlicher Zärtlichkeit (wenn Lizzy ihrem Gatten erklärt, wie er attraktiver wirken kann) bis hin zu eskalierender Erotik (wenn ein kleines Spiel der Provokation zur Gewalt ausartet) reichen.

Trotz des irreführenden Titels bleibt Die Geschichte meiner Frau ein Film über Männlichkeit, genauer: über den Niedergang einer bestimmten Art von Männlichkeit. Eine Art, die sich durch Unberührbarkeit auszeichnet, bei der hinter jeder Geste der Höflichkeit eine Unbeholfenheit, hinter jedem stolzen Gang eine Angst, hinter jedem Gewaltausbruch eine Sehnsucht schlummert. Die besondere Kunst des Werkes ist es, seinem Charakter den Sturz nicht zu gestatten. Wenn mit Lizzy die Herausfordeung einer neuen Zeit in Jakobs Leben tritt, dann kann er weder seinen Gestus ablegen, noch kann er ihn erfolgreich aufführen - er ist in der Ambivalenz eines Umbruchs gefangen. Diese Spannung trägt den Film über weite Strecken. 

Die Geschichte meiner Frau ist zu lang, reiht bisweilen Szenen in monotoner Visualität aneinander und endet allzu konventionell. Gerade letzteres lastet schwer, weil die Beziehung zwischen Jakob und Lizzy dadurch den Anstrich des Privaten, des Historisierten, erhält, was in der Interpretation zu Allgemeinplatzhaltern à la „Ein Film über Eifersucht“ einlädt, dabei jedoch das Potential des Werkes verkennt. Bei allem Sichtungsgenuss, der dem Film dadurch abhanden kommt, wohnt seiner Schwerfälligkeit etwas Desillusionierendes inne: das Neue geht immer mit Verlusterfahrungen einher. Dass diese schön sein können, zeigt Die Geschichte meiner Frau

Fazit

"Die Geschichte meiner Frau" ist sicher nicht frei von Schwächen: die knappen drei Stunden erscheinen bisweilen zäh, durchzogen von monotoner Visualität. Auch verirrt er sich in konventionellen Narrativen, wodurch er sein Thema zunehmend ins Private verlagert. Dennoch bleibt ein Überschuss, aus dem das Werk seine Schönheit zieht, die aus der Spannung zwischen den Protagonisten, dem Kruden und Lebendigen, resultiert. Neben den gut aufgelegten Darstellenden und einprägsamen Machtkonstellationen, ist es vor allem der Zusammenhang zwischen dem "Altbewährten" und dem "Neuen", der gerade vor dem Kontext variierender Geschlechterbilder anschlussfähig erscheint. 

Autor: Maximilian Knade
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