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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Im Jahr 1798 wird in den Wäldern von Aveyron ein etwa 10 Jahre alter, völlig verwilderter Junge aufgefunden, der dort offenbar ohne jeglichen Kontakt zu anderen Menschen aufgewachsen ist. Der Kinderpsychologe Dr. Jean Itard versucht, den Junge zu resozialisieren.

Kritik

Der Wolfsjunge zählt zu den persönlichsten Werken von François Truffaut (Sie küssten und sie schlugen ihn), für dessen Realisierung er lange kämpfen musste. Bereits sechs Jahre vor seiner Premiere erwarb er die Rechte an der wahren Geschichte des „Wolfsjungen von Aveyron“ und fertigte gemeinsam mit Jean Gruault (Jules und Jim) einen ersten Drehbuchentwurf an. Während er sich parallel mit anderen Regiearbeiten beschäftigte, wurde das Skript immer weiter ausgebaut, bis es irgendwann das Ausmaß eines Dreistundenfilms annahm. Truffaut zog die Reißleine und strich konsequent alles heraus, was er nicht als zwingend notwendig für die Beziehung der beiden Protagonisten erachtete. Als er dann 1969 endlich mit dem Dreharbeiten beginnen konnte, kalkulierte er bereits die prognostizierte Unwirtschaftlichkeit des als zu nüchtern eingestuften Werkes mit ein und stellte sich darauf ein, mit dem zu erwartenden Gewinn von Das Geheimnis der falschen Braut diesen Verlust wieder auszugleichen. Stattdessen blieb der mit Jean-Paul Belmondo und Catherine Denueve starbesetzte Film hinter den kommerziellen Erwartungen zurück und Der Wolfsjunge wurde zu Truffaut’s bis dato lukrativsten Arbeit.

Der Film beruht auf dem Sachbericht des Arztes Dr. Jean Itard, der sich Anfang des 19. Jahrhunderts intensiv mit der Erforschung und Resozialisierung eines in der Wildnis aufgegriffenen Jungens beschäftigte, der scheinbar als Kleinkind zum Sterben ausgesetzt wurde, wie durch ein Wunder überlebte und dort ohne den Kontakt zu anderen Menschen wie ein wildes Tier aufwuchs. François Truffaut schlüpft dabei selbst in die Rolle des Dr. Itard und hält sich inhaltlich nah an dessen Aufzeichnungen. So greift man bei den begleitenden und als narrativ roter Faden dienenden Texten auf Originalpassagen aus dessen Berichten zurück. Da sich bewusst gegen jedwede Nebenhandlungsstränge oder sonstiges, schmückendes Beiwerk entschieden wurde, wirkt der Plot beinah semi-dokumentarisch und konzentriert sich intensiv auf die Arbeit von Itard mit dem später in Victor umgetauften Jungen (in seiner ersten von nur zwei Rollen: Der damals 12jährige Jean-Pierre Cargol). Obwohl der Film dabei sachlich und puristisch wie in einer Art Versuchsanordnung wirkt, lässt Truffaut dabei das einfließen, was seine früheren Filme so authentisch, persönlich und beinah autobiographisch erscheinen ließ; sicherlich aber nicht so unmittelbar wie z.B. bei Sie küssten und sie schlugen ihn. Im Prinzip wird aber auch hier eine Form von Coming-of-Age-Geschichte erzählt und eine sehr komplizierte wie konfliktbeladenen „Vater-Sohn-Beziehung“ thematisiert, die sich nur zwischen den Zeilen lesen lässt.

Dass Truffaut im Vorfeld nicht vom Zuspruch des breiten Publikums ausging, ist aus objektiver Sicht sehr naheliegend. Neben der wenig kommerziellen Thematik – zumindest in einer nicht auf Pathos angelegten Erzählweise – wählt er auch inszenatorisch einen pauschal als „unattraktiv“ einzustufenden Weg. Obwohl 1969/70 fast niemand mehr in Schwarz-Weiß drehte, entschied er sich sehr bewusst für diesen Schritt. Dadurch sollte der dokumentarische Aspekt noch mehr an Gewicht bekommen und ein Stückweit auch dem Stummfilm eine Hommage erwiesen werden, denn schließlich dreht sich Vieles um den Erwerb der Sprache und die nonverbale Kommunikation. Ein weiters, auffälliges Stilmittel ist in dem Bezug die Verwendung der klassisch Iresblende, um Szenenübergänge einzuläuten, in deren Mittelpunkt immer Victor steht. Truffaut bewahrt sich auch durch diese technischen Kniffe eine gesunde Distanz, um nicht doch Gefahr zu laufen, den Plot zu sehr an eine plumpe Sentimentalität zu verlieren. Dass Der Wolfsjunge trotzdem alles andere als emotionslos oder unterkühlt geraten ist, spricht für die große Empathie wie das messerscharfe, cineastische Verständnis dieses außergewöhnlichen Filmemachers, der stets die angepeilte und notwendige Balance hält. Nicht umsonst dient er heute immer noch als gerne verwendetes Unterrichtsmaterial an Schulen oder Universitäten, ohne dabei wie ein klinischer Lehrfilm zu wirken, den man sich nicht in seiner Freizeit anschauen würde.

Fazit

In seinem auf gerade mal 81 Minuten entschlackten Konzentrat hat sich François Truffaut vermutlich einen sehr großen Gefallen getan. Statt sich in einem aufgeblähten Drama am Rande des dann wohl unvermeidlichen Pathos zu bewegen, entledigte er sich im Vorfeld aller Nebensächlichkeiten und verlässt sich ausschließlich auf die Faszination und pure Essenz seiner Vorlage. Die daraus resultierende Nüchternheit erweist sich dabei nicht als Stolperstein, gibt dem Werk aber eine gesunde und geerdete Sachlichkeit, die jedwede Trivialität von Vornherein ausschließt. Wenn das der Name Truffaut nicht ohnehin schon erledigen würde. Aber sicher ist sicher.

Kritik: Jacko Kunze

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