Inhalt
Zart und zerbrechlich, als wäre sie aus Glas, wirkt die sechsjährige Ema. Nun soll sie eingeschult werden, aber auf ihre Autismus-Diagnose reagieren viele Schulen mit Ablehnung. Nur die Lehrerinnen einer kleinen Dorfschule am Paraná-Fluss sind bereit, sie zu unterrichten. Für Emas Familie aus der Großstadt beginnt nun ein Leben auf dem Land.
Kritik
So vorsichtig-erkundend und dabei gänzlich unbefangen wie ihre kindliche Hauptfigur, deren Finger in der Eingangsszene die unsichtbaren Konturen hinter Glas ausgestellter Tierpräparate nachzeichnen, erschließt Betania Cappatos eindrucksvolles Spielfilmdebüt dem Publikum die Erlebniswelt eines autistischen Mädchens (herausragend: Clementina Folmer). Dessen verschlossene Psyche öffnet sich zaghaft für die neuen Eindrücke einer Umgebung, die zum Schlüsselwort einer berührenden Wandlung wird. Inspiriert durch die Geschichte ihres Bruders komponiert die Regisseurin einen Kinderfilm voll zarter Poesie und intuitiver Weisheit.
Die zärtlichen Szenen, der begleitet von sanfter Musik den veränderten Alltag der anfangs kleinen, dann großen Familie im Handlungszentrum begleiten, sind bei aller Natürlichkeit reich an bedeutsamen Symbolen. Diese geben der Inszenierung bisweilen ein magisch-realistisches Air, das dennoch stets in der Gegenwartsrealität verankert bleibt. Vorsichtige Schritte der kleine Ema aus ihrem Kokon sind keine Wunderheilung und die ländliche Gemeinde, in der die einzig zur Aufnahme der herausfordernden Schulanfängerin bereit Schule steht, kein sorgenfreies Paradies.
Den Alltag im Dorf prägen Einförmigkeit und Existenznot, die Verschmutzung der einzigen Wasserquelle verstärkt. Rücksichtslose Ausbeutung von Natur und Tieren wird zum Gleichnis für unterschiedliche Ansätze im Umgang mit hochsensiblen Situationen. Das ökologische Engagement Emas Eltern Julia (Mara Bestelli, Rojo) und Antonio (Pablo Seijo, La Flor) in ihrem neuen Wohnort spiegelt die liebevolle Akzeptanz ihrer Tochter in der Klassen- und Ortsgemeinschaft. Zarten Alltagsmomente geben ihr eigenes Zeugnis zu den Gegenpolen von Segregation vs. Integration und Geduld vs. Gewalt.
Fazit
Mit ebenso viel Besonnenheit, wie sie Erzieher*innen und Schülerschaft einer entlegenen Dorfschule für ihre autistische Mitschülerin aufbringen, konturiert Betania Cappato die Figuren ihres zutiefst persönlichen Kinderfilms. Dessen stille Kraft liebt in aufmerksamer Beobachtung vertraulicher Augenblick kindlichen Austauschs und Erlebens. Sie bedeuten für die in sich zurückgezogene Hauptfigur gewaltige Schritte Richtung eines sozialen Miteinanders, das ihr an 17 anderen Schulen verwehrt wurde. Die wirtschaftliche Instabilität des Handlungsschauplatzes erinnert indes daran, wie kostbar solche Schutzhorte sind.
Autor: Lida Bach