Inhalt
In einem abgelegenen Dorf im Jura versucht der gebrochene junge Vater Cédric, seine Tochter von einem gewalttätigen Rivalen zurückzugewinnen. Umgeben von Stille und Kühen, geplagt von seiner Vergangenheit, trifft er verzweifelte Entscheidungen, die sie alle in einen Abgrund reißen.
Kritik
Das sonnige Idyll der französischen Alpenwiesen wird zur kontrastvollen Kulisse der trüben ökonomischen Aussichten, die Friedfertigkeit der Kühe liefert einen markanten Gegensatz zur menschlichen Brutalität und die Unberührtheit der Natur unterstreicht die gesellschaftliche Korruption in Hugo Diego Garcias harschem Debütdrama. Zwischen Sozialdrama und Seelenstudie erfasst die mit Lorenzo Bentivoglio verfasste Story die tragisch vermeidbare Eskalation eines jungen Mannes auf der Suche nach innerem Frieden. Cédric Poncet (gespielt von Garcia selbst) kämpft nach dem Kriegseinsatz im Irak mit PTSD.
Seine Panik- und Wutanfälle betäubt er vergeblich mit Drogen, die er nebenher vertickt. Erst für seinen selbstsicheren Kumpel Leo (Bentivoglio), dann für eine serbische Gang, die ihn immer tiefer in kriminellen Morast ziehen. Seine Ex-Frau Chayenne (Laure Valax) und beider kleine Tochter stehen zugleich für sein verlorenes Glück, das nahe und doch unerreichbar scheint, und den Traum auf eine gemeinsame Zukunft. Mit dem Drogengeld Cédric hofft Cédric sich ein neues Leben aufzubauen, weit weg von den zerfallenden Gesellschaftsstrukturen um sie herum.
Strahlend blauer Himmel, Wildblumen und sattgrüne Felder bieten einen seltsam malerischen Hintergrund für verlassene Häuser, geschlossene Geschäfte und wuchernde Perspektivlosigkeit. Die Gleichgültigkeit des Systems gegenüber den Menschen, die es psychisch zerstört hat, ist ein unterliegendes Kernthema der von stiller Drohung getriebenen Handlung. Jene bewegt sich unerbittlich zu der tödlichen Eruption der aufgestauten Wut, die der verschlossene Protagonist vergeblich zu kontrollieren versucht. Kitsch und Bildwelten des Heimatkinos zitiert die Inszenierung nur, um sie umgehend radikal zu dekonstruieren. Die beruhigende Wirkung der Natur ist letztlich machtlos gegenüber den destruktiven Impulsen.
Fazit
„Rinderwahn“ heißt übersetzt der Titel Hugo Diego Garcias Leinwand-Debüts, das toxische Männlichkeit, martialische Aggression und gemeinschaftliche Desintegration mit einer schleichenden Krankheit vergleicht. Zwischen rohem Realismus und symbolischer Überhöhung beobachtete die angespannte Kamera die Anbahnung des finalen Desasters. Darin triumphiert letztlich die militärische Verrohung, die den gequälten Hauptcharakter für das Gemeinschaftsleben, nach dem er sich sehnt, untauglich gemacht hat. Trotz einiger rauer Übergänge und Tendenz zu Theatralik schaffen das organische Schauspiel und die stimmungsvolle Bildsprache einen vielversprechenden Einstieg ins Autorenkino.
Autor: Lida Bach